Markranstädt am Wahltag ganz schön blau

Warum es so kam, wie es gekommen ist, müssen wir später mal intensiver ausleuchten. Dann jedoch wahrscheinlich eher unter der Fragestellung, warum es so kam, wie es kommen musste. Die Wahl ist jedenfalls vorbei, die Demographen sind wieder etwas schlauer und Markranstädt hat ungefähr so gewählt wie der Rest der Sachsen..

Zuerst einmal zu den nackten Emotionen hinter den Zahlen. Auf ihr demokratisch verbrieftes Recht, nicht wählen zu müssen, haben wieder einmal mehr als die Hälfte der Markranstädter verzichtet. Und das trotz der reichhaltigen Auswahl unter lauter Trostpreisen.

Der zweite nüchterne Fakt: Markranstädt hat einen Abgeordneten im Bundestag. Da kann man nur hoffen, dass er für seinen Wahlkreis besser erreichbar ist als seine Stadtratsfraktion, die als einzige sogar ohne Briefkasten am Rathaus auskommt.

Gemessen an den eigenen Erwartungen müsste sich Favorit Breitenbruch (CDU) heute erst mal eine Portion Valium-Tabletten einwerfen. Normalerweise. Aber weil er die schon alle bei seinem Wahlkampf verbraucht hat, muss er jetzt mit seinem breiten Bruch völlig clean klarkommen.

Rollkur mit Haumichblau

Die Lücke zum AfD-Kontrahenten war schon nach der Auszählung der ersten Wahllokale nicht mehr schließbar.

Offenbar waren die Themen, die sich die Mehrzahl der Kandidaten für uns Wähler ausgesucht haben, nicht die Themen, die wir Wähler uns ausgesucht hätten. Mangels Antwort auf die Fragen der Wähler haben die Wähler nun selbst geantwortet. Passt schon.

 

Interessant ist der Blick auf die einstigen Volksparteien. Bei der letzten Bundestagswahl hatte die SPD noch einen Rückstand von mehr als sechs Prozent auf die CDU. Obwohl sie nur rund fünf Prozent zugelegt haben, sind die Sozial- jetzt an den Christdemokraten trotzdem vorbeigezogen. Was man aus Zahlen so alles lesen kann…

Screenshot: www.markranstaedt.de

Screenshot: www.markranstaedt.de

Trotzdem muss man nicht alles kritiklos hinnehmen. Gründe für eine saftige Wahlanfechtungsklage gibt es auch in Markranstädt wieder reichlich. So haben die „Sonstigen“ mit über acht Prozent aus dem Stand die 5-Prozent-Hürde genommen, ohne mit dem Sack den Balken zu berühren. Und trotzdem ziehen sie nicht in den Bundestag ein. Ein Skandal ist das, jawollja!

Und dann wäre da noch der Zettel, den die Markranstädter zum Ausmalen ihres Mandalas im Wahllokal erhalten haben. Eigentlich ein unscheinbares Stück Papier.

 

Auf den ersten Blick waren die angetretenen Parteien alphabetisch geordnet. A wie AfD ganz oben. Allerdings kommt das F wie FDP lange vor dem S wie SPD und selbst das G wie Grüne käme noch weit vor dem S.

Die Reihenfolge lässt sich mit naturwissenschaftlichen Grundlagen nicht erklären. Vielleicht mit politischen?

Die Reihenfolge lässt sich mit naturwissenschaftlichen Grundlagen nicht erklären. Vielleicht mit politischen?

Also nach dem Alphabet kann’s bei der Reihenfolge nicht gegangen sein. Auch nicht nach den Ergebnissen der letzten Bundestagswahlen und gleich gar nicht nach den Mitgliederzahlen. Wer im blinden Vertrauen auf die führende Rolle der CDU seinen Kreis ganz oben ausgemalt hat, wird sich spätestens heute an einen Spruch erinnern, den er eigentlich aus dem Berufsleben kennt: Augen auf bei der Bundestagswahl!

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten für das Zustandekommen dieser suggestiven Entscheidungshilfe: Entweder hat man sich da bei der Landeswahlkommission auf eine Wunschliste für den Zieleinlauf geeinigt oder da durfte jemand am Glücksrad drehen. Wenn’s letzteres war, sollte er Lotto spielen, so lange seine Strähne noch hält.

 

4 Kommentare

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    • Zugezogen auf 27. September 2021 bei 8:45
    • Antworten

    Als ich meine Stimme abgeben wollte – kamen von links in deutlich mühsamen Tippelschritten lauter alte Leutchen mit Gehhilfen angeschlichen … ob man denen wirlich keine Kabine ins Pflegeheim stellen konnte oder ein Stück Kuchen zum sonntäglichen Nachmittagskaffee versprochen hatte, wenn sie ein Kreuzchen an bestimmter Stelle machten? Geholfen hats wohl dennoch nicht.

      • Georg Deimler auf 28. September 2021 bei 18:36
      • Antworten

      Ob nun Zugezogener oder Ureinwohner, einen intelligenteren Kommentar hat dieses Blatt schon verdient.
      Es ist doch wohl jedem Menschen freigestellt, unabhängig von Alter und Einschränkung, zu entscheiden persönlich an die Wahlurne zu treten.
      Meine Mutter, 91 Jahre, fahre ich immer am Wahltag und begleite sie, mit Rollator, bis zur Wahlurne.
      Das tue ich sehr gern. Trotz ihres Alters, weiss sie genau, wie der Stimmzettel zu falten ist.
      Übrigens, Kuchen gabs auch nach dem Wahlgang. Wo meine Mutter ihr Kreuz macht, mussten wir nicht erklären.
      Aber Vorsicht – Zugezogener!
      Hoffentlich brauchst Du zur nächsten Wahl keine Gehhilfe und achte darauf, dass Du nicht zu alt wirst.

      1. Na ja … ganz so gerontenfeindlich sind die Worte des Zugezogenen vielleicht nicht zu verstehen. Eher gut gemeint – ein Service, die Urne zum Wähler zu bringen (gabs schon mal). Aber der Seitenhieb mit dem Zettel falten ist Satire der Extra-Klasse! Wie geil wäre es gewesen, wenn Luschen-Laschet am Ende diese eine Stimme gefehlt hätte. 🙂 🙂 🙂

    1. Das ist noch ein ganz anderer Menschenschlag. Die können was ab, echt. Zu Fuß nach Stalingrad und zurück und im Winter haben sie sich an gefrorenen Russen gewärmt. Da sind die paar Meter zum Wahllokal ein lockeres Auslaufen.

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