Boandlkramers Lieblings-Hit in Schkeitbar

Früher war’s mal so: Wollten Dorfbewohner am Abend ins Konzert gehen, war der ganze Tag gelaufen. Allein die Auswahl der richtigen Schuhe für die Gattin nahm mitunter den ganzen Nachmittag in Anspruch. Aber die Zeiten ändern sich. Noch kommen die großen Klangkörper nicht zum Publikum nach Hause, aber zumindest schon mal ins Dorf. So wie am kommenden Sonntag in Räpitz.

Aber blicken wir erst noch einmal zurück, um die wahre Bedeutung dieses musikalischen Ohrenschmauses deutlich zu machen. Wie war es früher, wenn man zwei Karten fürs Symphoniekonzert ergattert hatte?

Am Vormittag stand der Friseurtermin für die Frau auf dem Plan. Nach dem Essen dann das Aussuchen der Klamotten. Für manche die Qual der Wahl, andere haben für sowas ihren Hochzeitsanzug konserviert. Dann duschen und in den feinen Zwirn schlüpfen. Zuvor aber noch der Frau bei der Auswahl der richtigen Schuhe helfen. Bei der Frage nach „Die oder die?“ reicht ein Fingerzeig selbstredend nicht aus. Eine stichhaltige Begründung muss her, die dann ebenfalls begründet werden muss. Am Ende entscheidet sie sich sowieso für jenes Paar, das der Gatte nicht wollte.

Zwei Stunden später musste sie ihm im Gegenzug den Schlips binden. Weil die Sache mit den Schuhen noch durch ihr Hirn polterte, übte sie sich beim verlockenden Festziehen des doppelten Windsor-Knotens sehr in Zurückhaltung. Anschließend wurde der gute Wagen aus der Garage geholt und ab gings – mit Zwischenstopp an der Sparkasse – nach Leipzig. Über den Rückweg lassen wir den Mantel des Schweigens fallen.

Mozart in Schkeitbar

Alles Geschichte. Heute funktioniert das andersrum und das hat Vorteile, die wir noch gar nicht ahnen. Am Sonntag kommen der Kammerchor Böhlen und das Leipziger Symphonieorchester nach Räpitz. Mozart steht auf dem Plan, als Konzerthalle dient die Schkeitbarer Kirche.

Das heißt erst mal: Nix mit langem Weg nach Leipzig und zurück. Man kann vorher noch in Ruhe die Hühner füttern und die Schweine ausmisten, wer mit Tierhaltung nichts am Hut hat, kann zumindest schon mal mit der Herbstfurche beginnen.

Ein bisschen was zu wählen hat man trotzdem, allerdings nicht mit dem feinen Zwirn. Es ist ja auch Bundestagswahl und so viel Anstand hat sogar der deutsche Michel, dass er nicht in Gummistiefeln vor der Urne aufschlägt.

Die Qual der Wahl ist somit ins Wahllokal verlagert. Aber wo man schon mal im guten Anzug steckt, kann man danach auch gleich ins Konzert gehen. Eine Win-Win-Situation wie aus dem Lehrbuch. Und als wüssten sie schon heute, wie die Wahl ausgeht, haben die Veranstalter ausgerechnet Mozarts Requiem ausgesucht.

Eine Seelenmesse am Wahlsonntag? Na sicher doch! Angesichts der drei zur Wahl stehenden Figuren kann man damit nichts falsch machen. Ein musikalischer Abschiedsgruß an Angie und zugleich ein in Noten gefasstes Omen für jenen, der sich nach ihr ins Amt gemerkelt hat. Es wird ein großer Abend in Schkeitbar.

Alle Infos gibts beim Klick auf das Plakat.

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Allein das Stück selbst hat schon alles, was sich Querdenker und Verschwörungstheoretiker nur wünschen können. Mozarts letztes Werk, eine Totenmesse vor seinem eigenen Tod.

Hat er was gewusst, was wir nicht wissen? Wenn ja, dann hat er trotzdem zu spät angefangen. Nach etwa zwei Dritteln des Werkes hat der Boandlkramer an Mozarts Tür geklopft. „Wir müssen, Wolfi…“

Zu Ende geschrieben haben es dann zwei seiner Schüler. Auch hier ein nahezu seherisches Gleichnis zum aktuellen Wahlsonntag, an dem wir entscheiden sollen, wer Angies Vermächtnis ausbaden soll.

Und es wird dann genauso weitergehen wie mit Mozarts Requiem. Streit liegt in der Luft, ob die „Wir schaffen das“-Weissagung tatsächlich in ihrem Sinne fortgeschrieben wurde.

Zeitloser Klassiker

Und wer jetzt glaubt, dass Mozart nur was für die vom demografischen Wandel gezeichneten Teilnehmer unserer Gesellschaft ist, der outet sich als Unwissender. Selbst die ewig daddelnde Gamer-Generation hat schon Bekanntschaft mit dem Werk gemacht. Im Videospiel „Onimusha 3: Demon Siege“ läuft das Requiem die ganze Zeit im Hintergrund rauf und runter und selbst Spielfilme wie „Command & Conquer 2“ kommen nicht ohne Mozarts letzte Noten aus.

Das alles gibt’s am Sonntag ab 16 Uhr in der Schkeitbarer Kirche live zu erleben. Einer der wenigen Höhepunkte klassischer Musik, der den Schritt aus der Kirche in die großen Konzertsäle geschafft hat und nun wieder dahin zurückkehrt.

Übrigens genau 35 Jahre nachdem Falco dem Komponisten ein Denkmal moderner Pop-Musik gesetzt hatte: Er war Superstar, er war so populär, er war zu exaltiert, genau das war sein Flair. Er war ein Virtuose, war ’n Rockidol und alles ruft noch heute: „Come and rock me Amadeus“.


Karten zum Preis von 15 Euro sind im Pfarramt Kitzen, Brunnengasse 1(Tel. 034203 54841), im Töpferhof Ulrike Rost in Schkölen, Hunnenstraße 26 (Tel. 034444 22913) sowie an der Tageskasse erhältlich. Für Kinder bis 16 Jahre ist der Eintritt in Begleitung eines Erwachsenen frei.

 

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