…widewidewitt und drei macht neune

Die Luft war geschwängert von kommunalpolitischem Weihrauch und der Hofstaat quittierte die gegenseitigen Huldigungen der bei Sturmwind todesmutig angereisten Würdenträger mit artigem Beifall. Die neue Kita am Bad wurde gestern offiziell eröffnet. Mit einem wirklich herzlichen Programm und zahlreichen Gästen, die angesichts der offiziell mindestens 15 (in der Realität eher 30 oder mehr) gefällten Bäume reichlich Platz vorfanden, um beim Klatschen ordentlich ausholen zu können. Alles gut! Wenn da nicht …

… diese verfluchte Mathematik wäre. Schon unter Anwendung simpelster Grundrechenarten könnten sich dem aufmerksamen Betrachter des Kita-Zahlenwerkes Fragen stellen, auf die er aus Angst vor der Aufdeckung abenteuerlichster Verschwörungstheorien möglicherweise gar keine Antworten haben will.

Wir erinnern uns: Die zuletzt mit ebenso großem Tam-Tam übergebene Baumaßnahme „Anbau der Grundschule“, steht noch immer im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie angeblich 43 Prozent teurer war als ursprünglich geplant.

Daraufhin wurde ein Ausschuss auf Akteneinsicht (AA) gebildet, um der Entstehung dieses geheimnisvollen Mehrwerts auf die Spur zu kommen. Dessen Abschlussbericht war in seiner öffentlichen Wirkung zwar geradezu spektakulär, ließ aber bei einigen Protagonisten schon während seiner Verlesung erste Zweifel aufkommen.

Ganz spitze Zungen bemühten später aus fachlicher Sicht das Gleichnis von Friseuren bei der Auswertung eines Röntgenbildes, andere zweifelten das Urteil aus rein sachlichen Erwägungen an, weil dem Ausschuss gar nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestanden haben.

Dem Vernehmen nach soll das in einigen Ordnern enthaltene Potpurri von der damaligen Führungskraft teilweise recht abenteuerlich zusammengestellt worden sein. Dem Ausschuss hingegen wurde die Vollständigkeit des Konvoluts suggeriert.

Inzwischen wurde von einer Arbeitsgruppe der Verwaltung (nennen wir sie AGV) ein korrigierendes Gegenpapier erstellt, wonach sich die tatsächlichen Mehrkosten des Grundschulanbaus auf bedeutend (man munkelt von fast zwei Drittel) weniger als die zuletzt kolportierten 43 Prozent belaufen. Blöd für Otto-Normalverbraucher und die Gerüchteküche, dass der Abschlussbericht des AA öffentlich einsehbar ist und das Papier der AGV lediglich als eine Art Geheimdokument kursiert.

Mit ein wenig Transparenz und erklärendem Talent, hätte man vielleicht schon längst den Unterschied zwischen den Begriffen Mehrkosten (teurer) und Differenz (aus Entwurfsplanung und tatsächlichem Aufwand) darstellen und die Fronten somit etwas befrieden können.

Fakt ist – und so weit darf sich wohl auch ein Laie aus dem Fenster lehnen: Der Anbau der Grundschule dürfte so ziemlich genau das gekostet haben, was er gekostet hat. Mehr noch: Wenn schon ein Einzylinder-Klo am Kulki ein Investitionsvolumen von satten 200.000 Euro verschlingen soll, war der mehrstöckige Schulanbau für 112 Kinder zum Preis von umgerechnet nur sechs Toiletten wohl eher noch ein wahres Schnäppchen.

Noch während die Fetzen zu diesem Vorgang hin und her fliegen, wurde nun also schon das nächste Munitionsdepot freigelegt. Die Kita am Bad hat bis jetzt rund das Doppelte der ursprünglich geplanten Summe verschlungen und dabei ist noch nicht einmal die Schlussrechnung aus dem Drucker geschlüpft.

Runde 1,1 Millionen Euro sollte die Anstalt zur zeitweisen Aufbewahrung heimischen Nachwuchses am Bad kosten, als am 18. September 2014 zehn der anwesenden 19 Stadträte in der vierten Etage mehrheitlich den Weg für das Vorhaben ebneten. Heute sind wir bei über 2,1 Millionen. Nicht Stadträten, sondern Euro!

Rein von der Kalkulation her stand der Bau von Beginn an unter keinem guten Stern. Beispiel: Noch unter promovierter Leitung des Bauamtes wurde die einsetzende Schnappatmung am Ratstisch bei der abwasserseitigen Erschließung mit einer Schätzung in Höhe von rund 25.000 Euro besänftigt.

Nach dem Handheben entpuppte sich die vermeintliche Valiumtablette bald schon als fast zehnmal so teures Lachgas.

Plan übererfüllt

Am Schluss nun wurde der Finanzplan also mit satten 100 Prozent übererfüllt. Damit das nicht auffällt, wurde bereits vorab der strategische Begriff von der „Punktlandung“ entbunden.

Da kann man vor seinem geistigen Auge auch schon mal einen Papierflieger sehen, der sich im Landeanflug auf einen Airport mit der Fläche von ganz Europa befindet.

Das schreit geradezu nach dem nächsten Ausschuss auf Akteneinsicht. Da viele der Ausschussmitglieder vom Schulanbau jetzt jedoch selbst in der Vergabe-Jury der Kita sitzen, müssen sich da wohl neue Engagierte finden.

Suche nach Fachkräften

So langsam werden die Personalressourcen für AA’s knapp, bei nur 22 Stadträten und einem sich selbst für befangen erklärenden Bürgermeister. Ein kleines Bauvorhaben vielleicht noch (Klo am Kulki?), aber dann ist Schluss mit Akteneinsicht und demzufolge auch mit neuen Bauvorhaben.

Vielleicht sollten wir bei der nächsten Stadtratswahl rein vorsorglich gleich einen ständigen Akteneinsichtsausschuss extra dazu wählen? Das würde neue Vollzeit-Arbeitsplätze schaffen, etwaige Interessenskonflikte vermeiden helfen und personelle Planungssicherheit für die Realisierung künftiger Bauvorhaben gewährleisten.

Rechenoperationen

Wie aber kommt nun der satirische Geist eigentlich auf solche Rechenexempel?

Nun, zunächst bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich auf die gleichen Informationen zu stützen, die auch dem gemeinen Bürger [lat.: homo markransis] zugänglich sind. Hat er sich diese verschafft, nutzt er das wissenschaftlich vielleicht nicht immer ganz unumstrittene Mittel des Vergleichs. Und dessen Ergebnisse sind frappierend.

Wie in der Polytechnischen Oberschule zur Lösung von Textaufgaben gelernt, entnehmen wir den Prosa-Ausführungen zunächst die Fakten und ordnen diese. Daraus ergibt sich folgende Aufstellung:

Kita am Bad (eingeschossig)
Kosten: 2,1 Millionen Euro (bisher)
Kapazität: 82 Kinder
Nutzfläche: ca. 600 Quadratmeter

Grundschulanbau (mehrgeschossig):
Kosten: 1,3 Millionen Euro
Kapazität: 112 Kinder
Nutzfläche: 420 Quadratmeter

Nun heißt es nur noch, die richtigen Rechenoperationen auszuführen. Geld durch Kinder ergibt Kosten pro Kind, Kosten durch Quadratmeter ergibt Geld pro Flächeneinheit.

Im konkreten Fall heißt das also, dass sich die Kosten des Schulanbaus auf rund 11.600 Euro pro Kind belaufen und bei der Kita auf über 25.600 Euro. Oder freundlicher ausgedrückt: Ein Quadratmeter Nutzfläche in der Grundschule kostete 3.095 Euro, während er sich bei der Kita auf 3.500 Euro beläuft. Und das, obwohl im Baukosten-Index davon ausgegangen wird, dass ein Quadratmeter Kita in Deutschland etwa ein Drittel weniger kostet als ein Quadratmeter Schule.

Die Sache mit dem Antwortsatz

Also … da jetzt bei der Grundschule unbedingt Begriffe wie Mehrkosten oder gar zu teuer zu bemühen, kommt irgendwie doch recht zwangskonstruiert rüber. Selbst dann, wenn man noch die Abfindung zuzüglich ein paar Monatsgehälter für erübrigtes Leitungspersonal in Höhe von rund 100.000 Euro draufrechnen würde.

Die 30.000 Euro für die Ersatzpflanzungen wegen gefällter Bäume am Kita-Standort sind dort schließlich auch nicht in den Gesamtkosten enthalten. Höhere Mathematik gleicht sich immer irgendwie aus.

Beim Schulanbau waren 16 hiesige Unternehmen involviert, beim Bau der Kita dem Vernehmen nach gar keins. Auch dieser Baggerfahrer aus Markranstädt kam nicht über einen kurzen Probeeinsatz hinaus.

Dass beim Anbau der Grundschule 16 ansässige Unternehmen involviert waren und bei der Kita dem Vernehmen nach nicht ein einziges, lässt sich in Zahlen zum Glück nicht ausdrücken.

Leben und leben lassen

Das sind eher emotionale Werte, die vor allem die örtlichen Vereine in Form der vier Buchstaben NEIN in ihre Bücher kritzeln können, wenn sie vor Ort wieder mal wegen Spenden oder Sponsorengeldern vorgesprochen haben.

Aber lassen wir den Vorhang der Barmherzigkeit vor dem Ausgang des Szenarios hernieder fallen und freuen uns mit den Kindern. Die haben jetzt auf einem Areal von gefühlt nur rund einem Viertel Quadratkilometer gleich vier Tagesstätten zur Auswahl. Wenn das keine Punktlandung ist…

 

2 Kommentare

    • Manfred Schwung auf 24. Januar 2018 bei 22:44
    • Antworten

    Eine KITA der Superlativen, der Höhepunkte und der Huldigungen

    Getragen von sehr zutreffender Satire habe ich den Beitrag dankend aufmerksam gelesen und festgestellt, dass es nach meiner Auffassung in diesem Objekt viele Superlative, viel Exklusivität, viele Höhepunkte vorhanden sind!

    Was muss zu den Superlativen alles gezählt werden? Die liebevolle Ausstattung, die zweckmäßige Architektur, die helle, freundliche Farbgestaltung, die Außenanlagen mitten im Wald in der Nähe des Stadtbades und die über sieben Quadratmeter Grundfläche/Kind sind neben der kompetenten Betreuungsmannschaft Superlativ in dieser Einrichtung!

    Höhepunkte der KITA-Entwicklung sind aber auch die exorbitante Vorbereitung über vier Jahre, d.h. mit 1.521 Tagen bis zur Einweihung und die Schaffung von 22 Beschlussvorlagen mit starken 138 Seiten Darstellung/Verwaltungserläuterung/Begründung/Kostenaufstellung! Hier hat unser Bürgermeister von Beginn seines Amtsantritts, mehr schlecht als recht versucht an diesem Objekt mit zu werkeln und ohne Überzeugung und Empathie etwas „mit zu schaffen“. Über diese lange Zeit sind dann auch gut 725.000 € Mehrkosten entstanden, die heute weder dem Bürgermeister „erinnerlich“ sind, aber auch manche Stadträte diese nicht mehr im Kopf haben! Denn am 18.09.14 zur 1. Sonder-Sitzung des Stadtrates wurden im Vergleich zu den heutigen Kosten von 2.1. Mio. Euro, damals als KITA-Gesamtkosten nur 1.375.000 Euro beschlossen! Das wäre ein normaler Kostenwert, wie in anderen Kommunen auch in Leipzig, eine KITA errichtet wird! Aber die „Markranstädter Verhältnisse kommen zu ganz anderen Ergebnissen! So war nun zur Eröffnung der KITA als Höhepunkt der Glaubwürdigkeit und im Rahmen der Huldigung, vom Bürgermeister „ die falsche und unglaubliche Aussage, Zitat: „ES HANDELT SICH HIER UM EINE PREISWERTE UND VON EINER IM KOSTENRAHMEN ERRICHTETE KITA!“, zu hören!

    Und diese Mehrkosten sind noch lange nicht der Endstand, denn es fehlt bis heute die Schlussrechnung der KITA und Leistungen sowie auch heute schon bekannte Kosten sind noch nicht alle berücksichtigt und bekannt gemacht!

    • jabadu auf 19. Januar 2018 bei 22:28
    • Antworten

    Wenn in einem Raum 3 Personen sind und fünf rausgehen, müssen zwei wieder reingehen, damit die Anzahl der Personen im Raum = 0 ist. Irre was? Genauso irre wie die Kosten-Jonglage im kommunalen Baugeschehen. Wer soll das verstehen?
    Da müssen wohl manche hoffen, dass sie nicht wegen der „Kita am Stadtbad“, Am Stadtbad 31, baden gehen. Das Stadtbad ist ja gleich gegenüber, Am Stadtbad 30. Und weit ist es bis zum Baden ja nicht. Erste Haltestelle Richtung Großlehna, „Am Stadtbad“.

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