Besser ein auses Hirn drin als einen aben Arm dran

Der Turm zu Babel war eines der sieben Weltwunder der Antike. Er sollte so hoch werden, dass die Menschen Gott persönlich die Hand schütteln konnten. Der jedoch bestrafte so viel Hochmut und nahm dem Volk die Sprache weg. Seitdem babeln die dort nur noch wirres Zeug. Allerdings wird auch in Markranstädt zunehmend hörbar gebabelt. Eine verspätete Gottesstrafe für die Höhe unseres Wasserturms? Mitnichten!

Ich bin im Nova Eventis. Im Eingang eines Herrenausstatters kommt mir ein älteres Ehepaar entgegen. Offenbar ist die Frau von der neuen Jacke ihres Mannes noch weniger begeistert als von deren abgewetzten Vorgängermodell.

Der eloquenten Dame gelingt es nicht nur, beide Informationen (Meinung über die alte wie auch die neue Jacke) in einem Satz zu vereinen, sondern diese auch noch in einem landestypischen Dialekt zum Ausdruck zu bringen. So schnappe ich im Vorbeigehen ihr vernichtendes Urteil auf: „Also weeste, in där Schagge siehste noch viel scheißer aus!“

Es dauert ein paar Minuten, bis ich mich wieder eingekriegt habe. Aber danach sind meine Sinne geschärft für die Veränderungen, die unsere gendergerecht zur Elternsprache umgetaufte Muttersprache zur Zeit vollzieht.

Zu Hause angekommen, öffne ich das Fenster. Meine Nachbarin tut das auch. So werde ich Zeuge einer Konversation, die nahtlos an den Dialog im Einkaufstempel anknüpft. Ich höre den Mann argumentieren, dass auf diese Weise kein Durchzug entstehen könne, weil die Tür noch geschlossen sei. Im Klartext meint er: „Hilde, durch die zue Türe kanns doch gar nicht ziehen!“

Auf das Gegenargument seiner Frau, wonach ein aufes Fenster völlig reichen würde, will er sich allerdings nicht einlassen. Irgendwie erinnert mich diese Ausdrucksweise an ein Gespräch zweier Teenager auf dem alten Friedhof vor ein paar Tagen. Ich hatte es zunächst dem Alkoholkonsum der beiden Kids zugeschrieben. Immerhin war es schon 10 Uhr morgens und es lagen allerhand leere Flaschen rum.

Jedenfalls geht es um den Onkel eines der Jungen und noch jedenfallser hat der im Krieg wohl einen Arm verloren. Deshalb treibt die Neugier seinen Kumpel zu der Frage: „Wieso hattn dein Onkel eigentlich ’nen aben Arm dran?“ Da ich den Kriegsversehrten kenne, interessiert mich die Antwort herzlich wenig und ich kann mich ganz meiner Heiterkeit widmen.

Wenig später stehe ich in der Schlange an einer Poststelle in Grünau. Die Chefin dort weist gerade einen Praktikanten ein und teilt ihm mit, dass Menschen mitunter vergessen, Briefe zu frankieren. Solche Sendungen müssten in ein gesondertes Fach gelegt werden. „Die unfrankierten Briefe kommen in das Fach hier und die mit draufer Briefmarke dahin.“

Als ich kurz darauf  wieder auf der Straße stehe, fällt mir auf, dass viele der so sprechenden Menschen mit einem draufen Tattoo auf der Haut rumlaufen. Sollte das die Ursache sein? Und wie wird dabei die Inklusion gewährleistet? Gibt es für solche Vergewaltigungen unserer Kommunikation eigentlich schon Übersetzungen in die Gebärdensprache?  Und wenn ja, wie ahmt man einen kotzenden Gesichtsausdruck nach?

Die Wirkung der Vorbilder

Während ich noch darüber nachdenke, werde ich Zeuge eines Vorgangs mit traditionell satirischem Potenzial. Eine Frau versucht, ihr Auto einzuparken. Rückwärts! Ein Mann – es kann ihrer sein oder eine fremde barmherzige Seele – steht vor dem Fahrzeug und weist sie ein.

Deutschkurs für Migranten: „Ich weiß, damit Deutsch schwerer ist wie Arabisch. Aber ich bringe dich das bei. Jetzt guck mal in dein aufes Buch, Achmet. Linke Seite. Nein, noch linkser … hier!“

Mit dem rechten Arm beschreibt er imaginäre Kreise in der Luft und ruft: „Reheeechts! Rum, rum, rum … noch’n Stück rumer!“ Sie hats begriffen. Am Ende des Dramas lenkt sie sogar am rumsten und alle umherstehenden Autos haben noch einen dranen Rückspiegel.

Zu Hause angekommen, will ich mich von diesem Kulturschock erholen und schalte den Fernseher ein. Meine Lieblingssendung kommt: Bares für Rares. Und jetzt wird mir auch klar, welchem Quell das neudeutsche Gebabel entspringt. Horst Lichter ist sozusagen das Fleisch gewordene sprachliche Vorbild des grammatischen Kauderwelschs zwischen Elbe und Rhein.

„Und diese Kette ist noch älter wie die Brosche?“, fragt der Fernsehkoch mit Trödelkompetenz ungläubig. Das Staunen greift auch auf den Zuschauer über, allerdings nicht wegen des Altersunterschiedes der beiden Exponate, sondern weil solche Formulierungen bei Lichter keine linguistischen Ausrutscher sind. Es handelt sich vielmehr um einen festen Bestandteil seines sprachlichen Kulturgutes, das er uns mit geradezu stoischer Konstanz vermittelt.

Dachte ich bisher, dass man nur drüben in Sachsen-Anhalt zu solchen Aussagen fähig ist, belehrt mich Horst „Alswie“ Lichter nun also regelmäßig, dass man sich auch viel drübener noch schlimmer auszudrücken versteht wie hier.

Ich schalte daraufhin den Fernseher aus. Nicht sofort, sondern sogar noch soforter. Also so sofort wie möglich. Am sofortesten, könnte man sagen. Ruhe, endlich! Aber nicht lange. Von draußen dringen die Stimmen zweier diskutierender Teenagerinnen ins Wohnzimmer.

Offenbar hat eine der beiden jungen Damen die Nase von ihrem Verehrer voll und weiß nicht, wie sie es ihm beibringen soll. Ihre Freundin bietet sich an: „Na dann sage ich ihm eben, damit du nichts mehr mit ihm zu tun haben willst.“

Draufe Briefmarken, zue Tür, aufes Fenster – meine Gedanken beginnen so schnell zu rotieren, damit ich gar nicht mehr denken kann. In diesem Moment wird mir die Ursache des Dramas offenbar. Ja, es liegt einzig am Denken. Einfach Gehirn abschalten und akzeptieren, was man nicht ändern kann. Besser ein auses Hirn drin als einen aben Arm dran. Da kann man wenigstens mitreden.

 

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