Mach ihn! … Mach ihn! … Er macht iiiihn!

Die Vorgefechte hatten bereits vor Tagen begonnen, aber erst in wenigen Stunden wird der Höhepunkt erreicht sein: Speziell die Kernstadt wird dann einen Geräuschpegel entwickeln, der die Ureinwohner unserer Gegend an den britischen Bombenangriff vom 4. Dezember 1943 erinnern wird. Zerfetzte Briefkästen auf den Straßen, verängstigte Tiere in der Natur (oder was von ihr übrig ist) und Notärzte, die mit flinker Nadel abgerissene Finger annähen. Silvester ist die destruktive Ausdrucksform 364 Tage unter Verschluss gehaltener Emotionen.

„The same procedure as last year?“, wird Freddy Frinton heute abend wieder fragen und natürlich wird es wieder „The same procedure as every year, James!“ sein. Also werden sich heute exakt um 24 Uhr wieder Menschen gegenseitig die Zungen in die Hälse stecken, die sich sonst auf der Straße nicht einmal grüßen und sich eher den Tod als ein gesundes neues Jahr wünschen würden. Während dessen fliegen zielsicher abgeworfene Blitzknaller mit der Sprengkraft mehrerer Megatonnen TNT durch die Morgenluft des neuen Jahres und detonieren im besten Fall direkt neben den Ohren der sich küssenden Silvester-Opfer. Herzlich willkommen im Jahr 2015.

Wir sparen uns diesmal den Rückblick auf das dahinscheidende Jahr. Es wäre ohnehin nur ein Aufwärmen von schalem Sud gewesen und uns ist trotz geistiger Höchstleistungen unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen im Glühwein nichts eingefallen, was sich da noch einmal aufzukochen lohnen würde. Der einzig halbwegs lustige Ansatz, den wir fanden, wäre die alte „Zitate-Nummer“ gewesen. Also die markantesten Zitate des Jahres einer anderen Person in den Mund zu legen. Das hätte sich dann in Erinnerung an die Fußball-WM und den jüngsten Klarstellungsbeschluss des Stadtrates ungefähr so gelesen: „Kirschner … Der kommt an! … Mach ihn! Mach ihn! Er macht iiihn!!! Jens Spiskeeee!“ Der Rest ist bekannt: Wir sind Weltmeister – in welcher Disziplin auch immer.

Nun, mit dieser Eingebung hatte sich die Satire hinsichtlich eines Jahresrückblicks jedoch fast völlig erschöpft. Wenn der Höhepunkt des Jahres in einer Stadt darin besteht, dass am 7. April in Seebenisch der Storch aus seinem Winterquartier zurückgekehrt ist, hat man es schwer, Schlagzeilen zu finden, die das noch toppen. Also haben irgendwann im Juni ein paar Verrückte beschlossen, selber welche zu machen und die Markranstädter Nachtschichten zu reanimieren.

Rund 38.600 Zugriffe in den letzten sechs Monaten (davon etwa 11.500 Klicks auf die Titelseite seit 18. August 2014) und zuletzt sogar die Erhebung zum Markranstädter Stadtkulturerbe durch die LVZ haben zumindest gezeigt, dass eine Nische dafür vorhanden ist. Wenngleich die Interaktion zwischen Lesern und MN noch von Zurückhaltung geprägt ist. Die Markranstädter Nachtschichten teilen hier wohl das Schicksal der BILD-Zeitung: Niemand liest sie, aber alle wissen, was drin steht.

„Was geht ab, Alder?“- App erst ab 2016

Natürlich könnte man mit wenigen Handgriffen für eine globale Präsenz sorgen. Eine MN-App für Smartphone wäre des Pudels Kern. Im Audio-Format selbstverständlich, damit die bildungsfernen Leserkreise nicht erst die Buchstaben zusammenziehen müssen. Die „Was geht ab, Alder?“-App ist für 2016 geplant. Hoffentlich gibt’s da noch sowas wie Apps.

In unserer Zeit, in der schnelllebig mit drei L geschrieben wird, könnte es immerhin passieren, dass man in 12 Monaten schon so was wie Schiefertafeln und Schreibgriffel erfunden hat. Wachstum, Wachstum, Wachstum.

Neujahrsansprache als Ersatzdroge

Wie auch immer: Heute ist erstmal Silvester. Was fehlt, ist eigentlich nur eine zünftige Neujahrsansprache per Videobotschaft unseres Bürgermeisters. Solche Ansprachen haben es ja in der Regel in sich. Zumindest auf Bundesebene sind sie stark betäubend, schmerzstillend und schlaffördernd. Also eigentlich rezeptpflichtig, was insofern gut ist, wenn man einen hörigen Medizinmann in seinem Dunstkreis weiß.

Immerhin warnt die Uni-Klinik Leipzig schon: „„Die Neujahrsansprache ist kein harmloser, billiger Kick! Es gibt schließlich genügend weniger starke Alternativen wie etwa Marihuana.“

Aber was sollte es sagen, unser Stadtoberhaupt? Dass die Pro-Kopf-Verschuldung in Markranstädt gesunken ist? Toll, darüber freuen wir uns. Wirklich! Blöd nur, dass da nicht alle mitmachen, die uns in die Taschen greifen. Beim Freistaat steht jeder Markranstädter mit über 2.000 Euro in der Kreide und beim Bund gar mit fast 26.000 Euro. Da fallen die knapp sechs Hunderter bei der Stadt kaum ins Gewicht.

Hunger ist nur ein statistischer Wert

Eigentlich fällt das gar nicht ins Gewicht, denn die Mathematik der Finanzhaie ist sowieso recht fragwürdig. Wenn wir uns beispielsweise als Vorsatz fürs neue Jahr vornehmen, dass jeder Bundesbürger 28.000 (in Worten: achtundzwanzigtausend) Euro zur Bank bringt, hätten die allen Grund zu feiern, weil dann erstmals in der Geschichte Deutschlands nichts mehr da ist. Die schwarze Null sozusagen. Es ist der feine Unterschied, ob man weniger als kein Brot zu essen hat oder gar keins.

Russen bezahlen unsere Maut

Bei so viel verkorkster Wissenschaft möchte man dann doch besser auf Neujahrsansprachen verzichten und lieber mit Böllern werfen. Oder den Abend bei einem Glas Buttermilch ausklingen lassen und das Knaller-Geld lieber für die Maut aufheben. Obwohl … wenn die Kriegstreiber bei der NATO so weitermachen, rollen bald russische Militärkonvois über unsere Autobahnen. Da wären wir dann plötzlich von einem auf den anderen Tag entschuldet. Wenn das keine guten Aussichten sind?

Gesundes Neues und so …

Irgendwas wird es schon bringen, das neue Jahr. Genießen wir also die letzten Stunden im Alten und schauen nicht, was auf uns zukommt. Einen guten Rutsch allen Markranstädterinnen und Markranstädtern und … wie würde Freddy Frinton sagen? „I’ll do my very best, Miss Sophie.“

 

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