Am Ende des langen Weges zur neuen Straße

Auf himmlischen Beistand sollte man sich in der Politik zwar ohnehin nie verlassen, aber gerade unser Bürgermeister scheint nicht gerade gesegnet mit guten Kontakten nach oben. Fast schon scheint es Tradition zu werden, dass Petrus auf Spiskes Zettel pieselt, wenn dieser unter freiem Himmel auftritt. So auch in den gestrigen Abendstunden bei der lang ersehnten Freigabe der Leipziger Straße. Zum Glück waren es nur ein paar Tröpfchen.

 

Ein paar Tröpfchen waren es auch, die im Vergleich zu anderen Großbaustellen Deutschlands in die Leipziger Straße flossen. Rund 1,7 Millionen Euro waren es. Was man dafür bekommen hat, das kann sich sehen lassen. Vor allem im Vergleich zu eben jenen Großbaustellen.

In Berlin beispielsweise wurden schon Milliarden in den neuen Flughafen versenkt, ohne dass irgendwas Greif- oder gar Nutzbares da wäre. In Leipzig kosteten 1,4 Kilometer City-Tunnel über eine Milliarde Euro. Das macht 714.285,70 Euro pro Meter! In Markranstädt dagegen kostete ein Meter Straße nur 1889,- Euro.

Zwischen Hartz IV und 3D-Flachbildfernseher

Man kann es aber auch anders rechnen. Pro Monat wurden in die Leipziger Straße etwa 113.333,33 Euro eingebaut. Macht pro Tag 3.777,78 Euro oder pro Stunde 472,23 Euro. In 60 Minuten also 30 Prozent mehr als ein Hartz IV-Empfänger im Monat hat. Andererseits soll es ja Leute geben, die diese Summe für einen Fernseher ausgeben, um sich abends auf dem Sofa in 3-D verarschen zu lassen.

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Die Altranstädter Plautzer spielten auf.

Genug der Zahlenspiele. Wie immer, wenn es um Eröffnungen, Freigaben oder andere feierliche Anlässe geht, waren huldvolle Worte zu hören und man übte sich in mannigfaltiger Interpretation von Gleichnissen. Von einigen orange gewesteten Arbeitern abgesehen, die für die Beseitigung der letzten Absperrungen Überstunden schieben mussten, war wertschöpfendes Personal unter den Feiernden erwartungsgemäß Mangelware.

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Nicht nur die neue Leipziger Straße hatte ihre erste öffentliche Bewährungsprobe zu bestehen.

Es mögen rund 200 Markranstädter und Gäste gewesen sein, die sich den Augenblick der Freigabe und das Freibier mit Bratwurst nicht entgehen lassen wollten.

Vielleicht waren einige auch aus Neugier gekommen, um zu sehen, wie die Leipziger Straße eigentlich verläuft. Nach 15 Monaten kann so manches in Vergessenheit geraten. Fast möchte man Wetten darauf abschließen, dass der eine oder andere Kraftfahrer selbst in drei Tagen noch gewohnheitsmäßig Slalom durch die Albertstraße fährt, dann in die Karlstraße abbiegt und schließlich die Schachtbahn unsicher macht, bevor er im „Gelb-Roten Viertel“ (Netto, Star, Lidl) quer durch die Tankstelle heizt.

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Stolze Besitzer von Souvenirs, die vielleicht einmal einen besonderen Wert haben dürften: Abschnitte des zerschnittenen Bandes zur Eröffnung der Leipziger Straße.

Jetzt ist sie also freigegeben, die Leipziger Straße, deren neuer Spitzname dem Volke fast gebetsmühlenartig als NEUES ZENTRUM eingehämmert wird. Da selbst das Nova Eventis nach über zehn Jahren im Volksmund noch Saalepark heißt, wird sich am Ende wahrscheinlich bestenfalls der „Lange Markt“ durchsetzen, so er denn ein solcher werden wird. Die verkehrsinfrastrukturellen Voraussetzungen dafür sind jetzt jedenfalls hervorragend.

Es kommen noch ein paar Möbel

Wenn ein Passant dennoch meckern möchte, dann sollte ihm zumindest klar sein, dass er mit jedem Schritt auf der neuen Straße rund 2.000 Euro unter den Sohlen hat. Und da sind die exclusiven Stadtmöbel noch nicht einmal eingerechnet. Aber die roten Eimer sind, wenn sie erst einmal aufgestellt wurden, schnell gezählt. Mit 5.000 multipliziert und auf die Kosten draufgerechnet, sind wir noch nicht einmal beim Preis einer Rolltreppe des Berliner Flughafens.

 

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