Gefahren im Schatten der Pandemie

Wenn schon nicht in aller Blutbahn, ist Corona zumindest in aller Munde. Die Bedrohung ist bedrohlich, lenkt sie uns doch von allerlei Gefahren ab, die sonst noch so auf uns lauern. Neben Messer, Schere, Gabel und Licht gibt es noch tausend andere Fallen im Hausstand, die uns nach Leben und Gesundheit trachten. Pici Formes hat sich mal eine davon herausgegriffen. Unfreiwillig!

Ich bin mit meiner Hündin spazieren gegangen und dabei auf dem Haufen eines anderen Hundes so dumm ausgerutscht, dass mein Wadenbein brach. Hörbar, was die Diagnose selbst für eine Laiin wie mich eindeutig machte.

Leider landete ich zudem mitten in Brennesseln und die Hündin war mir auch keine große Hilfe. Das Tier entdeckte direkt hinter seinem verunfallten Frauchen ein Mauseloch. Nett, dass das fürsorgliche Haustier für Proviant sorgt, dachte ich so, als es auch noch zu regnen begann, während ich neben der Bundesstraße auf die SMH wartete.

Speed auf Rezept

In Brennesseln liegend, nass geregnet und mit immer dicker werdendem Knöchel, kann einem nur ein Malteserteam der Schkeuditzer Heliosklinik wieder zum Grinsen verhelfen. Ein irres Zeug, das die einem da in die Venen spritzen. Man könnte glatt süchtig nach Wadenbeinbrüchen werden.

Die Versorgung war so klasse, dass ich, dienstagmittags verunfallt, drei Stunden später operiert, sechs Stunden später wieder wach und drei Tage später zu Hause war. Hinkend, versteht sich, mit diversen Hilfsmitteln versehen, die als „Unterarmstützen“ bezeichnet werden.

Mit Dope vom Doktor in der Blutbahn hat man gut lachen.

Mit Dope vom Doktor in der Blutbahn hat man gut lachen.

Und dann erst wird es natürlich spannend, denn zu Hause – man ahnt es – ist es kreuzgefährlich.

Beim Betreten des Balkons geschah der nächste Fehltritt. Von langer Hand geplant freilich, denn hinter der Idee, quer über den Balkonzutritt eine Rollschiene für die Tür zu verlegen, kann nur die Pharmaindustrie stecken.

Wie 1000 Corona- Spritzen

Trotz Unterarmstützen entschied ich mich noch im Moment des Fallens, bloß nicht auf den nur mit 20 kg belastbaren operierten rechten Fuß zu stürzen. Die Zeit des Fallens, laut Tafelwerk 9,81 Meter pro Sekunde, vergeht allerdings zu schnell, um unterwegs Alternativen abzuwägen. Wahrscheinlich hätte ich mich sowieso für eine Variante entschieden, die naturwissenschaftlich gar nicht möglich ist.

Wo die fehlenden Stacheln dieses Bio-Womanizers stecken, kann man nur raten.

Wo die fehlenden Stacheln dieses Bio-Womanizers stecken, kann man unschwer erraten. Auf alle Fälle war das Event nachhaltig.

Die Physik zwang mich gerade noch zu einem beschleunigenden Schritt, der mich – den Kopf voran – geradezu mitten in die auf unserem Balkon liebevoll gesammelte Botanik meines Mannes hechten ließ. Ich liebe meinen Mann. Er hingegen liebt nicht nur mich, sondern auch Kakteen.

Das bekomme ich in den folgenden Stunden unter körperlichen Schmerzen zu spüren, als er jeden einzelnen Stachel, den er mit vorwurfsvollem Blick aus meinem Leib zieht, dem jeweiligen Kaktus zuordnet und ihm mit entschuldigenden Worten Trost für den Verlust zuspricht.

Wem schon mal wenigstens ein Dorn eines Stetsonia coryne aus dem Bauchnabel gezogen wurde, der weiß einen Wadenbeinbruch zu schätzen. Oder eine Wurzelbehandlung per Darmspiegelung. Nur so viel noch: Sein Lieblingsexemplar, ein klavertes Monster mit der Bezeichnung Schwiegermutterstuhl, hat meine Bauchlandung auf ihm besser überstanden als ich.

Es ist übrigens auch bei einem Sturz in Kakteen ein völlig natürlicher Instinkt, dass man sich mit den Händen schützen und den Fall mit den Armen abfedern will. Da kannst du echt nichts dagegen machen. Da ist es ganz blöd, wenn man seine perforierten Extremitäten anschließend in Unterarmstützen zwängen muss, um sich mit einem gebrochenen Bein fortbewegen zu können.

Kurzum: Mit gebrochenem Bein habe ich jetzt eh viel Zeit. Also sitze ich auf einem Rollhocker, während die letzten Stacheln aus mir herauseitern und die Hündin sich derweil zum Assistenzhund weiterbildet. Sie kann jetzt schon meine Socken von Spielzeug unterscheiden, bringt mir aber immer noch Highheels, wenn ich um Sneaker bitte. Doch das sind verzeihliche Fehler. Nur der Stylist findet es komisch, wenn ein Mensch einseitig eine Socke trägt und am anderen Fuß einen Mörderabsatz hat.

Wahrscheinlich sollte ich lieber zur Arbeit gehen, wie alle anderen Menschen, die lieber in Sicherheit leben. Einen homeofficetauglichen Beruf habe ich zwar nicht, aber vielleicht ist das ja auch besser so. Auf Arbeit gibt es keine Kakteen und keine Hundehaufen, dafür jedoch Rollhocker. Man kann sich zwar bei Kollegen mit Viren anstecken, aber ehrlich, was soll denn daran gefährlich sein?

 

 

14 Kommentare

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  1. Gute Besserung 😉
    Und wenn alles verheilt ist gibt es ein wenig Physik-Nachhilfe; sind ja 9,81 m/s²; dem zu Folge weder eine Zeit, noch eine Geschwindigkeit 😛

    1. … und höhere Mathematik ist, wenn man morgens die Wurzel aus einer Unbekannten zieht.

    • EddiKonstantin auf 9. Juni 2021 bei 11:14
    • Antworten

    Köstlich mitgeteilt , dieser furchtbare Schaden an Fuß, Leib und Leben. Erfrischend anders, als bloß immer satirisch meckern und schlaumeiern!

    1. Was soll der Unterton? Satirisch meckern … das geht doch gar nicht.

  2. Ich habe herzlich gelacht und wünsche gute Besserung

    1. Ziel erreicht! Das wahre Leben schreibt die besten Geschichten.

  3. Auweil u. herzliches Beileid! Hatte auch schon mal ’nen Schwiegermutterstuhl-Kaktusstachel in mir. Eingestochen von vorn, direkt unter den parallel verlaufenden Daumennagel bis ins Nagelbett, dann ging es zum Glück nicht weiter u. was nicht mehr weiter hinein passte, war als Griff zum Herausziehen sehr praktisch. Man liebt dann die wohltuende Stille, wenn die Englein nicht mehr singen.

    1. Beileid erst, wenn sie’s überstanden hat. Aktuell reicht Mitleid.

  4. Gute Besserung und immer schön negaiv bleiben

    1. Wenn Sie wüssten, wo sie gerade ihre Reha verbringt…

    • Tilo Lehmann auf 9. Juni 2021 bei 9:01
    • Antworten

    Na da bekommt der Name „Pici“ (Aua:::) und „Formes“ (Klumpfußbein) doch eine ganz andere Bedeutung. Gute mögl. schmerz- und rückstandfreie Genesung!

    1. Sie hat jetzt sozusagen tausend Spritzen bekommen und ist bis ans Lebensende immun.

  5. Kompliment an Pici Formes! Mit soviel Pech sich noch selbst auf die Schippe zu nehmen … alle Achtung.
    Woher stammt nur der Reiz in uns, sich über das Missgeschick von anderen köstlich zu amüsieren. Ich gestehe, ich habe herzhaft gelacht, wünsche aber trotzdem aufrichtig gute Besserung!

    1. Warum lachen wir, wenn Mr. Bean in der Kirche eine halbe Stunde lang versucht, ein Bonbon auszuwickeln? Antwort: In Wahrheit lachen wir über uns selber.

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