WböR: Weihnachtsbaum mit Abblendlicht

Der Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz gibt immer mehr Rätsel auf. Erst präsentierte er sich mit Doppelspitze (die MN berichteten), dann mit einer wiedervereinigten Einheitskrone (es wird zusammengefesselt, was zusammen gehört) und als Krönung leuchtete nun das arme Teil zum 1. Advent in nur halbem Gewand. Mit unserem Weihnachtsbaum öffentlichen Rechts (WböR) ist es wie mit der Wahl von Fußballmannschaften auf einem Bolzplatz der 1970er Jahre: Spitze – Halbe – Ganze.

Nachdem im Laufe der zurückliegenden Woche aus der lokalen Tagesgazette zu erfahren war, dass man in Markranstädt sowieso nichts erfährt, wenn man etwas erfahren will, wollten wir gar nicht erst die Erfahrung machen, nichts zu erfahren und haben versucht, mit eigener Erfahrung Erfahrungen zu machen. Oder, anders gesagt, eben selbst auf des Pudels Kern zu stoßen.

Aus der intensiven Bemühung individueller Logik erschließen sich dem Beobachter demnach zwei grundsätzliche Möglichkeiten, die das Szenario eines halb angeputzten Baumes rechtfertigen. Da wäre einmal der ungünstige Wochentag, der für das Aufhängen von Kugeln und Lampen gewählt wurde. Es war der Freitag.

Freitag um eins…

Im öffentlichen Verwaltungsraum Deutschlands ist das längst kein Freitag mehr, sondern ein Frei Tag oder bestenfalls ein Freistundentag. Freitag um eins macht Jeder seins. Nun ja … wenn man sich vornimmt, den Baum an einem Tag zu schmücken, wird’s an einem halben Tag zwangsläufig auch nur ein halber Baum. Noch dazu, wenn man einen nicht unbeträchtlichen Teil dafür verwenden muss, aus zwei Spitzen einen einheitlichen Zopf zu flechten.

…und wenn das halbe Lichtlein brennt …

Die zweite Ursache könnte natürlich darin bestehen, dass die Stadt erst kürzlich so einen Energy-Award bekommen hat und jetzt noch sparsamer mit Strom umgehen will. Oder muss. Weihnachten, das ist die Erntezeit der Energiekonzerne. Nirgendwann und nirgendwo sonst auf der Welt (außer bei den Criswolds in den USA) werden in den Tagen vor Silvester Häuser, Gärten und ganze Landstriche so intensiv ausgeleuchtet, dass die heimische Vogelwelt verwirrt mit dem Nestbau beginnt. Da darf man als Energie-Stadt ruhig mal mit Vorbildwirkung vorangehen und es bei einer Kerze belassen.

Und während es aus den deutschen Wohnzimmerfenstern flimmert wie in den tschechischen Puffs an der E 55, schreiben die Verursacher dieser Supernova aggressive Drohbriefe an ihre Vermieter wegen zu hoher Nebenkosten. Wer sich da – wie die Stadt Markranstädt – einen sparsamen Umgang mit selbigen auferlegt hat, der hat dann auch ein Argument, wenn es um die Erklärung einer halben Erleuchtung geht.

 Der WböR: sparsam und klimafreundlich

Jedenfalls präsentiert sich unser Weihnachtsbaum öffentlichen Rechts (WböR) ziemlich depressiv. Zur Straße hin ist er geradezu lichtlos in Tarnfarben gehüllt und selbst vom Marktplatz aus zeigt er sich nur bis zum Nabel in Lichterglanz – der Unterleib verfließt auch hier im Dunkel der Biologie. Hat er vielleicht nicht nur zwei Spitzen, sondern auch zwei Lenden, die uns verborgen bleiben sollen?

Mini-Top mit freiem Rücken

Man kann sich mit vielen Dingen anfreunden. Manche Frauen werden, so will es die Legende, von Bier zu Bier schöner und Frauen wiederum beziehen ihr Wohlbefinden mitunter aus nur scheinbaren Dingen – wenn sie zum Beispiel verträumt den Oberschenkel ihres Mannes streicheln. Auch unser WböR ist trotz seiner Behinderungen irgendwie akzeptabel. Vor allem dann, wenn man sich vor dem Hintergrund der sich in erschreckendem Maße häufenden Diebstahldelikte in der Stadt und ihren Ortschaften vor Augen führt, dass da, wo keine Lampen brennen, auch keine geklaut werden können.

Das ist wichtig, wo doch neuerdings kein Tag vergeht, ohne dass in Lallendorf und seinen Ortschaften irgendwo eingebrochen wurde und von der Rüttelplatte bis zur Dachrinne nichts mehr sicher ist. Nur dem Umstand, dass Schwiegermütter grundsätzlich nicht zur Beute zählen, ist zu verdanken, dass die Delikte von frustrierten Menschen überhaupt noch angezeigt werden.

Eigentlich ist die Kriminalitätsentwicklung die einzig vernünftige Erklärung für den WböR. Sie vermittelt, warum auf der Straßenseite nichts leuchtet und selbst nach dem Marktplatz hin die Lampen außerhalb körperlicher Reichweite hängen. Man muss eben nur die Weihnachtslieder ein wenig umdichten. Aus einem Baum in strahlend buntem Kleid wird dann in Markranstädt halt ein Mini-Top mit freiem Rücken.

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Was’n Sternbild! Doch spätestens seit Galileo Galilei wissen wir, dass sich im Dunkel dahinter auch was verbirgt. Eine zweite Spitze vielleicht?

So ein Minikleid kann, je größer die Dame ist, auch schnell mal unter dem Nabel enden. Und hier sind wir bei der vierten möglichen Ursache: Der Baum ist zu groß für Markranstädt! Oder anders gesagt: Die Lichterkette war zu kurz.

Wie dem auch sei: Die Sache ist so auffällig und witzig, dass sie bereits am 1. Advent überregional die Runde gemacht hat und auch bei den Weihnachtsmärkten in Döhlen und Seebenisch zum Alleinunterhalter avancierte. Es ist nicht auszuschließen, dass in den kommenden Tagen eine Nachbesserung erfolgt. Der Weihnachtsmarkt am 6. Dezember auf dem Marktplatz unter der Fichte könnte sonst ganz schnell mal zu einer vorgezogenen Faschingsveranstaltung werden. Das Bauamt müsste dann noch schnell eine Bütt bauen … satirische Sterbehilfe sozusagen.

 

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