Er steht! Oder besser: Sie steht. Denn obwohl er einen Mords-Ständer hat und 15 Meter kerzengerade in den Himmel ragt, ist der diesjährige Markranstädter Tannenbaum eine Fichte und damit weiblich. Das mussten auch die Holzschaffenden feststellen, die unter dem Rock des hermaphroditen Gehölzes ordentlich ins Schwitzen kamen. Aber das ist längst nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal des marktübergreifenden Nadelgrüns mit postreligiösem Kulturhintergrund.

Glaubt man den Expertisen des Staatsbetriebes Sachsenforst, ist die Fichte wegen des Klimawandels in unseren Breiten bereits nahezu ausgestorben. Zumindest in freier Wildbahn.
Da ist der Umstand, dass der Christbaum für den Marktplatz traditionell aus Privatbeständen rekrutiert wird, eine geradezu glückliche Fügung. Der diesjährige Markranstädter Weihnachtsbaum stammt aus dem Garten einer Kulkwitzer Fußball-Ikone, der die Fichte 1984 gepflanzt hat.

Und weil es sich eben um eben eine Fichte handelt, ist es damit sozusagen eines der letzten floralen Fossile seiner Art. Allein deshalb könnten sich in den kommenden Wochen ganze Heerscharen schaulustiger Lallendorfer hin zum Marktplatz bewegen, um ihren Kindern noch einmal auf Pflastersteinen zu zeigen, was es im heimischen Waldboden schon nicht mehr gibt: die Fichte.
Das Aufstellen auf dem Marktplatz erwies sich indes als gar nicht so einfach. Der Prügel war einfach zu dick für das kleine Loch im Boden. Wie sagte Goethe schon: „Die Axt im Haus erspart den Zimmermann“.

Eine ordentliche Portion Gleitgel, getreu dem Motto „Der Erotikmarkt in der Stadt erspart die Kettensäge“, hätte da wirklich nichts genützt. Also wurde der Stumpf so lange angespitzt, bis er ungespitzt in den Boden passte.
Und wie sie jetzt so da steht, die prachtvolle Fichte, wird noch eine weitere Besonderheit offenbar. Ihre Krone hat eine Beigeordnete! Nach zehn Jahren thront über Markranstädt wieder eine Doppelspitze. Wenn das kein Omen ist.
Nun denn: Ihr Kinderlein kommet. Ab 1. Dezember brennt in Markranstädt der Baum und schon zwei Tage danach gibt’s drumherum den inzwischen 14. Weihnachtsmarkt.
11 Kommentare
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Der Text ist mal wieder köstlich! 🙂
Weiter so!
Danke. Endlich mal jemand, der sich unserem Fotografen die Wahrheit zu sagen wagt. 😉
Eine Doppelspitze mit ordentlichem Behang. Ob die Zapfen die Stadtmitarbeiter oder den Stadtrat darstellen? So richtig standhaft sind sie auf jeden Fall nicht. Weiter unten kann Mann/Frau Zapfen noch unbekümmert überall hängen, während man sich oben für eine Spitze entscheiden muss. Die Unschlüssigkeit welche Spitze eventl. noch abkommt, scheint auch diesmal wieder keiner getroffen zu haben und bleibt damit weiterhin ungeklärt…
„Die Axt im Haus erspart den Zimmermann“ hat Friedrich Schiller im ersten Akt Wilhelm Tell, geprägt, nur der Korrektheit halber!
Googeln Sie lieber noch mal. Schiller war der mit den Bildern, Sixtinische Madonna und so.
Die Fichte, der Tannenbaum, das Jahresendlichterträgermodul!
Alles Queer oder was?
Ich mache mir mehr Sorgen um die Doppelspitze. Wie heißt es doch schon in alten Schriften „ Du sollst keine anderen Götter neben Nadel huldigen!“
Aber die Stadtbediensteten haben sicher schon den Auftrag den unliebsamen quertreiber
beim Anputzen des Baumes gleich mit zu liquidieren! Wetten dass!
Allen ein schönes Wochenende
Keine Angst: So wie es der Naddelbaum macht, funktioniert das schon. Wie man an der Reaktion der Stadträre in den Sitzungen und denen der Leser anhand ihrer Kommentarlosigkeit erkennt, sind alle sehr zufrieden.
3 Daumen für den flotten Text u. Danke für die Information an die Feuerwehr. Damit sollte sichergestellt sein, dass sie pünktlich zum Löschen bereitsteht, wenn das edle Gehölz dann brennt. Aber vielleich ist ja auch vorbeugen besser als heulen u. sie erwischen den Anzünder ehe er sein schändliches Werk beginnt u. Markranstädt in Flammen bleibt uns erspart.
Bevor jetzt jemand die Feuerwehr ruft: Mit der Aussage „Der Baum brennt“ verhält es sich ähnlich wie mit der Unterstellung, dass einer Frau „der Bär brummt“. Da holt man ja auch nicht gleich den Jäger.
Welch beigeordnete MN-Blickschärfe die schreibende Zunft doch hat— Respekt! „…Stehender beschnittene(r) Ständer(in) mit beigeordnetem Prügel mit ohne Gleitgel…“, einfach köstlich.
Ja nun – in einem Zeitalter, da sogar der Sandmann den Sack an der Seite trägt und Schnatterinchen sicher auch bald zum Erpel gegendert wird, muss man ja darauf hinweisen.