Bevor es heute in der Bürgerfragestunde Fragen gibt…

Eine von der vor 8 Stunden neu gegründeten Bürgerinitiative „Räpitzer Treue für Sachsen“ eilig einberufene Einwohnerbefragung, die laut Gesetz nur am 1. April möglich ist, ergab eine ebenso einstimmige wie überwältigende Willensbekundung: „April, April“ lautete das Veto der Räpitzer zum kolportierten Wechsel des Ortes nach Sachsen-Anhalt. Und während man im Dresdner Kreml noch nach einem Staatssekretär mit Namen Borderlein fahndet, ist in Markranstädt längst wieder der Alltag eingekehrt. Die Sprecherin schweigt, der Meister wird zum Spiskesellen und im Ordnungsamt wird aufgeräumt.

Aber jetzt mal ganz ehrlich: Die Idee hat was! Also nicht die mit dem Verkauf von Räpitz an Sachsen-Armut. Das ginge ja schon deshalb nicht, weil die da drüben nicht einmal das Geld hätten, wenigstens Schkölen auch nur für einen Monat zu pachten. Aber wenn man mal so über die Geschichte nachdenkt und dabei dem Gedanken „was wäre wenn“ folgt…?

Mal angenommen, Friedrich August hätte sich Napoleon nicht an die Brust geworfen. Nicht auszumalen, wie die Weltgeschichte da verlaufen wäre. Stanislaw I. wäre heute nicht nur Kurfürst von Sachsen, sondern auch König von Polen, das wiederum nur eine Sowjetrepublik von Russland wäre und nicht einmal einen Sitz in der UNO hätte. Markranstädt wäre bestenfalls eine unbedeutende Wojewodschaft im Oblast Leipzig, nur wenige Werst von Halle entfernt und Jensowitsch Spiskeshnew müsste sich in einem Pferdefuhrwerk mit dem Kennzeichen bna – yr 1 auf dem Marktplatz vorfahren lassen.

Selbstredend würde man dann heute auch Pegida-Anhängern nicht damit drohen können, dass der Begriff Lügenpresse braune Farbe hat, denn einen 2. Weltkrieg hätte es auch niemals gegeben. Der begann bekanntlich mit dem Überfall auf Polen. Aber welcher Staatsmann würde sein eigenes Land angreifen? Okay – angreifen vielleicht nicht, aber abbaggern schon. Stanislaw I. zumindest. Doch für die kursächsische Braunkohle aus Heuersdorf und bald auch Pödelwitz bekommt das Dresdener Königshaus schließlich auch Geld aus Tschechien, wo das schwarze Gold im Interesse des deutschen Gemeinwohls verstromt wird. Jeder Euro schwächt den Klassenfeind, der noch auf seinen Kronen sitzt, auch wenn es das eigene Land kostet. Genial!

Am interessantesten ist jedoch der Gedanke, dass es wohl auch eine DDR nie gab, wenn Friedrich August wenigstens eine annähernd 200 Jahre in die Zukunft reichende Weitsicht bewiesen hätte. Was wäre uns da nicht alles erspart geblieben? Zum Beispiel ein Unternehmen, das PGH „Neues Leben“ hieß, obwohl da Tiere getötet wurden oder eine Firma, die als Rothe & Benkmann KG Bagger baute und dann plötzlich VEB Hubtischbau hieß.

Oder Ortsbauernführer, die später in der BGL Karriere machten. Ups … Entschuldigung … NS-Würdenträger hätte es ja in dieser Konstellation auch nicht gegeben. Also dann eben … äh … wie hieß der Typ in der Bibel gleich, der mit den 30 Silberlingen?

Ja, und die Geschichte danach erst! Keine Wiedervereinigung, weil es ja vorher auch keine Teilung gab. Selbst einem ostfriesischen Bürgermeister hätte man in Markranstädt anstandslos deutsche Wurzeln attestiert und die Mitgift alpiner Gebirgsjäger an den einheimischen SSV hätte man aus Salzburg in einheimischer Währung überwiesen. Und Anfang der 90er hätte nicht unsere Partnerstadt Mettmann ein Feuerwehr-Fahrzeug nach Markranstädt überführt, sondern wir hätten einen B 1000 rot angemalt und an unsere arme Partnerstadt Leipzig gespendet. So sieht’s doch aus, liebe Leute!

Steht auf, wenn ihr katholisch seid, steht auf, wenn ihr …

Die Kehrseite dieser Illusion: Man muss dann schon erlauben, in der Geschichte noch weiter zurückzugehen. Bis zum 30-jährigen Krieg beispielsweise. Und ohne den wären wir wahrscheinlich alle noch katholisch. Unsere Kanzlerin, die Deutschlands Kinder zum Krieg in den Kundus schickt ohne selbst welche zu haben, würde dann bibelgetreu den Unterschied zwischen damals unbefleckter Empfängnis und heute unbeflecktem Verhängnis ausmachen und wir hätten sicher keine drei Apotheken in Markranstädt, wenn die nicht von Kondom, Mondo, Präservativ, Pille, Femidom, Pille-danach und anderen fertilitätsverhindernden Prophylaktien leben könnten.

Manche Gegenden Bayerns sollen ja sogar so gut aufgestellt sein, dass da schon Schrundensalben oder andere Hilfsmittel gegen Fissuren als Indikator für kirchlich geförderten Wirtschaftsaufschwung gelten.

Da ist es doch die leichtere Bürde, Räpitz für einen Tag an Sachsen-Anhalt abzugeben und wenigstens am 1. April seine Ruhe zu haben. Es ist, wie zweihundertfünfzig Pfund Streichfett unter einem Anzug über einer Raute sagen würden, alternativlos. Napoleon oder Hollande, August oder Angela, BGL oder PGH – da müssen wir durch, wenn wir Europa werden wollen.



1 Kommentar

  1. Kompliment an die Nachtschichten. Über beide Beiträge zur drohenden Reviergrenzenänderungsmöglichkeit habe ich mich köstlich amüsiert.
    Trotzdem seid Ihr mit der Klarstellung über die Richtigstellung für meinen Geschmack etwas zu zeitig gekommen. (soll ja vorkommen *fg*) Ich zumindest hätte mir durchaus amüsiert angehört, was unsere Stadtverwaltung bzw. Jensowitsch Spiskheshnew dazu zu sagen gehabt hätte. Vielleicht hättet Ihr damit unbewusst sogar einen Beitrag für ein positives Gesprächsklima innerhalb der Bürgersprechstunde geleistet… 🙂
    LG und Euch ein schrundenfreies Ostereiersuchen

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