„Lallendorf-Paule“ schuld am Abgas-Skandal bei VW

Wolfsburg am gestrigen Dienstag. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft tritt vor die Presse und berichtet von der Strafanzeige gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Die Ermittlungen im Abgas-Skandal laufen derweil in alle Richtungen. Sogar der Hausmeister wird verdächtigt, die Software manipuliert zu haben. Er wird’s wohl am Ende auch gewesen sein müssen, denn den wahrhaft Schuldigen kann man nicht mehr zur Verantwortung ziehen. Es ist wahrscheinlich Markranstädts Ehrenbürger Paul von Hindenburg und der ist schon seit 81 Jahren tot.

Volkswagen ist immer gut für einen Skandal. Schon der Wortstamm verrät das, der später Pate für den gleichnamigen -gerichtshof, die -gemeinschaft oder schlussendlich auch den -sturm stand. Das gilt übrigens auch für den Produktionsstandort. Nach Hitlers Lieblings-Kuscheltier wurde nicht nur die sagenumwobene Wolfsschanze benannt, sondern auch die Stadt, in der eben jener Volkswagen seither gebaut wird.

Der erste VW-Skandal begann schon bei der Gründung des Unternehmens anno 1934. Das war nur ein Jahr, nachdem Schicklgrubers Steigbügelhalter Paul von Hindenburg, der mit dem Führer auch gerne mal zusammen im Auto durch das Reich fuhr, Ehrenbürger der Stadt Markranstädt wurde, der er übrigens noch heute ist.

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Schäferhund zu Hause aber Boxer unter der Haube, dafür nur einen Hoden aber vier Zylinder: Adolf Hitler bei der Grundsteinlegung des VW-Werkes.

Es war am 1. Mai 1933, als der greise, aber längst nicht so senil wie gern geredete Reichspräsident mit seinem politischen Ziehsohn im Fond eines Mercedes Cabriolet durch den Berliner Lustgarten fuhr (Titelfoto). Als der Markranstädter Ehrenbürger einen Blick in den Rückspiegel Erich Kempkas warf, um sich des jubelnden Volkes in seinem Rücken zu versichern, sah Hindenburg nichts als lauter Rauch. Auch Hitler selbst, der sich wenige Minuten später in Julius Schrecks Rückspiegel den Bart richten wollte, dachte für einen Moment, dass hinter ihm bereits ganz Moskau in Flammen stünde.

Nicht auszudenken, wenn da mal Mussolini oder … immerhin sollte das Reich ja tausend Jahre währen … Fidel Castro oder Barack Obama neben ihm sitzen und angesichts dieses ökologischen Frevels einen Pseudokrupp-Anfall bekommen würde. Ganz klar: Die Abgaswerte waren zu hoch. „Hörrr mössän wörrr äntschöödön handöln, wänn wörrr dö Änörrrgöwändö schaffön wollön!“, stauchte der Führer seine Ingenieure zusammen.

Leider war die Lösung damals noch nicht so einfach wie heute. Konrad Zuse forschte zu der Zeit zwar bereits am ersten frei programmierbaren Computer, mit dem man Abgaswerte „quantitativ modifizieren“ könnte, aber der sollte erst 1941 fertig werden und außerdem konnte man das Teil nie und nimmer in ein Auto einbauen.

Nicht mal in einen Panzer. Zuses Rechner war so groß, dass er bestenfalls in einen Wohnwagen passte, den wiederum Rudi Carrell erst 1972 erfand.

Im Rahmen einer Automesse anno 1934 sinnierte Hitler laut über die Produktion eines Fahrzeugs, das sich das Volk leisten kann und das auch den ambitionierten Klimaschutz-Zielen des Dritten Reiches entsprechen sollte. Kurzerhand setzte die Organisation «Kraft durch Freude», ein Vorläufer des späteren FDGB, schließlich den Bau eines Volkswagens um.

streicheln

„Mein Führer, in 70 Jahren bauen wir da so ein Gerät von dem Zuse rein und schon macht der keinen Qualm mehr. Der Dingsda, also ihr Ehrenbürger aus Markranstädt … irgendwie war der ein Genie und Visionär.“

Am 2. August 1934 wurde Hitler nach Gut Neudeck in Oberschlesien gerufen. Markranstädts Ehrenbürger, inzwischen ebenso ehrfurchts- wie liebevoll „Lallendorf-Paule“ genannt, hatte sich von der 33-er Abgasvergiftung nicht mehr erholt.

Versprechen am Sterbebett

Er nahm seinem von ihm selbst per Ermächtigungsgesetz zum GröFaZ ernannten Ziehsohn am Sterbebett das Versprechen ab, dass er sich mit dem Abgas gefälligst was einfallen lassen sollte. Das hat der Führer dann auch getan.

beetle

„Abörrr dass eins klarrr öst: Wönn dörrr fürrr ons zu viel Qualm macht, dann nönnön wirrrr ihn Beetle ond verrrkaufen öhn an dö Amerrrikanörrr!“

Nun ja, Geschichte schreiben immer die Sieger oder – wie Napoleon einst sagte – Geschichte ist das, worauf man sich nach 30 Jahren geeinigt hat. Das gilt noch heute, da beispielsweise am Tag der Befreiung in Markranstädt Blumengebinde an Gräbern sowjetischer Soldaten niedergelegt und dabei zwar Gedenkende anderer Fraktionen vermisst werden, aber nicht die Amerikaner, die uns hier eigentlich wirklich befreit haben … wenn auch nur für kurze Zeit. Jetzt kriegt VW von den Amis die Quittung dafür.

Jedenfalls feierte Hitler im Mai 1938, also nur fünf Jahre nach dem ersten deutschen Abgas-Skandal, zusammen mit Ferdinand Porsche und viel Prunk die Grundsteinlegung des ersten Volkswagenwerkes in Wolfsburg.

Dass da während des Zweiten Weltkrieges auch Bomben und Militärfahrzeuge produziert wurden, kann uns Deutschen nicht angelastet werden. Das wurde schließlich meist von ausländischen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen erledigt. Die Preise waren dabei nahezu die gleichen, die heute an Ostarbeiter für den Bau von Auto-Zulieferteilen gezahlt werden. Es geht also auch ohne Krieg.

vw_wrack

Ein Bild aus besseren Tagen: In VW wie diesem haben sich ganze Generationen von 68-ern ökobewusst die Sonnenblumenkerne aus den damals noch vorhandenen Schamhaaren geknabbert.

Das Testament des Markranstädter Ehrenbürgers, in dessen Glanz augenscheinlich sogar das Engagement einer Ilse Pfannenberg verblasst, hat acht Jahrzehnte überdauert. Noch heute scheint man in Wolfsburg, freilich mit anderen Inhalten, die Einheit von Wirtschafts- und Abgaspolitik als Hauptaufgabe der Firmenstrategie anzusehen.

lippendorf

Automobil-Zulieferer suchen heute zumehmend ihr Heil in der Flucht nach Südost-Europa. Hier sind die Produktionskräfte billiger als jeder Krieg. Und so weit weg scheint der Südosten gar nicht zu sein. Im Bild: Das Lippendorfer Testlabor für VW-Dieselmotoren, die für den Export in den us-amerikanischen Markt bestimmt sind.

Es sieht wohl so aus, als müsse Europa nun schleunigst ein TTIP-Abkommen beschließen, um künftig nicht auf die Technologie des MAF zurückgreifen zu müssen, wenn man den amerikanischen Markt bedienen will. Das ist zwar schwer verständlich, aber nicht leichter zu verstehen als die Verlogenheit, dass in einer Stadt, die sich in Sachen Ehrenbürgerschaft so schwer tut, Stolpersteine verlegt werden. Selten verspricht das Etikett einen Vorgeschmack auf den Inhalt. Siehe Dieselfahrzeuge von VW.

 

2 Kommentare

    • Peter auf 30. September 2015 bei 10:17
    • Antworten

    Wieder einmal die Geschichte korrekt zusammen getragen, aber?
    Wir sollten uns nicht täuschen lassen, denn meiner Ansicht nach wäre es ein Irrglauben dass andere Fahrzeughersteller nicht etwas gemogelt haben, denn alle kochen nur mit Wasser und bei der Einhaltung der Grenzwerte ist nun mal Dieselmotor, einfach Dieselmotor. Nicht mehr und nicht weniger und in der Hinsicht hat sich seit der Erfindung (29. November 1893) eben solches nicht viel getan bei der Arbeit eines Dieselmotores außer die Leistung zu verbessern wie auch immer, aber was hinten heraus kommt war, ist, und bleiben einfach Rußpartikel, da änder auch der liebe Abgasfilter nichts.
    Zur Ehrenrettung, wenn es eine solche überhaupt gibt bei dem was die Entwickler bei VW verbrochen haben, so sei darauf hingewiesen dass es ja auch die Automafia der Amis war und ist die dies alles ins Rollen brachten und nur aus einem einzigen Grund! Fehlendes Knowhow in Bezug auf Dieselmotoren man betrachte nur Ihren Ausstoß bei ihren eigenen LKWs! Aber hört man hier jemanden schreien? Eben nein denn es sind ja die eigenen Marken und kein gefährliches „Made in Germany“ dass den Autobauern in Amerika seit Jahren Kopfzerbrechen bereitet hat und nun zum Gegenschlag ansetzten. Ich könnte noch so einiges aus dem Nähkästchen plaudern, jedoch wäre dies zu langwierig und daher belassen wir es eben bei diesen kleinen Ausführungen in Sachen „Rudolf Diesel“

    1. Rudolf Diesel? Heißt der nicht Vin Diesel?

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