Dunkle Rauchschwaden vor Odins Auge

Uwe Tellkamp wurde von den linientreuen Qualitätsmedien zu einer Art AfD-Pressesprecher umhofiert und bei der Buchmesse im Markranstädter Vorort Leipzig gings gefühlt nur noch darum, ob Autoren dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen sind oder nicht. Wenn man vermeintlich Abtrünnigen von der political correctness selber nichts nachweisen kann, bedient man sich neuerdings sogar deren Romanhelden. Die Folge: Über den Messehallen wabert der dunkle Rauch schon vor dem Druck verbrannter Gedanken. Das macht Angst!

Die Stimmung auf der Buchmesse in der verträumten Markranstädter Ortschaft Leipzig ist gereizt. Einige der Autoren und Verlage sind doch tatsächlich mit dem Ziel angereist, hier ihre Bücher zu präsentieren.

Dabei geht es längst nicht mehr um die literarische Qualität der Werke, sondern nur noch darum, ob deren Autoren und Verlage politisch ins rechte Spektrum verortet werden können oder nicht.

Wer von Uwe Tellkamp bis dahin noch nichts gehört hatte, kennt seinen Namen spätestens seit dem letzten Dresdener Gespräch.

Der „Turm“-Autor mit der wohl eindrucksvollsten Bildsprache aller aktuellen deutschen Schriftsteller ist aber längst nicht das einzige Opfer einer kulturellen Hetzjagd, die sich nur 85 Jahre nach der letzten Bereinigung deutscher Bibliotheken wieder über unserem Land zu entfalten scheint.

So hat es jetzt beispielsweise auch Monika Maron erwischt. Die Trägerin des National- und des Kleist-Preises hat mit ihrem Roman „Munin oder Chaos im Kopf“ ein zunächst viel beachtetes und außerordentlich gut rezensiertes Werk auf den Markt gebracht.

Der Name der Rose

Unter den aufziehenden Rauchschwaden bereits ebenso entzündeter wie vermeintlich -arteter Kunst sollte der Roman aber plötzlich seinen Glanz verlieren.

Mina Wolf, die Hauptfigur in Marons Roman, ist Journalistin. Für die Festschrift einer kleinen Stadt soll sie was über den Dreißigjährigen Krieg schreiben. Gar nicht so einfach, wenn nebenan auf dem Balkon eine verrückte Nachbarin ohne Unterlass singt. Nicht gut freilich, dafür aber laut.

Mina Wolf bleibt nichts anderes übrig, als ihre kreativen Phasen in die Nachtstunden zu verlagern. In der Stille der Dunkelheit beginnen sich die täglichen Eindrücke des Wahnsinns auf der Straße mit den aktuellen Nachrichten über Krieg und Terror auf der Welt und den Geschehnissen des Dreißigjährigen Krieges miteinander zu vermischen.

Was fast wie ein Plagiat der Gründungsgeschichte der Markranstädter Nachtschichten klingt, scheint’s also öfter zu geben.

Odins Auge

Eines Abends landet eine Krähe vor Wolfs Fenster. Die Journalistin nennt sie Munin und verarbeitet mit ihr, wie einst Odin,  das Chaos im Kopf. Was sich daraus entwickelt, dürfte zur besten literarischen Gesellschaftskritik seit Timur Vermes‘ „Er ist wieder da“ zählen.

Dürfte. Wenn da nicht ein ganzes Heer selbsternannter Literaturpäpste sowohl den real existierenden als auch den vermeintlichen Rechtspopulismus als brauchbares Werkzeug entdeckt hätten, um sich mal wieder ins Gespräch zu bringen.

Allein die Tatsache, dass sich viele Leser des Buches mit Mina Wolf, ihren Gedanken und auch mit ihrer Hilflosigkeit gegenüber diesen Eindrücken identifizieren können, reicht den Kritikern, um der Autorin Populismus vorzuwerfen.

„Die Themen der Angstbürger stehen im Blickpunkt von Monika Marons neuem Roman ‚Munin oder Chaos im Kopf‘. Der taugt allenfalls als Provokation: Bloße Bestandsaufnahme statt Tiefenanalyse“, disqualifiziert beispielsweise der Nordkurier das Werk.

Heißt also, dass eine Buchautorin nicht nur Bücher schreiben darf, sondern auch tiefenanalytische Lösungen liefern muss. Klar, irgendwer muss das ja machen, wenn schon die eigene Bundesregierung seit fast fünf Jahren nicht dazu in der Lage ist.

Da bietet sich eine Autorin, die sich zudem mit einem wie Tellkamp solidarisiert und dessen Verlag Verrat an seinem Autoren vorwirft, gerade zu an.

Die Front der gewetzten Stifte

Die Neue Osnabrücker Zeitung haut noch tiefer in die Kerbe: „Allerdings ist ihre Bestandsaufnahme unsachlich und irrational“, charakterisiert das Qualitätsmedium Marons Wiedergabe jener Themen, die viele Bürger dieses Landes bewegen.

Dass das Blatt damit vor allem diesen Bürgern Unsachlichkeit und Irrationalität unterstellt, statt sich deren Ängsten anzunehmen und diese ausräumen zu helfen, passt in die Arroganz, mit der solche Urteile in realitätsfernen Parallelredaktionen gefällt werden.

Die Berliner Zeitung meint gar: „Diese Empörung zieht die Wirkung des Romans runter zu einem politischen Pamphlet.“ und schließt sich dem konzertierten Kampf wider dem neudeutschen Ungeist an.

Kritik mit dem Fallbeil

Auch über Uwe Tellkamp wird in diesem Unton geurteilt. Freilich viel brachialer, weil da ja schon genügend andere draufgehauen haben, man im Kampf um Leserzahlen nicht der Letzte sein will und es sich außerdem als schicklich erwiesen hat, sich bei solchen Massenprügeleien mutig auf die Seite der selbst konstruierten Mehrheit zu schlagen.

„Der Schoß ist fruchtbar noch“ (Die Zeit) oder „Bunkermentalität“ (Deutschlandfunk), heißt es da. Und selbst wenn sich ein Medium dafür einsetzt, sich eine andere Meinung wenigstens mal anzuhören, ist ein gewisser Zynismus (Süddeutsche: „Ertragt die Clowns“) nicht zu überlesen.

Zehn Jahre nach seinem Erscheinen und ganze sechs nach der Verfilmung sollen sich einige Hüter des deutschen Reinheitsgebots der Kultur dem Vernehmen nach nicht mal mehr zu blöd sein, Tellkamps Bestseller „Der Turm“ im Nachhinein auf damals schon vorhandene Indizien rechtspopulistischen Gedankenguts zu untersuchen.

Ja, man darf das sicher auch so sehen: Der Suhrkamp-Verlag hat seinen Autoren Uwe Tellkamp in einem Akt vorauseilenden Gehorsams verraten und im Stich gelassen. Ohne Not, ohne eigens dazu aufgefordert werden zu müssen.

Ein klares Signal an alle anderen Schriftsteller: Schreibt, was ins gewünschte Gesellschaftsbild passt, aber fangt ja nicht an, anders zu denken oder gar darüber zu sprechen!

Die gewünschte Selbstreinigung der deutschen Literatur unserer Tage scheint zu funktionieren. Uwe Tellkamp hat angekündigt, erst einmal nicht öffentlich als Autor aufzutreten. Wieder einer mundtot gemacht.

Der Suhrkamp-Verlag ist Dank seines schnellen Abschwurs noch vor Einberufung des kulturellen Inquisitionsgerichts einer Verurteilung als gesellschaftlicher Ketzer entgangen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass Suhrkamp praktisch im Gegenzug gleich zwei der drei Träger des diesjährigen Preises der Leipziger Buchmesse stellt.

Da wirkt die Begründung der Jury zur Verleihung des Preises für Belletristik (das geadelte Werk erschien bei Suhrkamp!!!) fast schon wie Selbst-Satire in Reinform und lässt damit einen Blick auf das befürchten, was der deutsche Leser künftig von Literatur erwarten darf.

„Was für ein stilles, kaum bewegtes, menschenarmes Buch. Seine Farben mangels ausreichender Sättigung vorwiegend im Graubereich. Und seine Ich-Erzählerin eine bloße Hülle, die sich am liebsten davonstehlen würde.“, heißt es da über das mit dem Buchpreis dekorierte Werk.

Orwell irrte: 2018

Was das für die Zukunft der Literatur in diesem Land bedeutet, wird nicht nur im Osten der Republik befürchtet. Literarischer Musikantenstadel mit Alpenpanorama und viel Weichzeichner. Heinrich Mann, Carl von Ossietzky oder Kurt Tucholsky wüssten wohl eine Antwort.

Sowohl sie selbst als auch ihre Werke sind einst einer Streitkultur zum Opfer gefallen, die allein im Monolog den Dialog unter Andersdenkenden sah, weil die meinungsführende Gesellschaft andere Meinungen nicht aushalten wollte.

Alles nur Satire!

Lieber Leserinnen und Leser der Markranstädter Nachtschichten: Wie Sie wissen, handelt es sich hier um ein Satire-Organ. Nichts davon ist wahr, alles frei erfunden und die pure Angstmache!

Nein, wir brauchen wirklich keine Angst zu haben. Die wäre unsachlich und irrational. Dass in Deutschland wie auch in Markranstädt dereinst Haufen brennen und man Rufe hört wie: „Ich übergebe der Flamme die Schriften von Uwe Tellkamp und Monika Maron.“ ist allein deshalb ausgeschlossen, weil wir ja aus der Geschichte gelernt haben und mit Meinungsvielfalt umgehen können.

Und solange es Verlage wie Suhrkamp gibt, ist auch nachhaltig dafür Sorge getragen, dass dahingehend gefährdete Schriften künftig gar nicht erst entstehen werden.

Blicken wir also voller Optimismus und Mut auf die gegenwärtige Streitkultur in diesem unserem Lande und lassen wir die gesellschaftsfähigen Reste des literarischen Establishments sich unter den Dächern der Messehallen selbst feiern.

Wir, die Angstbürger, können uns derweil ausdrücklich mit Autoren wie Monika Maron, Uwe Tellkamp oder Jörg Bernig  solidarisch erklären, weil nur durch Haltungen wie ihre die Vielfalt gewahrt und ein Meinungsaustausch mit dem Ergebnis einer unabhängigen Meinungsbildung möglich ist.

Das hat insofern nichts mit Mut zu tun, als hinter uns kein Verlag steht, nach dem wir uns in Erwartung eines ferngesteuerten Messerstichs ständig umdrehen müssen. Es reicht zu erkennen, was sich direkt vor unseren Augen abspielt.

 

7 Kommentare

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  1. Liebe Redaktion, ja, ich auch.

    Darf man Hydranten eigentlich anmalen?
    Ich bin dafür!
    Schnauze voll immer gegen etwas zu sein.
    Ich bin dafür!
    Egal worum es geht in Eurem Artikel. Ich bin dafür!
    Pi aufrunden auf 3,2 – ich bin dafür! Ihr sprecht mir aus der Seele! Danke!
    Bernd

    1. Bei Ihnen haben sie’s offenbar schon geschafft. Selbstzensur eines potenziellen Gedankenverbrechers … siehe 1984.

    • Ute Weigand-Münzel auf 19. März 2018 bei 11:35
    • Antworten

    Der Artikel ist mir aus dem Herzen geschrieben. Ich habe den hervorragenden Roman von Monika Maron gelesen und konnte keinerlei Rechtspopulismus erkennen. Er ist einfach nur toll. Es ist schrecklich, was mit der angeblichen Meinungsfreiheit hierhier passiert.
    Man macht es sich verdammt leicht, Leute mundtot zu machen.
    Weg in die Gesinnungsdiktatur?

    1. Es sieht traurigerweise so aus!

    2. Das Problem liegt wahrscheinlich genau da, wo es die Neue Züricher Zeitung auch gefunden hat. Der einfache Bürger lässt sein Gefühl sprechen, kann sich aber nicht immer der geschliffenen Rhetorikder der Linientreuen bedienen. Die finden dann in irgendeiner nicht ganz korrekten Formulierung ihren Aufhänger und stellen ihren Gegenüber damit verbal an die Wand.

      Insofern ist der Begriff „Meinungsfreiheit“ für diese Situation falsch, denn Meinungsfreiheit ist zweifelsfrei vorhanden. Was definitiv nicht existiert, ist ein von Anstand und Respekt geprägter Umgang mit anderen Meinungen oder wenigstens der Wille dazu. Nicht einmal richtig zuhören will man. Auf keiner der beiden Seiten. Es wird nur noch spitzfindig auf nicht ganz korrekte und möglichst interpretierbare Formulierungen eingegangen und wenn das nicht klappt, sucht man im Lebenslauf des Meinungsäußernden einen Schwachpunkt, um ihn auszuhebeln. Oft werden dabei sogar die Familien in Mitleidenschaft gezogen. Auch bei Uwe Tellkamp werden Frau und Kinder unter den finanziellen Einbußen (und Vertragsstrafen?) leiden, weil er infolge seiner kulturellen Ausbürgerung keine Lesungen mehr abhalten kann. Diese Strategie ist alt, hat sich aber bewährt ( „Ihr Bruder ist uns leider entwischt – Sie aber werden uns nicht entwischen.“)

  2. Ein sehr zutreffender Artikel! Es fehlt nur der noch der Hinweis auf den „Auftritt“ der Linksautonomen auf der Leipziger Buchmesse, um das Bild abzurunden. Derzeit herrschen traurige Zustände für eine offene Diskussion. DDR 2.0 lässt grüßen!

      • Beobachter auf 5. April 2018 bei 11:35
      • Antworten

      Apropos DDR, besuch doch mal die Seite der ehemaligen DDR Bürgerechtlerin, Vera Lengsfeld, vielleicht inspiriert das.

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