Die Kapelle rum-ta-ta, nur der Papst war auch nicht da…

Das Seebenischer OpenAir ist in der Tat erwachsen geworden. Pünktlich zur 18. Auflage gab es am Samstag eindrucksvolle Meriten von den Bands und auch vor der Bühne tummelte sich allerhand lokale und regionale Prominenz. Gäbe es eine Seebenischer BILD-Zeitung, wären deren Klatsch-Spalten heute voll wie ein Wassereimer nach dem Regenguss, der zu Beginn des Musikfestivals hernieder ging. BILD Seebenisch gibt’s aber nicht, und so mussten die Markranstädter Nachtschichten ausnahmsweise mal in der Boulevard-Suppe rühren.

Da die Queen zwei Tage vorher die Flucht aus Deutschland angetreten hatte, waren die OpenAir-Macher auf der Suche nach adäquatem Ersatz für die Eröffnung des Festivals. Da traf es sich gut, dass unten vor der Bühne gerade einer seine Kreise zog, der sogar als ranghöchster Offizier durchgehen könnte. Sekunden später stand der Bürgermeister auf der Bühne.

Etwas überrascht schien er schon zu sein. Zumindest ist er selten in so lockerem Outfit zu sehen. Maritimes Hemd, der Seemannspullover locker über die Schultern gelegt und unten am Hafen warten sehnsüchtig zwei junge Damen auf seine Rückkehr aus stürmischer See – das klassische Klischee vom friesischen Kutterkapitän. Da wollte man den Bierkrug fast schon gegen eine Tasse Tee tauschen.

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Die III. Mannschaft des SSV Markranstädt war fast in kompletter Spielstärke angetreten, um beim OpenAir den erfolgreichen Abschluss einer tollen Saison mit einem denkwürdigen Finale (alle vier Erstplatzierte der Stadtklasse sind punktgleich) zünftig zu feiern.

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Die Kicker waren nicht das einzige Kollektiv, das die Seebenischer Arena als Austragungsort für eine Brigadefeier auserwählt hatte. Auch die LAV delegierte eine Abteilung an die Alte Gärtnerei. Mit dabei war diesmal sogar Geschäftsführer Matthias Hoger. Er hatte sich bereits drei Wochen vorher in Leipzig bei Herbert Grönemeyer mit dem 2015er OpenAir-Virus infiziert und bekam bei Westernhagen in Seebenisch einen astreinen Rückfall. Als langjähriger Hauptsponsor wurde das LAV-Team natürlich ebenso herzlich begrüßt wie das vom Pflegedienst Engel und den anderen Sponsoren. Es war fast schon wie in einer Familie.

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Auch aus dem politischen und Verwaltungsleben wurden Gäste unter den rund 500 Zuschauern gesichtet. Stadtrat Dr. Donat wiegte sich samt Gattin zufrieden lächelnd im Takt der Musik und genoss, was die Bands da oben auf der Bühne boten. Die Chefin für Kultur und Vereine aus dem Rathaus verbrachte den Abend bei roter Fassbrause. Notgedrungen sozusagen. Der KFV hatte zwar ausreichend Hopfenprodukte für die männlichen Besucher geordert, aber mit dem regelrechten Ansturm auf Sekt war definitiv nicht zu rechnen. Schon nach zwei Stunden schwenkte man im Ausschank die weißen Sekt-Fahnen.

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Machte aber gar nichts, denn gleich an der Theke nebenan gabs ein reichhaltiges Spektrum schmackhafter Tropfen „made in seebenisch“ am Stand der Weinkelterei Schauß. Dort ging in den ebenso frühen wie kühlen Morgenstunden dann auch der Glühwein wie bei einer Apres-Party.

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Und dann waren da wieder die Gänsehaut-Momente, die es jedes Jahr beim OpenAir gibt. Da liegen sich plötzlich scheinbar wildfremde Menschen in den Armen, weil sie Sekunden vorher festgestellt haben, dass sie einst nebeneinander auf der Schulbank gesessen und sich seit 20 Jahren nicht mehr gesehen haben. Auch das ist OpenAir in Seebenisch: outgesourctes Klassentreffen mit Wiedererkennungseffekt.

Nomen est omen

Das „SEE“ im Namen Seebenisch ist irgendwie Programm. Da haben sie beim KFV schon vor 18 Jahren entschieden, das alljährliche Spektakel nicht auf dem nassen Sportplatz zu veranstalten und lieber auf die tiefergelegte Berggrube zu vertrauen, doch trotzdem spielt das Wasser immer wieder eine Rolle. Diesmal kam’s von oben.

Kaum hatten die Jungs von Mister Twist zu den Instrumenten gegriffen, stieg der Heiland vom Klo und hat natürlich ordentlich an der Kette gezerrt. Sekunden später war die Wiese fest in der Hand hunderter Schirmherren, die ihre Begleitung fest an sich zogen.

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Doch der Regenzauber währte nur 15 Minuten. Von da ab war das Wetter so, wie man es sich für ein Konzert unter freiem Himmel wünscht. Mister Twist brannte ein wahres „Sh-oo-bi-doo-wop“-Feuerwerk in bekannter Firebirds-Qualität ab. Allein mit dieser Band könnte man einen ganzen Abend füllen. Aber es standen ja noch zwei Gruppen backstage in der Warteschlange.

Wie Frauen eben so sind: Schön!

Während die Hauptbühne dann für die folgende Beauty-Brigade umgebaut wurde, rockten auf der gegenüberliegenden Bühne die jungen Frauen der KFV-Tanzgruppen. Ja, richtig gelesen: Aus den Tanzmädels sind inzwischen attraktive junge Frauen geworden.

Allerdings eben auch mit all den Problemen, die Frauen der Männerwelt oft so bereiten. Sagt man ihnen, dass es 21 Uhr losgeht, sind sie 21:10 Uhr noch beim Schminken. Die kleine Verspätung haben sie aber spätestens auf der Bühne wieder gut gemacht, was unter anderem die euphorisch geforderten Zugaben bewiesen.

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Die Beauty Brigade hatte vom erdigen Rock bis Pop alles im Repertoire, überzeugte aber vor allem im Genre des Folk-Rock restlos. Das Publikum tobte und es war wohl nur der Vorfreude auf die folgende Westernhagen-Band geschuldet, dass die Leipziger Schönheitsbrigadisten schon nach zwei Zugaben von der Bühne gelassen wurden.

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Bevor Halle-Luja die Seebenischer Bretter entern konnte, war auf der gegenüberliegenden Seite wieder Showtime durch den KFV angesagt. Und die hatte es in sich! Von wegen: Die können nur Karnevalstänze.

Aperitif aus dem Harem

Da gabs einen orientalischen Bauchtanz vom Feinsten, garniert mit männlichen Zutaten und exklusiven Requisiten. Die kleine Reise in den Harem war der richtige Aperitif für das große Finale, das nun folgte.

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Marius Müller-Westernhagen alias Christian Becker hangelte sich mit seiner Band Halle-Luja den Bühnenaufgang hinauf. Jetzt gabs wirklich kein Halten mehr. Das ganze Repertoire des jungen, wilden Marius stieg hoch in den Seebenischer Nachthimmel. Und damit man auch in Leipzig noch sehen konnte, wo die Klänge herkamen, wurde der ganze Act mit einer Bühnenshow garniert, wie sie die OpenAir-Arena an der alten Gärtnerei in ihren 18 Jahren noch nicht erlebt hat.  DSC_7592

Nicht nur, dass der wahre Marius neidisch auf seine eigene Stimme geworden wäre, auch die Tatsache, dass man nach seinen Hits eine Polonaise tanzen kann, erstaunte das Publikum.

Egal, ob Halle-Luja da oben gerade „Sexy“, „Rosi“ oder „Wieder hier“ intonierte: Jeder Hit wurde mitgesungen. Außer „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“. Das ging deshalb nicht, weil Cover-Marius dabei lauter Pfefferminzbonbons ins Publikum warf und dieses zumindest so viel Etikette bewies, dass man mit vollem Mund nicht singt.

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Der Rauschmeißer war dann in den frühen Morgenstunden, wie erwartet, der gute alte Johnny Walker. Es war aber mindestens ein Dreistöckiger, der da kredenzt wurde, denn dessen Genuss zog sich über 15 Minuten hin und endete mit einem weiteren Ritterschlag für das Seebenischer OpenAir.

Wieder ein Ritterschlag

Der Frontmann von Halle-Luja verabschiedete sich mit den Worten: „Seebenischer, an dieser Stelle lasst uns kurz die Zeit nehmen, um ein Dankeschön zu sagen. Ein Dankeschön und den allergrößten Respekt vor euerm Karnevalsverein, was die hier auf die Beine stellen, das war sowas von professionell. Wir haben schon die eine oder andere Bühne hier in der Bundesrepublik bespielt, aber sowas liebevoll Organisiertes, wie es eure Leute hier tun. Die Betreuung, die Bewirtung, fantastisch, also an alle Leute hinter den Kulissen: Daumen hoch, Riesen-Dankeschön Seebenisch!“ Wer’s live gehört hat, der weiß, dass das keine Höflickkeitsfloskel war, sondern ehrliche Anerkennung.

 

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