Der sich die Sache von oben betrachtet

Dieser Schnappschuss könnte das Zeug zum Pressefoto des Jahres haben, Mit 1,75 m über NN zählt Bürgermeister Jens Spiske nicht gerade zu den Menschen, die vom Herrn in Sachen Wuchs benachteiligt wurden. Immerhin würde sein Torso selbst dann noch aus der Gärnitzer Vernässungsfläche ragen, wenn die Pumpen dort längst auf Hochtouren laufen müssen. Aber neben dem neuen Schulleiter des Markranstädter Gymnasiums (links) wird sogar die Erscheinung seines Vorgängers Thomas Schönfeldt (rechts) zur biologischen Marginalie. René Schulz ist 2,13 m hoch! Und auch sonst ist er ein bemerkenswerter Mann.

Napoleon hatte ein Gardemaß von 1,68 m, Charlie Chaplin brachte es auf nur 1,65 m und Pablo Picasso maß gar lediglich 1,63 m. Nicht jedem ist es gegeben, damit locker umzugehen. Frankreichs Ex-Präsident Nikolas Sarkozy hat ob seiner Bonsai-Statur sogar die Einstellungskriterien für seine Leibgarde geändert. Nur wer kleiner war als 1,65 m wurde genommen. Damit ihn bloß niemand überragt.

Als am Montag die Zeremonienmeister im KuK Aufstellung nahmen, um den neuen Schulleiter des Markranstädter Gymnasiums zu inthronisieren, war eine Frage bereits beantwortet, bevor sie überhaupt gestellt werden konnte. Ob der Neue jemand ist, zu dem man aufschauen kann?

Ähm … jo! Bei René Schulz muss man den Zollstock sogar zweimal ansetzen. Ganze 37 Zentimeter fehlen noch bis zur genormten deutschen Zimmerdecke.

Zweidreizehn – vierundfünfzig

Aber der sympathische Niederlausitzer kann ganz locker damit umgehen. Fragt man ihn nach seiner Höhe, antwortet er schon mal: „Zweidreizehn – vierundfünfzig.“

Mit der zweiten Zahl erspart er dem Neugierigen gleich die Frage nach der Schuhgröße. Ja, auch die ist beeindruckend. Kriegt er aber in den Regalen normaler Schuhgeschäfte, meint er. „Man muss nur eine Weile suchen, aber es geht.“

Schulz hat sich ganz bewusst für Markranstädt entschieden und sich für den Chefposten am Gymnasium beworben. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, was er dafür zurückgelassen hat.

Der 34-Jährige verdiente bisher seine Brötchen dort, wo man gewöhnlich Lerchen-Eier mit Beluga-Kaviar zu den Frühstückssemmeln genießt. Das Internatsgymnasium Schloss Torgelow am Rande des Nationalparks Müritz ist eine private Edelschule für Elitekinder aus gut betuchtem Hause.

Dort fehlt es an nichts! Das Credo im herrschaftlichen Gemäuer lautet: Mehr Abitur statt Abi. Maximal 12 Kinder pro Klasse, individuelle Förderung, High-Tech-Schulräume und die selbst gelobte Reputation der familiengeführten Einrichtung als „eine der besten Internatsschulen in ganz Deutschland“, um nur einige Merkmale zu nennen.

Die Feuerzangenbowle

Vorne nur Wasser, links und rechts Wald, hinten Sand – in der Mitte dieses Stilllebens René Schulz mit einem Schloss und jeder Menge Pennäler in Lackschuhen oder weißen Kniestrümpfen.

Was sich wie eine Szene aus der Feuerzangenbowle liest, war dem Pädagogen dann auf Dauer wohl doch zu langweilig. Schließlich ist er groß genug, um selber was gestalten zu können. Da kam die Ausschreibung des gymnasialen Chefpostens in Markranstädt gerade richtig.

Nabelschau und Schulterschluss

Wenn man die beeindruckende Statur des Pädagogen vom Fuße bis zum Gipfel jenseits der Schneegrenze in Augenschein nimmt, können sich beim Gedanken an das Auswahlverfahren schon mal seltsame Bilder entwickeln.

Vielleicht ist auch Jens Spiske beim einen oder anderen Blick „frei gradeaus“ in Richtung Schulz das Gleichnis einer Nabelschau gewahr geworden?

Dem Vernehmen nach wollten sich einige Entscheider im Auswahlgremium angesichts des jugendlichen Alters von nur 34 Jahren jedenfalls nicht so recht für Schulz erwärmen.

St. Julian: Das Nagelsmann-Gleichnis

Unter anderem eine zündende Rede der Ersten Beigeordneten Beate Lehmann hat dann wohl die Ohren der Skeptiker durchgespült. Sie nahm sich eine Anleihe beim Pfarrer und überzeugte das Gremium mit einem Gleichnis.

Dessen Protagonist war Julian Nagelsmann, dem man im Alter von 28 Jahren einen Bundesligisten anvertraute. Zu Recht, wie sich hinterher zeigte. Ob es die Zuversicht war, dass Nagelsmann im kommenden Jahr RB Leipzig übernimmt oder die Angst davor, dass ein siecher Greis aus der Ära eines Jupp Heynckes Leiter des örtlichen Gymnasiums wird, sei dahingestellt. Die Wahl fiel jedenfalls auf Schulz und damit auf den jüngsten der fünf Bewerber in der Endrunde.

Auch Jens Spiske zeigte sich glücklich über den Ausgang des Auswahlverfahrens. Und er kann mit dem Höhenunterschied zwischen ihm und dem neuen Schulleiter ebenso souverän umgehen wie mit dessen Humor. So bescheinigte er Schulz, dass es mit dessen Schuhgröße „wahrscheinlich schwierig sein wird, in die Fußstapfen ihres Vorgängers zu treten.“

Die lustigste Unterhaltung wird bekanntlich immer durch Gegensätze generiert. Dick und Doof, Pat und Patachon, Herricht und Preil … Nicht zuletzt deshalb durfte am Montag im KuK auch geschmunzelt werden. Nicht über, sondern mit Groß und Klein. Die Protagonisten haben das sympathisch locker gesehen.

Bisher jedenfalls. Wenn’s allerdings mal hart auf hart kommen sollte und es darauf ankommt, dass Schulleiter und Bürgermeister zusammenstehen müssen, wird’s interessant. Allein die Vorstellung, wie die Pressefotografen das Motiv „Schulterschluss“ in Szene setzen, könnte im Kopfkino einen wahren Blockbuster auslösen. Einfacher darzustellen wäre wohl ein Motiv zur Schlagzeile „Schulz nimmt sich Spiske zur Brust“.

Aber wer weiß schon, was kommt? Schauen wir mal, wie sich Nagelsmann in Leipzig schlägt und was René Schulz ins neue Kapitel des Markranstädter Gymnasiums schreiben wird. Sie wissen schon, das Buch “Die Gerechtigkeit des Lehrers unter besonderer Berücksichtigung der höheren Lehranstalten …“

 

1 Kommentar

  1. Herzlichen Glückwunsch dem Neuen und dem Schreiber dieses SUPERbeitrages!
    Sind wir dann jetzt Leuchtturmstadt?(wie Jena) Kann das Gymnasium bald auf Leuchtturmförderung hoffen?
    Zumindest wüsste man aber schon mal, woher man Fernbrillen beziehen könnte, wenns mit dem Aufschauen u. dem Durchblick der Schüler vielleicht anfangs noch nicht so recht klappen sollte und sie das Fernziel Jena noch nicht erkennen.

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