Die leise Defloration des Rollrasens

Nach über zweieinhalb Jahren Pause wurde heute in Kulkwitz wieder Fußball gespielt. Anlässlich der sportlichen Entjungferung der nagelneuen Arena reiste die SG Räpitz zum prestigeträchtigen Nachbarschaftsderby an. Zwar wurde ein neues Kapitel in der Kulkwitzer Fußballgeschichte aufgeschlagen, aber ein wirklich denkwürdiges Ereignis war es nicht, was da auf der ehemaligen Nebenvernässungsfläche stattfand.

Eigentlich sind solche Anlässe geradezu prädestiniert für den lokalen Adel, sich dem Wähler in Verbindung mit positiven Emotionen zu präsentieren. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich die Kulkwitzer Sportplatzgeschichte zu einem wirklichen Politikum entwickelt hat und mit Zutun der kommunalen Politik letztendlich auch zu einem guten (Zwischen)Ende gebracht wurde, hätte man die Anwesenheit offizieller Vertreter der politischen Aristokratie auch ohne gesonderte Einladung sicher verziehen.

Es hätte ja nicht gleich eine Rede sein müssen, aber so ein bisschen eine Anteilnahme oder wenigstens ansatzweise geheucheltes Interesse an dem, was man mit so viel verbalem Herzblut auf den Weg gebracht hat, hätte der Einweihung ein wenig mehr Bedeutung verliehen. Da jedoch nicht einmal einer der beiden Kulkwitzer Stadträte unter den Zuschauern gesichtet wurde, mag man den Volksvertretern aus der Kernstadt ihr Fernbleiben sicher gern nachsehen.

Sport mit Reifepotenzial

Allein der Räpitzer (!) CDU-Stadträtin Annett Zausch und der Kulkwitzer Ortschaftsrats-Chefin Carmen Osang war das Ereignis bedeutend genug, um ihm beizuwohnen. Sport hat im Spektrum zwischen Wort und Überzeugung wohl in vielerlei Hinsicht noch etwas Reifepotenzial in der Sportstadt.

Ganz fertig ist die Arena allerdings noch nicht. Der Platz ist in astreinem Zustand, am Umfeld muss aber noch viel Hand angelegt werden. Dennoch zeigten sich die SSV-Aktiven zufrieden und zuversichtlich.

Ausstattung mit dezentem Charme

Die Ausstattung des Spielfeldes, die MN berichteten bereits mehrfach, ist Champions-Leaque-tauglich, der Rasen geeignet für Golf-Turniere und mit dezentem Charme verbirgt das darauf installierte Equipment seinen royalen Wert.

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Zum Kostenpunkt von 212,25 Euro pro Stück, allerdings samt Bodenhülse: Neue Eckfahne in der Kulkwitzer SSV-Arena.

Was ohne die Sanierung des Platzes geschehen wäre, zeigt ein Blick auf die Landschaft unmittelbar neben dem Spielfeld. Wasser, Schlamm und Matsch wohin das Auge reicht. Aber es ist schon zu sehen, was hier einmal entstehen wird. Auch Sprunggrube und Tartanbahn sind in Fragmenten bereits erkennbar.

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Vorn im Bild der unsanierte Teil des Platzes, dahinter der neue Rollrasen mit Drainage drunter. Der neue Sportplatz hat seine Feuertaufe bestanden und entsprechend gelöst war die Stimmung in Kulkwitz – trotz Niederlage beim Jungfernspiel.

Man sieht es den Eckfahnen wirklich nicht an, dass nur eine einzige von ihnen 212,25 Euro kostet und als Sebastian Walther in der 37. Spielminute per Foulelfmeter zum 0:1 für Räpitz einlochte, mögen ihm wohl die Knie etwas weich geworden sein bei dem Gedanken, dass er die Nille beinahe durch ein 2.500 Euro teures Alu-Gestänge ins nagelneue blau-gelbe Netz geschoben hätte.

Denn eigentlich sollten neue Tore zum Preis von 2,5 Mille pro Stück ran, aber man hat schlussendlich die alten Gestänge wieder aufgebaut und „nur“ neue Netze in den Vereinsfarben drangehängt. 

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Als gegen Ende des Spiels dunkle Wolken aufzogen, setzte Petrus den neuen Platz einem ersten Belastungstest unter realen Bedingungen aus. Ein Regenguss ging hernieder und im Gegensatz zum überdachten Sportcenter in der Kernstadt zeigte sich die offene Konstruktion der Kulkwitzer Fußballarena den Herausforderungen gewachsen. Der Platz blieb trocken.

Womit wir beim Spiel wären. Nach der Hinrunde, die für die Kulkwitzer geradezu sensationell und für die Räpitzer eher durchwachsen verlief, waren die Karten laut Tabellenstand klar verteilt. Auch deshalb, weil Kulkwitz schon das Hinspiel im Nachbarort klar mit 1:4 gewonnen hatte.

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Aber Derbys haben ihre eigenen Gesetze. Nach einer ausgeglichenen Anfangsphase mit leichten Vorteilen für Kulkwitz übernahm Räpitz bald schon das Zepter. Vor allem im Mittelfeld agierte der Ortsnachbar sicherer, kreativer und druckvoller. Allerdings kam Räpitz fast ausschließlich über rechts. Im Sport lässt sich eine solche Erkenntnis schlechter nutzen als in der Politik und so konnte der Hausherr nur wenig Kapital aus der einseitigen Spielanlage seines Gegners schlagen.

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Der Räpitzer Sebastian Walther erzielt das erste Tor auf dem neuen Sportplatz.

In der 37. Spielminute passierte dann etwas, was man ebenfalls aus der Politik kennt: Foulspiel. Da es im Kulkwitzer Strafraum stattfand, war das gleichbedeutend mit Elfmeter für Räpitz. So wurde Sekunden später Sebastian Walther der erste Spieler, der sich als Torschütze in der neuen SSV-Arena eintragen durfte.

Es war nicht das einzige Foul in einer sehr kämpferisch, aber nicht überhart geführten Begegnung, die von Schiri Tino Hoffmann sicher geleitet wurde. Die vier gelben Karten, die er zeigen musste, waren gerechtfertigt.

Eisspray statt Amputation

Nur einmal gabs ein Foulspiel etwas gröberer Art, als ein Akteur Mitte der zweiten Halbzeit so von den Beinen geholt wurde, dass der Räpitzer Medizinmann an der Außenlinie kurz zu zögern schien, ob er zum Eisspray oder gleich zum Amputationsbesteck greifen sollte. Aber sein Mann war dank einer Art spontaner Selbstheilung bald schon wieder auf den Beinen.

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Dem 0:2 für Räpitz durch Philipp Kaiser in der 52. Minute folgte ein offener Schlagabtausch mit Chancen für beide Teams. Die Hausherren versuchten sich in langen Bällen und schneller Überbrückung des Mittelfelds durch Steilpässe, Räpitz agierte weiter mit klugem Kurzpass-Spiel, begünstigt durch viel Bewegung ohne Ball.

Schuss – bum – Tor!

Kulkwitz ließ in dieser Phase eine so genannte Hundertprozentige liegen. Kevin Paffrath, Torschütze von Dienst in den Reihen der Kulkwitzer, konnte dann in der 79. Minute auf 1:2 verkürzen. Die Hoffnung währte aber nur kurz. Quasi im Gegenzug vollstreckte Ronny Osang einen Konter der Räpitzer und machte den Derby-Sieg seiner Elf gegen den leicht ersatzgeschwächten Favoriten perfekt.

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Es war ein offener Schlagabtausch mit attraktiven Szenen vor beiden Toren.

Unterm Strich war es eine unterhaltsame Kreisklasse-Begegnung, zu der nicht nur das Treiben auf dem neuen Rollrasen, sondern auch die rund 100 Zuschauer (inklusive Ersatzspieler und Vereinsoffizielle) beigetragen haben. Das machte Appetit auf mehr und Vorfreude auf den Tag, da der Sportplatz komplett fertiggestellt ist.

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Den ersten Schuss aufs Tor feuerten die Kulkwitzer ab, die meisten ins Netz gabs für Räpitz.

 

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