Neue Staffel startet mit Darmspiegelung

Nach dem Mega-Erfolg der Serie „Die weiße Religion“ haben sich die Macher der Markranstädter Nachtschichten nun an die Produktion der zweiten Staffel gewagt. Dazu wurde ein Schreiberling als Patient getarnt und zur Darmspiegelung geschickt. Sein Bericht ist eine schockierende Dokumentation über Lügen, Intrigen und Demütigungen – kurzum: eine anale Katastrophe. Aber lesen Sie selbst. Hier und heute das Making off und der erste Teil.

Die Lebenserwartung von Frauen liegt in Deutschland im Schnitt bei 83,4 Jahren. Männer dagegen beenden ihren Weg vom Uterus zur Urne bereits nach 78,4 Jahren und damit ein halbes Jahrzehnt früher. Angeblich liegt das daran, dass Frauen öfter zum Arzt gehen. Vorsorge und so.

Andererseits könnte man diese Statistik auch so deuten, dass Frauen ohne ihre Männer bestenfalls fünf Jahre überlebensfähig sind. Aber es kann auch was dran sein mit dem Untersuchungsquatsch.

Ich frage mich nur, warum all diese Vorsorgemaßnahmen immer nur was mit dem Bereich des Körpers zu tun haben, der gewöhnlich unter der Hose verborgen ist. Hat meine Nase keinen Anspruch auf Vorsorge? Oder meine linke Schulter?

Ab 50 potenziell krank

Eigentlich habe ich mich ja nur wegen der Grippeschutzimpfung zu meiner Hausärztin gewagt. Bei Durchsicht meiner Akte stellt sie aber fest, dass ich schon über 50 bin und damit das Recht auf eine Vorsorge hätte. Da ist mir neu. Also nicht dieses Recht, sondern dass Zahlen mit einer 5 davor schon als potenzielles Krankheitsbild gelten.

Mit einer Überweisung in der Hand stehe ich Minuten später wieder auf der Straße. „Koloskopie erbeten“ lese ich. Und die Unterschrift der Ärztin. Logisch. Sie hat drum gebeten, nicht ich, also muss sie das auch unterschreiben.

Ich weiß ja noch nicht mal, was Koloskopie ist. Vielleicht verkabelt Fahrrad fahren und sich einen abschwitzen, während die Schwestern um einen Monitor stehen und besorgt flüstern?

Schlauchschlucken von hinten

Vor meiner Frau kann ich meine Wissenslücken aus Machtgründen nicht offenbaren, also frage ich meinen Nachbarn. Gerhard steht gerade in seiner Werkstatt und mottet die Gartengeräte für die Überwinterung ein. Nach einem Blick auf den Überweisungsschein grinst er mich an und stellt demonstrativ die Rolle mit dem Gartenschlauch auf die Werkbank.

Als er mit seinem Vortrag fertig ist, starre ich wie versteinert auf das aus seiner Hand baumelnde Schlauchende, dessen Kupplung er als Sonde bezeichnet hat. „Gerhard …“, höre ich mich entsetzt sagen. „Ich … das … äh … dreiviertel Zoll. Da kann ich hinterher nie wieder kacken.“

Gerhard beruhigt mich mit der Überzeugung, dass es in einer gut aufgestellten Praxis sicher auch Halb- oder Viertelzoll-Schläuche gibt.

So viel zum Vorspiel. Und im Grunde genommen war meine erste Ahnung gar nicht so verkehrt. Koloskopie ist also sowas wie verkabelt Fahrrad fahren, nur eben liegend und ohne Sattel, dafür über Stock und Stein. Mit diesem Vorgefühl im Magen beginnt die Tortur.

Nee, eigentlich fängt sie schon vorher an – mit der Suche nach einem Arzt, der die Koloskopie in seinem Portfolio hat. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es rund um Markranstädt und in Leipzig nur so wimmelt von Gynäkologen und es im Gegensatz dazu keine einzige Praxis für Andrologie gibt? Es ist gewollt, dass wir Männer sozialverträglich früh ableben! Kein Wunder also, dass ich im Internet auch keinen einzigen Koloskopeur gefunden habe.

Von wegen eine Sache von Minuten

Es hätte mir jedoch eine Warnung sein sollen, dass es ausgerechnet ein Chirurg ist, der im näheren Umfeld von Markranstädt Koloskopien macht. Aber man glaubt ja bis zuletzt an das Gute im Menschen und so stehe ich kurz darauf am Tresen dieser Praxis, um mir einen Termin zu holen.

Glauben Sie Ihrer Ärztin nicht, wenn die Ihnen sagt, dass eine Koloskopie nur eine Sache von Minuten ist. Das ist ebenso eine Lüge wie alle anderen Informationen, die nur dazu da sind, dass Sie sich im Bewusstsein des Wohls ihrer Gesundheit freiwillig foltern lassen.

Eine Sache von Minuten. Das ich nicht lache. Dieses Martyrium dauert drei Tage! Es beginnt an Tag eins mit einer Art Wasserfolter. Im Prinzip lautet die ärztliche Anweisung, dass man den Wasserhahn leersaufen soll.

Tag 1: Rollmops an Lindt-Pralinen

Dazu gibt’s ein Pulver, für dessen Anwendung man jede Kochsendung im Fernsehen fristlos absetzen würde. So eine Mischung aus Rollmops und Lindt-Pralinen, mit caramelisiertem Esrom-Käse püriert und über Seetang gedämpft.

Die Wirkung ist allerdings frappierend. Das Zeug befreit nicht nur den Darm, sondern gleich auch den Geist. Selbst wenn man davon überzeugt ist, längst leer zu sein, kommt immer noch was. Da kriegt man erst mal mit, was man den ganzen Tag so alles an sinnlosem Ballast mit sich rumschleppt.

Und während ich so auf der Schüssel sitze, aus der mich alle zehn Sekunden ein Echo wie aus dem Leipziger Hauptbahnhof anbrüllt, komme ich den Verschwörungstheorien dieser Welt auf die Spur. Angeblich sollen Häftlinge in Guantanamo jahrelang inhaftiert sein, um von ihnen Geständnisse zu erpressen.

Was’n Blödsinn! Als ob die Amis nicht auch ökonomisch denken würden und Rollmöpse mit Vanille-Pralinen pürieren könnten? Rein damit in die Gefangenen, ab auf die Keramik und nach spätestens zwei Stunden erzählen die sogar Dinge, nach denen sie gar nicht gefragt wurden.

Zurück zur Koloskopie. Ich hätte am Ende dieses ersten Tages meinen Schließmuskel darauf verwettet, dass der Zeiger nach Betreten der Waage fest auf der Null verharrt. Mehr noch: Im Geiste sehe ich, wie sich die Skala sogar leicht in den Minusbereich neigt, nachdem ich kurz gerülpst habe.

Das Entsetzen ist geradezu schier, als sich die Anzeige nach wenigen Sekunden trotz der vorangegangenen Tortur immer noch bei der mir altbekannten Zahl einpendelt. Das können nur 95 Kilo Wasser sein, schießt es mir durch den Kopf, als mich der Druck dieser Masse erneut auf den keramischen Zylinder zwingt.

Danach waren es wohl nur noch 93 Kilo. Zumindest hat mein Körper aber binnen nur eines einzigen Tages gelernt, aus dem Darm zu pullern. Als ich das meiner Frau erzähle, ernte ich statt Mitleid jedoch nur Spott. Da bräuchte ich ja meinen Penis jetzt überhaupt nicht mehr, meint sie.

Wozu dann eigentlich noch eine Darmspiegelung? Es wäre doch jetzt genau der richtige Zeitpunkt zu sterben. Aber das geht aus zwei Gründen nicht. Rein statistisch darf ich erst in 23 Jahren sterben, um die bundesdeutsche Statistik der männlichen Lebenserwartung nicht zu versauen und zweitens sind an mir bis dahin noch ein paar hunderttausend Euro zu verdienen.

Also nichts mit ableben oder so. Statt dessen muss ich am nächsten Tag pünktlich, nüchtern und mit leerem Gedärm zur Spiegelung antreten. Was da passiert ist, lesen Sie in der nächsten Folge. Vorab lediglich so viel: Rein vom Schmerz her besteht der Unterschied zwischen einer Darmspiegelung und einer Wurzelbehandlung nur in dem Stuhl, auf dem man sitzt.

 

2 Kommentare

    • Ute Weigand-Münzel auf 16. Oktober 2017 bei 11:33
    • Antworten

    Absolut toll geschrieben. Genau so ist es

    • dertho auf 16. Oktober 2017 bei 4:39
    • Antworten

    Wunderbar geschrieben.Danke für diesen lustigen Start in die Woche.

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