Die stille Annexion der Kulki-Halbinsel

Der Kulkwitzer See ist nicht nur für Naherholungssuchende ein beliebtes Domizil. Auch für Fotografen oder Naturbeobachter bieten sich hier interessante Motive. Die konzentrieren sich freilich eher auf die Topografie des menschlichen Körpers. Leipzig will dieser Tristesse nun ein Ende machen und den Hobby-Knipsern wie auch den Voyeuren endlich auch architektonische Ziele bieten. Zäune zum Beispiel, oder Stacheldraht. Vielleicht auch Villen…

Was haben Leipzig und Russland gemeinsam? Genau: Unter anderem eine Halbinsel. Während Wladimir Putin allerdings die Krim mit militärischer Brachialgewalt annektierte, nutzt Junker Burkhard bei der Besetzung der Kulki-Halbinsel den demokratischen Schein seiner Duma und geht so internationalen Verwicklungen aus dem Weg.

Was die Abgeordneten im Leipziger Kreml da in ihren Schubladen gefunden haben, ist nicht mehr und nicht weniger als ein geostrategischer Geniestreich. Dazu muss allerdings der Bebauungsplan geändert werden und genau damit beschäftigten sich die Ratsherrinnen und -herren auf ihrer jüngsten Sitzung.

Ein ganz normaler Vorgang und für den Normalbürger aufgrund seines Umfangs sowieso kaum nachvollziehbar. Dass aber in den Tagen danach in den Medien kaum darüber berichtet wurde, macht stutzig.

Besetzung via B-Plan Nr. 232

Kein Wunder, enthält der B-Plan neben einigen durchaus interessanten Ansätzen doch ein paar heiße Lösungen, an denen man sich die Finger verbrennen könnte. Vor allem die Privatisierung einiger Strandbereiche am Ostufer brennt wie Pfeffer in einer offenen Wunde.

Bevor wir zu den Auswirkungen kommen, klicken Sie bitte mal auf folgendes Bild und schauen sich den kurzen Beitrag (nur wenige Minuten) des MDR an. Der bringt Sie sozusagen auf den aktuellen Stand. Wohlgemerkt: Das ist bitterer Ernst und keine Satire! Und keine Angst: Die Einleitung mit den Boxspringbetten dauert nur ein paar Sekunden, danach gehts zur Sache!

Okay so weit. Zurück zur Satire. In den Augen seiner politischen Kritiker hat Junker Burkhard erneut mit seinen Ländereien gespielt. Macht er ja gerne mal.

Erst jüngst hat er sich wieder als kommunaler Immobilienmakler betätigt und sein Interesse am kostenlosen Aufkauf von Markranstädt und Markkleeberg angemeldet. Zu früh, wie internationale Beobachter behaupten. Noch sind seine Filetstücke nicht sturmreif geschossen.

Eigennutz vor Gemeinnutz?

Aber im Falle des Bebauungsplanes Nr. 232 geht es ausnahmsweise mal nicht um die feindliche Übernahme von Latifundien, sondern um deren Übergabe in Privatbesitz. Damit können auch gleich Zustände geheilt werden, die im Moment noch den Tatbestand der Illegalität erfüllen sollen.

Da ist zum Beispiel der mutmaßlich illegal errichtete Zaun rund um den Campingplatz. Mit dem Leipziger Stadtratsbeschluss könnten hier neben der bereits bestehenden Einhausung mit Stacheldraht demnächst durchaus auch Wachtürme und andere Verteidigungsanlagen entstehen.

Ein touristisches Alleinstellungsmerkmal. Schon sieht man ganze Busse mit Japanern anreisen, die den antiintegrativen Schutzwall fotografieren wollen.

Diese Sichtweise ist allerdings wieder mal typisch deutsch. Immer alles negativ sehen! Dabei liegen die Vorteile klar auf der Hand. Endlich zieht mal wieder Ordnung am Kulki ein, um die sich die Öffentliche Hand bislang und auch künftig nicht kümmern kann.

Zwischenfälle mit Zugereisten, Heerscharen von Hobbyfotografen auf der Fankurve über dem FKK-Bereich oder Grillabende, die zum Massenbarbecue avancierten, sind unter den gegebenen Bedingungen für die Öffentliche Hand nicht mehr zu bewältigen. Zumindest nicht ohne Gefahr zu laufen, am nächsten Tag in den Medien als rechtsradikal gebrandmarkt zu werden.

Die Gefahr der Minigolfschläger

Die Camper dagegen haben gezeigt, welche Möglichkeiten es gibt. Einfach Zaun drum und fertig! Nicht mal die sonst so streitbaren GRÜNEN haben sich bislang darüber mockiert.

Um die Rechte der Eingeborenen kümmern die sich ja ohnehin wenig, aber dass sie sich nicht mal um die Grundrechte der Flüchtlinge kümmern, denen damit der Zutritt zum laut Stadtratsbeschluss öffentlichen Strand verwehrt wird, das stimmt nachdenklich.

Die Slums wurden bereits geräumt um Platz zu schaffen für zahlungskräftige Gäste und Investoren.

Klar: Wo man den Strand nicht mehr betreten kann, da kann auch kein Hund mehr hinscheißen, gibt es keine lärmenden Kinder und auch keine tief fliegenden Frisby-Scheiben.

Vor allem Minigolfer stellen, wie im MDR-Beitrag zur Sprache kommt, eine oft unterschätzte Gefahr dar. Die Golfschläger könnte man letztendlich auch als Knüppel verwenden. Und genau damit will die Stadt Leipzig nichts mehr zu tun haben.

Stacheldraht gegen Kinderlärm

Wenn man den Strand privatisiert, ist es Sache der Eigentümer, dort für Ordnung zu sorgen. Und das werden die sicher auch tun. Mit Zäunen, Security und Überwachungskameras. Also all dem, was öffentliche Hand nicht darf. Und schon ist es vorbei mit Grillpartys und Fotosafaris. So einfach ist das.

Wenn es darum geht, dass Privilegierte ihre Ländereien schützen, kommt nicht einmal das Argument der Intoleranz oder gar Ausgrenzung zum Tragen.

Während es früher hieß „Ausländer raus“ steht da jetzt ein gesellschaftskonformes „Privatgelände! Betreten verboten!“ Gilt für alle und ist daher sowohl faschistisch als auch rassistisch unbedenklich. Genauso wie in den Wohngegenden, in denen die Spitzenpolitiker fernab jeglicher Realität hausen.

Zumindest hat die Messestadt jetzt mal die Hosen runtergelassen und zugegeben, worum es wirklich geht. Von wegen öffentliche Strände und so. Ein Blick auf die dem neuen B-Plan zugrunde liegende Planzeichnung zeigt das deutlich.

Schauen Sie ruhig mal genau hin. Das „P“, das Sie da an einigen Strandbereichen entdecken, bedeutet nicht etwa, dass da Parkplätze mit direktem Zugang zum Wasser entstehen. Nein, das „P“ steht für „Privat“!

Rote Pfeile zeigen auf die geplanten Privatstrände, die blauen Pfeile auf Privatgelände.

Dort können Sie sich künftig die Nase am Stacheldraht platt drücken und zuschauen, wie sich die Ladys der High-Society in Designer-Bikinis vorm Gang ins Wasser den Lidstrich nachziehen. Nur nicht zu lange, weil sonst die Überwachungskameras Alarm auslösen. Von wegen Rumtreiber und so.

Im Umkehrschluss kann man auch erkennen, welche Strandbereiche für den Plebs dann noch übrig bleiben. Nur dass es dann dort eben noch enger zugehen wird. Hat allerdings einen Vorteil: So hat man das grillende und fotografierende Volk samt ihren Bälgern und Hunden viel besser unter Kontrolle. Und auch die ganz Armen, die sich nicht mal Badesachen leisten können. Die Konzentration des Elends.

Zweckmäßiger Verband

Nicht zuletzt wissen wir nun endlich auch, welchen Zweck der Zweckverband verfolgt. Man hat sich ja auf der Suche nach öffentlich einsehbarer Verbandssatzung schon oft gefragt, wozu es diesen Verein überhaupt gibt. Jetzt nimmt der Nebel in Form einer Versammlung öffentlich-rechtlicher Abnicker Gestalt an.

Erst jüngst hat sich ein Markranstädter Stadtrat verwundert gefragt, warum es seit 2015 keine Zusammenkunft des Zweckverbandes mehr gegeben habe. Gerade in der Phase, da Markranstädt aussteigen will und der Verband mithin aufgelöst werden soll, ist ein solch offensives Nichtstun mehr als frag-, ja sogar unglaubwürdig.

Da sollen wohl im Hinterstübchen Tatsachen geschaffen werden, die dann die Markranstädter Seite wieder nur artig abnicken kann? Auch für den Bereich des Westufers wird dieses Treiben im Osten nämlich nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Marschlandgewinnung

Schon im letzten Sommer war spürbar, dass die nach Freiheit lechzenden Seelen das Ufer wechselten, nachdem auf der Leipziger Seite aufgrund diverser Vorfälle die Polizeipräsenz erhöht wurde. Und das, obwohl auch auf der Markranstädter Seite die Zugänge zum Wasser langsam knapp werden. Auch hier soll nämlich längst nicht jeder Zaun da stehen, wo er stehen dürfte.

Mangels Ebbe und Flut und damit verbundener Möglichkeiten der Marschlandgewinnung hat man es hier und da nicht wohl so genau genommen mit den Grundstücksgrenzen und die Einfriedungen deshalb großzügig nach außen verpflanzt. Es gibt viel zu tun – auf beiden Seiten des Kulki.

 

7 Kommentare

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    • Dr. Matijaschtschuk auf 14. Juli 2021 bei 20:11
    • Antworten

    Sehr aufschlussreich, entlarvend und bedrückend. Der Vergleich mit der Krim bringt das Ganze auf den Punkt (auch wenn er hinkt).

    • Bernd auf 27. Oktober 2017 bei 11:06
    • Antworten

    Wie im Beitrag erwähnt, steht bewußter Zaun des Anstoßes bereits seit 2003 – schön, daß es nach 14Jahren endlich jemanden auffällt……
    Wenn Geld im Spiel ist, werfen unsere Verwaltungen ja gerne sämtliche demokratischen Grundsätze über den Haufen: Legal, illegal… scheißegal??
    Ob sich nach der Berichterstattung etwas ändern wird? Ich würde das ja gerne glauben wollen…

    1. Glauben Sie es ruhig gerne weiter. Der Glaube ist schließlich das Opium fürs Volk. Allein ändern wird sich nix. Man sieht es ja schon an den Reaktionen … ähm … besser: Nichtreaktionen der Leser. Es ist ihnen scheißegal.

        • Bernd auf 27. Oktober 2017 bei 13:43
        • Antworten

        …eigentlich war mein letzter Satz ironisch gemeint 🙂

        1. Anders haben wir es auch nicht interpretiert … immerhin gehts hier um Satire 😉

    • Heiko Küster auf 27. Oktober 2017 bei 7:44
    • Antworten

    Nicht zu vergessen die Zäune auf Markranstädter Seite, die es ebenfalls gibt bzw. neu am Entstehen sind…sollte zumindest der Gerechtigkeit halber auch erwähnt werden. Zugang frei zu jedem Plätzchen am See – nicht nur am Kulki nicht mehr überall und ungehindert möglich. Tscha, Eigentum verpflichtet und macht egoistisch – auch wenn es nur Pachtverträge sind…

    1. Der Gerechtigkeit halber haben wir die Zäune auf der Markranstädter Seite am Schluss des Beitrages auch erwähnt. Wie geschrieben: Es gibt viel zu tun – auf beiden Seiten des Sees 😉

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