Weine ruhig, wenn der Regen fällt – tam – tam…

Die Stadt Markranstädt trägt bekanntlich so einige hochkarätige Prädikate auf der Fahne vor sich her. Beinamen wie Sportstadt am See oder Energiesparstadt verleihen dem tristen Ortsnamen die begehrte Würde. Neuerlich sind sogar Bemühungen zu erkennen, einen weiteren Titel zu erkämpfen. Regensickerwassersparstadt steht jetzt scheinbar im Focus der Bemühungen. Da treiben nicht nur die Gerüchte, sondern auch die Straßeneinläufe mitunter seltsame Blüten.

Hintergrund der Zielstellung ist es offensichtlich, Kosten für die Regenwassereinleitung ins öffentliche Abwassersystem zu sparen und so das Haushaltbudget etwas aufzubessern. Ein Teil des eingesparten Kapitals wird heute schon für das aufwändige Begrünen der Straßeneinläufe verwendet.

Wie gar zu oft, ist aber auch diese Idee wieder mal viel zu kurz gedacht. In einer weiteren Etappe könnte man beispielsweise dazu übergehen, Jahrgangs-Begrünungen für Straßeneinläufe einzuführen. Die ohnehin knapp bemessenen Flächen für urbane Aufforstung könnten damit deutlich entlastet werden. Eine Win-Win-Situation für Volk und Raum sozusagen.

Liebevoll bepflanzter Straßeneinlauf in der grünen Umweltstadt am See.

Geht man nach einem Regenguss mit unverwässertem Blick durch die Straßen Markranstädts, kann man hier und da allerdings schon heute einige interessante Pilotprojekte für die Umnutzung von Regenwasser finden. Pfützen stehen aller Orten dort, wo eigentlich keine sein sollten. Und der an Markranstädt nicht vorübergehende Klimawandel bringt auch immer mehr nassen Nachschub auf die Straßen.

Ein ambitionierter MN-Reporter hat in den letzten Tagen mal eine kleine Auswahl an innovativen Lösungen zusammengestellt, mit der sich die Stadt am See diese Folgen des Klimawandels nutzbar macht. Entstanden ist eine wahrhaftige Hommage an Erfindergeist, Ingenieurskunst und planerische Weitsicht, die unsere Brüste aus Stolz über unsere Stadt auf mindestens Doppel-D anschwellen lässt. Hier also das Exposé.

Neue Straße / Lausener Straße

Ohne großen baulichen Aufwand wurde mit Hilfe der früher am Hotel vorfahrenden Reisebusse eine Senke in das neben der Straße liegende Grundstück gefahren. So entstand ein natürliches Rückhaltebecken, welches nicht nur das Regenwasser aufnimmt, sondern gleichzeitig dessen Ableitung in die Straßenentwässerung verhindert.

Rückhaltebecken Neue Straße

Dabei wurden auch interessante Synergie-Effekte erzielt. So ist ein Versanden des Vorfluters nicht zu erwarten, weil die nun an der Gemeinschaftsunterkunft haltenden Busse dafür sorgen, dass die naturnahe Senke regelmäßig tief genug eingefahren wird.

Und wenn sich die ersten Ringelnattern am entstandenen Biotop angesiedelt haben, wird diese Form der Regenwasserrückhaltung wohl auch dauerhaft Bestand haben. Ein wahrhaft epochales Beispiel für Nachhaltigkeit. Schon werden in enger Kooperation mit der Technischen Universität Bergakademie Freiberg Sicherungsmaßnahmen zur Standfestigkeit des bald entstehenden Steilufers erörtert, um Uferabbrüche wie am Concordiasee bei Nachterstedt zu vermeiden.

Feldstraße / Zwenkauer Straße

Ingenieurtechnisch ausgeklügelt: Rückhaltebecken Feldstraße.

Ein weiteres Regenrückhaltebecken wurde an der Einmündung der Feldstraße in die Zwenkauer Straße angelegt. Auch hier ist der Fortbestand gesichert. Bereits beim Neubau der Verkehrsachse haben die verantwortlichen Planer die Straßeneinmündung so effizient angelegt, dass rechts abbiegende Fahrzeuge auf jeden Fall über die Bordkante fahren müssen.

Sportcenter / Leipziger Straße

Beim Ausbau der Leipziger Straße ist sorgsam darauf geachtet worden, dass das Regenwasser nicht abfließen kann. Mit der zuständigen Straßenunterhaltungsbehörde wurde vereinbart, die Einläufe für das Regenwasser auf keinem Fall zu reinigen, so dass sich große, stauseeähnliche Pfützen bilden können. In der Gesamtheit aller Wasserflächen trägt das Ensemble schlussendlich den Charakter eines straßenverkehrlichen Naherholungsgebietes. Einmalig in Deutschland!

Standort Sportcenter: Wenn das Dach so dicht wäre wie der Abfluss, hätte man in der Sportstadt am See eine Sorge weniger.

Mehr noch. In Zusammenarbeit mit den Leipziger Verkehrsbetrieben wird dafür gesorgt, dass der angrenzende Garten mit dem zurückgehaltenen Regenwasser im Zehn-Minuten-Takt über den Gehweg hinweg bewässert wird. Aktuell prüft man in den handaufhaltenden Behörden, ob der Eigentümer des Gartens im Rahmen des Sächsischen Kommunalabgabegesetzes zur Zahlung von Gebühren für das Bereitstellen des Gießwassers durch die Stadt herangezogen werden kann.

Soziales Engagement: LVB hilft beim Bewässern privater Gärten.

Zwenkauer Straße / Teichweg

Vor knapp zwei Jahren wurde die Zwenkauer Straße im Zusammenhang mit der Sanierung des Abwassersystems aufwändig erneuert. Natürlich haben visionär denkende Ingenieure auch hier von Beginn der Arbeiten an sichergestellt, dass das Regenwasser nicht in eben dieses Abwassersystem gelangen kann.

So wurde das Pflaster am Fahrbahnrand gleich mal fünf Zentimeter tiefer gelegt als die vorherige Fahrbahn. Bionik nennt man diese wissenschaftliche Disziplin, in der man sich an den Beispielen aus der Natur bedient. Ähnlich der Kulkwitzer Vernässungsflächen, kann sich hier das Regenwasser nun am Fahrbahnrand sammeln.

Zwenkauer Straße tiefer gelegt und Fahrbahnrand damit dauerhaft ausgetrocknet. So einfach geht das!

Selbstredend wurde das Pflaster so lose verlegt, dass hier eine astreine Versickerungsfläche entstand. Die losen Fugen sind bis zu zwei Zentimeter breit und schon kann kein Regenwasser in den Straßeneinlauf gelangen. Demzufolge entstehen für dessen Ableitung auch keine Gebühren.

Zwischenzeitlich hatte sich die Initiative „Abwasser gehört in die Gosse“ gegründet und mit geradezu brachialen Mitteln versucht, das durchlässige Pflaster in der Senke mit einem Beton-Überzug zu versiegeln. Die Aktion war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Betonkrebs, saurer Regen, Kies aus Sachsen-Anhalt – warum auch immer: Alle Fugen sind wieder durchlässig und das Regenwasser kann zukunftsweisend versickern.

Gescheiterter Versuch, das durchlässige Pflaster zu versiegeln.

Nun sind die Fugen wieder zwei Zentimeter breit und das Wasser kann ungehindert in den Erdboden eindringen.

Ganzheitliches Gesamtkonzept

Im Ansinnen, ein nachhaltiges Verkehrskonzept mit dem Ziel der Verbannung des Schwerlastverkehrs aus der Stadt auszusitzen, tun sich wegen des Einsparens von Kosten für die Regenwassereinleitung allerdings riesige Konflikte auf. Gerade jener Schwerlastverkehr sorgt für solche eindrucksvolle Spurrinnen auf den Durchgangsstraßen, dass man bei deren Betrachtung fast schon an Tiefbaumaßnahmen denken möchte.

Das darin gespeicherte Regenwasser hat keine Chance, in die Einläufe zu gelangen. Und dann kommen eben diese LKW und spritzen die mühsam gesammelten Naturressourcen einfach an die Häuserfassaden. Dort werden sie vom Mauerwerk aufgesogen oder versickern langsam in den auf dem Gehweg entstandenen Pfützen.

Tiefbaumaßnahmen durch Schwerlastverkehr. Die sich durch Markranstädt ziehenden Gräben sollten bekanntlich schon längst zugeschüttet werden. Jetzt lässt man sie mit Wasser volllaufen. Im Neuseenland hat’s schließlich auch geklappt.

Nicht zu vernachlässigen ist auch das Regenwasser, welches von der Bekleidung einiger Fußgänger aufgesogen wird. Besorgte Mütter sollen schon darüber nachgedacht haben, ihre Kinderwagen mit Schwimmwesten auszustatten und bei Rossmann will man den Hype ausnutzen, indem saugfähige Inkontinenzprodukte für den ganzen Körper, wie der Full-Body von Tena, Pampers Overall-Adult für Erwachsene oder die Always-Burkas Lady complete ins Sortiment aufgenommen werden.

Ganz neu ist die Idee des Aufhaltens von Regenwasser allerdings nicht. Schon vor fast 20 Jahren wurde der Gehweg in der Zwenkauer Straße runde 15 Zentimeter tiefer als die Regenentwässerung gelegt. Und es funktioniert! Nach einem Regenschauer haben die Anrainer einen eigenen Pool vorm Haus. Kostenlos. Da sage noch jemand, das Merkmal Wohnen mit Seeblick wäre bei uns ein Verkaufstrick findiger Immobilien-Haie.

Wohnen mit Seeblick. Der Pool vor der Tür ist kostenlos. Mal sehen, wie lange noch. Demnächst gibt’s hier bestimmt einen Bescheid über die Erhebung von Kurtaxe.

Optimistisches Fazit

Natürlich ist es schwer zu bemessen, wie hoch der Einsparungseffekt aller Maßnahmen ist. Es kann aber schon als Erfolg betrachtet werden, dass für die Unterhaltung und Reinigung der Straßeneinläufe kein Geld ausgegeben wird. Bleibt nur zu hoffen, dass die Stadtverwaltung die eingesparten Mittel nützlich einsetzt. Vorschläge dazu gibt’s zwar grade mal keine, aber vielleicht fällt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, was ein?

Die schlechteste Idee wäre allerdings, mit dem eingesparten Geld die Reinigung der Straßeneinläufe zu bezahlen. Da würde sich die Katze irgendwie in den Schwanz beißen. Aber möglicherweise könnte man das nicht in den Schleusen landende Regenwasser mittels einer Umpumpstation nach Seebenisch befördern? Platz steht ja dort gerade ausreichend zur Verfügung.

 

2 Kommentare

    • jabadu auf 24. Oktober 2017 bei 0:00
    • Antworten

    Da war es wohl doch nicht so gewollt, dass die Regenrinnen in der Zwenkauer Straße so klapprig gepflastert wurden. Wahrscheinlich wurde vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr die billigste Variante gewählt, die Bundesstraße damals wieder verkehrstüchtig zu machen. Naheliegend ist die Vergabe der Pflasterarbeiten an einen Baumarkt, der mit dem Slogan „Selbst ist der Mann“, Kleingärtnern das Üben des Pflasterns von Gartenwegen ermöglichte.
    Wie ist es sonst zu erklären, dass zwei Jahre nach Fertigstellung der Straße die Regenrinnen fast einen Meter tief ausgebuddelt und neu hergestellt werden. Und wenn wir (die Steuerzahler) Pech haben, ist die Gewährleistung vorbei und wir zahlen alles. Die Übungsaktion des Baumarktes und die nun hoffentlich ordentliche Ausführung der Straßenbaumaßnahme.

    • _PFFT_ auf 18. August 2017 bei 16:08
    • Antworten

    Traumhaft.
    Da bekommt der Modespruch „Läuft bei Dir?“ eine völlig neu Bedeutung.

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