Heute ab 15 Uhr: „EBER“ auf der Rathaustreppe

Die Landwirte ächzen unter Klimaerwärmung, Wetterkapriolen, sinkenden Erträgen bei steigenden Erlösen, undurchschaubarer EU-Subventionspolitik, Ernteausfällen und immer schärfer werdenden Chillischoten. Da sind neue Ideen gefragt und eine davon ist in Markranstädt sprichwörtlich auf fruchtbaren Boden gefallen. Heute wird in der Zschampert-Aue erstmals mit der Aussaat von Erdnüssen begonnen.

Wenn da nicht schon seit einigen Jahren auf Rügen Bananen oder im Vogtland Ananas angebaut würde, fast könnte man die Nachricht für einen Witz halten. Trotzdem bietet das Thema genügend satirisches Potenzial, um sich damit zu beschäftigen. Erdnüsse in Markranstädt – die Klimaerwärmung machts möglich.

„Normalerweise könnte man frühestens nach Ostern mit dem Pflanzen der Erdnuss-Stecklinge beginnen,“ sagt Landwirt Jürgen Michels aus Schkölen, „aber so wie die veränderten klimatischen Bedingungen in den letzten Jahren den Erdnussanbau in unserer Region überhaupt erst möglich gemacht haben, lässt der sehr milde Frühling nun sogar eine zeitige Pflanzung zu.“

Natürlich musste dieser Schritt in den Anbau völlig neuer Kulturen gut überlegt sein. Immerhin erfordert er auch umfangreiche Investitionen. „Mit einem Mähdrescher oder einer Kartoffelkombine kann man da nichts anfangen.“, meint Michels und zeigt voller Stolz auf seinen neuen Peanuts-Harvester.

Betritt sprichwörtlich Neuland: Der Schkölener Landwirt Jürgen Michels vor seinem neuen Peanuts-Harvester.

Die bis unter das Dach mit High-Tech ausgestattete Maschine, die sogar über ein Bodensonar zum Auffinden von wilden Erdnusslagerstätten verfügt, ist erst am 24. März per Schiff aus Ruanda eingetroffen, inklusive Gebrauchsanleitung in Parselmund. „Da ist sogar der Übersetzer von Google gescheitert.“, schmunzelt Jürgen Michels, der sich kurzerhand Hilfe in der Botschaft Ruandas holte.

Dort bekam er auch gleich noch ein paar wichtige Tipps zur Bodenbearbeitung, Düngung und vor allem zur Ernte. Entgegen der vom Sächsischen Landwirtschaftsverband vertretenen These, wonach die Stecklinge einfach in den Boden gesetzt werden, hat Michels sozusagen aus erster Hand erfahren, dass diese Kulturen viel besser gedeihen, wenn man sie auf Dämme setzt.

Der Botschafter aus Ruanda gab Michels gleich noch ein paar wichtige Tipps zum Anbau von Erdnüssen. Hier zeigt ein Mitarbeiter gerade, wie frisch geerntete Peanuts wirklich aussehen. Sie sind weiß. Die braune Färbung der Nusshaut entsteht erst durch die Trocknung.

In Frankenheim wird das von einigen Landwirten bereits so praktiziert. Die über die Anhäufungen gezogenen Folien sorgen für ein Mikroklima, das mit den subkontinentalen Bedingungen in der Herkunftsregion dieser Kreuzblütengewächse nahezu identisch ist.

In Frankenheim konnte man schon zeitiger mit der Aussaat von Erdnüssen beginnen, weil sie hier auf Dämmen und unter Folie kultiviert werden. Mikroklima wie in der Heimat der fremden Kulturen.

Allerdings ist die Ernte, unabhängig von der Art des Anbaus, sehr kostenintensiv. An dieser Stelle zieht Michels die Stirn sorgenvoll in Falten: „Ähnlich wie der Spargel, muss auch die Erdnuss aus dem Boden gestochen werden. Leider ist so ein Erdnuss-Stecher viel kürzer, was für die Erntehelfer mit wesentlich höheren Anstrengungen verbunden ist.“

Dennoch ist der Schkölener Landwirt zuversichtlich, was die Saisonkräfte angeht. In der Zeit der Erdnussernte wird keine andere Feldfrucht eingebracht, weder Erdbeeren noch Spargel. „Da werden sich bestimmt ausreichend Helfer finden.“, zeigt er sich überzeugt.

Marshmallow-Bauern im Pech

Aber lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt? Beate Lehmann, im Rathaus unter anderem für Marketing zuständig: „Seit die Deutschen statt Bier lieber Prosecco oder Smoothies trinken, sind die Preise für Gerste im Keller. Auch der Bedarf an Weizen ist fast bei Null, seit in den Brötchen mehr Luft verbacken wird als Mehl. Da lohnt sich der Umstieg auf fast jede andere Kultur. Manche sind mit Marshmallows gescheitert, Herr Michels hatte eben Glück mit Erdnüssen.“

Die Globalisierung verlangt auch von den hiesigen Landwirten neue Ideen und Risiken. Manche haben es bereits mit dem Anbau von Marhmallow versucht.

In der Tat versuchen regionale Landwirte bereits seit zwei Jahren, den Anbau von Marshmallows flächendeckend zu kultivieren. Auch in Großlehna wurden auf einem Versuchsfeld bereits Tests durchgeführt. Die Parzelle wird unter den Bauern des Ortes seither als „Fehlschlag“ bezeichnet.

Der Ertrag ist spärlich, aber wenigstens ist der Bestand bis zur Ernte gesund geblieben: Marshmallow-Feim bei Göhrenz.

Fritz Bauer, Betriebsleiter der Agrargenossenschaft Altranstädt-West, bremste schon früh jede Euphorie: „Durch die feuchten Witterungsperioden haben wir in unseren Breiten enorme Probleme mit Glucosetau, einer Form des Mehltau, wie wir ihn beispielsweise bei Wein oder Getreide kennen.“

Von Glucosetau befallene Marshmallow-Miete bei Markranstädt.

Die ursprünglich weißen Fruchtkörper werden dann quasi über Nacht schwarz (Foto) und der Handel nimmt die Marshmallows gegen deutliche Preisabschläge nur noch als minderwertigen Zuschlagstoff ab. Für Harobi Colerado beispielsweise oder Köstriner Schwarzbier.

Auch Lidschatten oder Autoreifen, Textilien, Druck- und Haarfarben und sogar Tattoos erhalten so ihre charakteristische Färbung zwischen schwarz und anthrazit.

Zurück zum Erdnussanbau in Markranstädt. Dass sich die Banken mit Krediten für das hierfür erforderliche Equipment schwer tun, überrascht wenig. Jürgen Michels hatte Glück. Er hat neben Bodenbearbeitungs- und Pflanztechnik auch in eine leistungsfähige Erdnussbutterschleuder investiert.

Gestern kam auch die Erdnuss-Förderschnecke auf Michels Hof an. Sie transportiert die begehrten Nüsse vom Trockenlager direkt in die Erdnussbutterschleuder.

Deren Ausstoß beläuft sich auf drei Klafter in der Stunde, das angegliederte Silo fasst die Kapazität einer gesamten Wochenproduktion. Als Selbstvermarkter gehe so ein Konzept auf, meinte schlussendlich sogar Pink Zastermaker, Chef der renommierten Leipziger Spielbank und unterschrieb den Kreditvertrag ohne zu zögern.

Die Erdnussbutterschleuder ist das Herzstück der neuen Produktionsanlage in Schkölen. Sie schafft drei Klafter pro Stunde.

Sicher hat Zastermaker auch Michels Vita überzeugt. Der erfahrene Landwirt hat in Schkölen nicht nur einen der führenden Agrarbetriebe im Leipziger Raum aufgebaut (Dä Randhalme widmeten ihm 2005 sogar den Hit „Lebt denn der alte Kornmichels noch?“), sondern er weiß auch, wie man mit sensiblen exotischen Kulturen umgeht. Immerhin war er mal im Markranstädter Stadtrat.

Jedenfalls werden ab Herbst in den deutschen Supermarktregalen auch Gläser aus Markranstädt unter dem originellen Label EBER (Erdnussbutter erzeugt in Räpitz) reißenden Absatz finden.

Das neue EBER-Sortiment ist bereits bei allen großen Supermarkt-Ketten und natürlich auch im Großhandel gelistet. Die Werbung läuft auf Hochtouren.

Auch die Markranstädter Stadtverwaltung freut sich, dass der Name der Stadt damit weit über die Grenzen des Freistaates hinausgetragen wird und lädt alle Bürgerinnen und Bürger für heute zwischen 15 und 17 Uhr zu einer Verkostung von Räpitzer Erdnussspezialitäten im Foyer des Bürgerrathauses ein. „Es ist zwar Samstag, aber für eine so tolle Sache machen wir das gern.“, verrät Sprecherin Heike Helbig.

Heute Rathaus-Tombola

Übrigens soll auch eine Tombola stattfinden. Als Hauptpreis winkt – und das wird alle Schrauber und Heimwerker besonders freuen – ein attraktiver Erdnusskasten mit Peanuts-Ratsche und 32-teiligem Zubehör im Wert von 99,99 Euro. Nun dann, wir sehen uns: Ab 15 Uhr auf der Rathaustreppe!

 

3 Kommentare

    • Dr. Haupt, Gabriele auf 25. Mai 2017 bei 16:53
    • Antworten

    Achtung, Politik,

    in Amerika ist auch schon mal ein ERdnussfarmer Präsident geworden! Muß die deutsche Politik befürchten, daß der nächste Regierungschef aus Markranstädt kommt?

    1. Wieso befürchten? Wär doch mal was, ein Kanzler aus Lallendorf.

  1. Danke für EBER, lieber Kornmichels mit den kleinen Kartoffeln, möge die Ernte immer frei bleiben von Glucosetau oder Crunchie-Motten, möge niemals ruandischer Sand im Getriebe des Peanuts-Harvesters zu finden sein! Und möge es auch immer genug Zellstoff geben, daß es für uns zum Lachtränen-Wegwischen reicht!

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