Jugend träumt, Alter rechnet

„Markranstädt wird älter und hat viel mehr junge Leute“ – das meldete die Presse vor wenigen Tagen und bezog sich dabei auf die „regionalisierte Bevölkerungs-Vorausberechnung für Sachsen bis zum Jahre 2030“. Absolut lesenswert (einfach mal draufklicken). Abgesehen von der gewagten mathematischen Theorie enthält das Papier so viel Brisanz, dass man gar nicht mehr darüber nachdenken mag, was die sächsischen Statistiker so über unser Sex-Leben wissen.

Die mit dieser Statistik beschäftigten Mathematiker haben nichts dem Zufall überlassen. Sogar einen Jugendquotienten haben sie ermittelt, die Erben des Adam Ries. Der liegt bei gegenwärtig 26,9. Was die Einheit angeht, wird der Bürger allerdings im Dunkeln gelassen. Es können also ebenso 26,9 Jugendliche sein wie Jahre, Prozent oder erfolgreiche Jugendweihen.

Interessanter, weil von einem wesentlich höheren Phantasie-Faktor begleitet, sind die Prognosen, die direkt in den Markranstädter Schlafzimmern ermittelt wurden. In den kommenden Jahren kommt Leben zwischen Bettdecke und Laken, jawollja!

Wie das gehen soll? Keine Ahnung, aber die Wissenschaftler werden das schon wissen. Möglicherweise werden in den kommenden Jahren entweder die Kopfschmerzen der Frauen weniger oder die Potenz der bislang scheinbar trägen Männer wird steigen.

schwanger

Immer häufiger fragen sich junge Frauen auch in Markranstädt nicht mehr was es wird, sondern wieviel. Mehr als 1,7 Kinder sind aber statistisch nicht drin.

Zur Zeit legt jede Markranstädterin in ihrem Leben 1,56 Kinder, so das Papier. Okay, das ist jetzt wirklich ein rein statistischer Wert, ansonsten würden ja die Schulen unserer Stadt eher einer Ausstellung altertümlicher Exponate griechischer Archäologie gleichen. Torsen-Einmarsch im Klassenzimmer.

Nein, die gebärfähigen Frauen in Markranstädt sind gut vernetzt. Wirft die eine Markranstädterin beispielsweise kein Kind, sagt sie eine andere eben: „Gut, dann lege ich zwei.“ So kommen die krummen Zahlen zustande.

Aber jetzt kommts! In den kommenden Jahren soll die Geburtenziffer auf 1,6 bis 1,7 steigen. Die wissen also schon heute, was in unseren Schlafzimmern morgen so los ist. Wahnsinn! Wie kommt man auf sowas?

Sex aus demografischer Angst

Eigentlich gibt es nur eine Erklärung dafür. Weil man davon ausgeht, dass wir Markranstädterinnen und Markranstädter angesichts der demografischen Entwicklung Angst haben, dass dereinst mangels eigenen Nachwuchses zugereiste Moslems unsere Kiste auf den Friedhof schleppen müssen, werden wir uns in den kommenden Jahren öfter mal zum Sex zwingen. Eigentlich logisch.

rechner

Viele Paare kennen die berühmt-berüchtigte Rechen-Methode noch vor einem völlig anderen Hintergrund. Die Zeiten haben sich aber geändert. Heute findet sie nicht mehr zur Verhütung Anwendung, sondern beim wissenschaftlichen Zeugungsvorgang.

Auch logisch ist die gesellschaftsmathematische These, dass die Geburtenziffer nach Erreichen der 1,7 Kinder wieder abfällt. Klar, anfangs sind die Kleinen niedlich. Stolz werden sie überall rumgezeigt und in all der Aufregung glaubt vielleicht sogar manch junger Vater, dass sich das mit den dunklen Hautfarbe im Lauf der Zeit noch gibt.

Aber irgendwann beginnen sie zu nerven, die Kleinen. Sie brauchen Geld für Koks, streiten sich mit dem Alten um die Spielkonsole oder laufen bei „Frauentausch“ ständig vor dem Flachbildschirm rum und stehen so der Karriere ihrer Eltern permanent im Wege.

 

Frauentausch – auch das ist übrigens ein Auslaufmodell. In Markranstädt gibt’s für Frauen laut dieser Studie nicht mal was, das man eintauschen könnte. Auf 100 Frauen kommen hier aktuell nur 94,5 männliche Bevölkerungsteilnehmer. Das kann man so oder so sehen. Entweder statistisch, oder denen fehlt zu 100 Prozent wirklich was. Angesichts der Geburtenrate fällt es nicht schwer, die fehlenden Teile zu lokalisieren.

98-1

Stadtpark Markranstädt: So sieht Sex im Freien mit 94,5 Prozent Mann aus. Immerhin werden 111 von ihnen einmal zwischen 18 und 30 Jahre alt sein.

Die hier dargestellte Mathematik ist zwar wirklich in alle Richtungen interpretierbar, aber die dem letzten Satz zugrunde liegende Formel … also … die hat schon was. Im Jahr 2030 kämen demnach auf 100 Frauen in Lallendorf 98,1 Männer. Und jetzt Achtung: 111 von diesen 98,1 Testosteronbomben sind zwischen 18 und 30 Jahre alt.

Die Formel für diese gewagte Rechenoperation ist derweil nicht unbekannt. Sie war das grundlegende Handwerkszeug der Planungskommission des SED-Politbüros und wurde uns allabendlich in der Aktuellen Kamera nahegebracht. Allerdings nur im Hinblick auf hochwertige Konsumgüter oder Erträge des Braunkohlekombinates. Mit Humankapital kannten wir diese Steigerungsformen damals nicht. 111 aus 98 – allein das Telelotto wäre eine internationale Erfolgsgeschichte geworden und wahrlich: Wir hätten den Westen überholt, ohne ihn je eingeholt zu haben.

Nun, was aber bleibt uns in Markranstädt, um die Urheber dieses Zahlenwerkes eines großen Irrtums zu überführen? Klar, wir müssen diesen Mathematikern beweisen, dass wir hier auch für 2,3 oder mehr Kinder gut sind. Vielleicht werden sie in ihrer puren Verzweiflung irgendwann sogar von selbst darauf kommen, dass der wahre Reiz der Mathematik darin liegt, morgens die Wurzel aus einer Unbekannten zu ziehen?

 

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