Neues aus der vierten Etage (20)

Das physikalische Gesetz, wonach sich die Länge einer Stadtratssitzung umgekehrt proportional zur Kürze der Tagesordnung verhält, wurde am Donnerstag einmal mehr bestätigt. Und das sogar trotz einiger Umstände, die zu einer unerwarteten Schlankheitskur der Tagesordnung führten. Eigentlich war die Sitzung im KuK sowieso eher was für Fans von Rosamunde Pilcher. Gaaanz viel Wort gewordenes Gefühl zog da in Schwaden durch den Ratssaal.

Abgesehen von der Bürgermeisterin und der Ersten Beigeordneten war die Kommandobrücke im KuK mit neuen Gesichtern bestückt.

Nadine Hering besetzte den Stuhl der erkrankten Heike Helbig, Saskia Kunth durfte schon mal das Polster von Noch-Bauamtsleiter Sven Pleße warm sitzen und Jana Haetscher tat das Gleiche auf dem Stuhl von André Schwertner. Da scheint allerhand in Bewegung zu sein.

Das laute Schweigen

Gut möglich, dass es an der Abwesenheit exponierter Zielpersonen lag, weshalb schließlich auch der Unterhaltungswert der Bürgerfragestunde erheblich gelitten hat. Den beiden Dauerabonnenten dieses Tagesordnungspunktes hatte es jedenfalls scheinbar die Sprache verschlagen und so blieb es bei lediglich einer Bürgerfrage.

Die kam allerdings aus einem Lager, das sich mit der satirischen Darstellungsweise der Markranstädter Nachtschichten nur dann abfindet, wenn sie mit deren eigener Vorstellung von Satire in Einklang steht. Schenken wir uns also eine nähere Betrachtung und warten das offizielle Statement des betroffenen Vereins ab.

Zwischen Kraft und Werk

Eine offizielle Verlautbarung hätte sich das Publikum sicher auch in Bezug auf die Pläne zur Errichtung eines Biomasse-Kraftwerkes gewünscht. Zumal die Bürgermeisterin versprochen hatte, ihr Bürgertum in dieser Frage auf dem Laufenden zu halten.

Was der Chef der Leipziger Stadtwerke letzte Woche dazu zu sagen hatte und wie die Stadt Markranstädt dazu steht, war allerdings leider kein Thema im Stadtrat. Aber wozu auch? Die betreffende Ausschusssitzung war schließlich öffentlich und die Besucherzahlen haben eindeutig gezeigt, dass es in Lallendorf sowieso niemanden interessiert. Man bekommt, was man verdient.

Freunde vor Gericht

Interessant ist an diesem Vorgang bestenfalls die Tatsache, dass die Stadtwerke für dieses Projekt das Wohlwollen Markranstädts benötigen, im Gegenzug jedoch ein Verfahren wegen der Stromkonzessionen zelebrieren, das die Stadt bis heute 35.000 Euro gekostet hat.

Wohlgemerkt: Bei einem Streitwert von 32.000 Euro! Eine ABM für Advokaten statt Schaffung eines kraftwerkfreundlichen Abstimmungsumfeldes. Es wird trotzdem funktionieren – klingt komisch, ist aber so.

Ansonsten gingen die Beschlüsse am Donnerstag zügig durch, meist sogar einstimmig. Interessant gestaltete sich lediglich ein Antrag der CDU, der an Stimmenthaltungen aus den eigenen Reihen scheiterte. Aber es war ja dieser 7. Oktober nur Tag der Republik und nicht der Tag der Einheit.

Geld fürs Zocken

Nicht minder kurios gestaltete sich auch die Abstimmung über die Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrer. Obwohl das Geld dafür komplett aus Fördermitteln kommt und es die Stadt nichts kostet, mussten die Räte trotzdem ihre Hände heben, damit das fremde Geld bereitgestellt werden darf.

Ob speziell die Dorfschullehrer mit dieser Tür in die digitale Welt überhaupt was anfangen können, fragte demzufolge auch niemand. Mitunter soll’s ja dort statt W-LAN nur die abgespeckte Version W-Light [sprich: Wehleid] geben. Auch dass die Pädagogen nur die Hardware bekommen und sich die Spiele selber kaufen müssen, hat ihnen noch niemand gesagt. Wird spannend.

Personaldebatte

Vor Ultimo kam es dann noch zur ersten Lesung des Doppelhaushalts 2022 / 2023. Um es kurz zu machen: Was das Schicksal bei diesem Punkt offenbarte, ging einem so richtig ans Herz. Man musste nicht über seherische Fähigkeiten verfügen, um hier schon die frisch gewetzten Messer auf dem Ratstisch spüren zu können. Im Fokus der Kritiken standen die Personalplanungen.

Nachdem die Bürgermeisterin bereits die Ausschreibung der Stelle eines persönlichen Referenten zurückgezogen hatte, wollen ihr einige Ratspersonen vor dem Hintergrund der finanziellen Lage nun nicht mal eine Büroleiterin gönnen.

Aber im Moment der größten Not sprang der First Lady das Schicksal bei. Denn wenn Du denkst, es geht nichts mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.

Noch bevor die ersten Kritiker für ihre Ausführungen überhaupt Luft holen konnten, nahm Tommy Penk (Grüne) ihnen den Wind aus den Segeln. Einem Wunder gleich, stellte Penk genau die Fragen, die Nadine Stitterich offenbar schon immer gern mal beantworten wollte. Und das Schicksal wollte es zudem, dass sie die Stichpunkte zur Beantwortung der Fragen auch zufällig zur Hand hatte. Wenn das kein Omen ist.

Wir lernen: Man muss nicht immer schon im Vorfeld alles haargenau besprechen und strategisch durchdenken, auch noch Mehrheiten organisieren und Argumente erfinden. In ehrlichen Fällen reicht auch mal ein wenig Gottvertrauen auf glückliche Fügungen des Schicksals. So wie in diesem Fall.

Fügung des Schicksals

Okay, die Sorge um Überstunden des Rathauspersonals greift jetzt nicht unbedingt in den ursächlichen Handlungsauftrag eines Stadtrates hinein, aber wer will Penk schon für so viel soziale Empathie rügen? Im Gegenteil: Da weitet sich einem das Herz zu einem saftigen Steak.

Penks Fraktionschef Frank Meißner (SPD), offenbar überrascht von der Entwicklung auf dem Platz hinter seinem Rücken, wollte trotzdem mehr wissen und fragte die Bürgermeisterin, wem gegenüber der Büroleiter denn weisungsberechtigt sein solle. Noch unter der durch Penks Fragen angefachten Euphorie stehend, schoss es aus Stitterich: „Natürlich mir gegenüber!“

Gut – das war aus der Beschlussvorlage jetzt so explizit nicht herauszulesen und stellte die Situation plötzlich in einem derart neuen Lichte dar, dass nicht nur die Kritiker, sondern auch so manche Befürworter (meist hinter einem seltsam schelmischen Grinsen) schlagartig verstummten.

Der Büroleiter ist also nicht Befehlsempfänger, sondern Befehlsgeber. Wer mit so viel Autorität ausgestattet wird, dass er sogar die Bürgermeisterin zum Kaffeekochen vergattern kann, muss natürlich entsprechend entlohnt werden. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren. Hat echt mal wieder Spaß gemacht im KuK.

5 Kommentare

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  1. Ich bewerbe mich als BÜROLEITERIN. Falls akzeptiert, dann Lallendorf oho, Schach matt und auf zur nächsten Großen Raupe.

    • Bürger auf 9. Oktober 2021 bei 7:53
    • Antworten

    Zur Bürgerfragestunde
    Schön, das es sie gibt, aber man kann nicht mit einer Antwort rechnen. Manche Frager warten seit Jahren auf eine Anrwort, mit Antwort ist aber nicht die bloße Aneiandereiung von Worten und deren Hülsen gemeint, sondern eben inhaltliche und sachbezogene Antworten.
    Kein Wunder, wenn kaum einer mehr fragt an dieser Stelle.

      • Georg Deimler auf 9. Oktober 2021 bei 12:47
      • Antworten

      Genau so ist das. Warum Fragen stellen, wenn die sogenannten Antworten Nichts sagen?
      Im September wurde nach dem Aufstellungstermin der Sitzgarnitur auf dem langen Markt gestellt. Die Antwort: Einen Termin gibt es noch nicht.
      Inzwischen berichtete die LVZ Vollzug. Der Kompromiss mit der Streitpartei ließ einen Tisch übrig. Der wird sicher bei der Neu-Möblierung der Stadthalle Verwendung finden.
      Frage nach der Vergrößerung des Überlaufes für den Hopfenteich in Frankenheim-Lindennaundorf unter der Bienitzstraße (Hochwasserschutzkonzept, nach dem Hochwasser von 2005 auf den Weg gebracht aber bis heute nicht beendet). Antwort in der Bürgerfragestunde: Die Bienitzstraße ist eine Kreisstraße.
      Wie wäre es mit Eimerkette – vom Hopfenteich über die Straße.
      Wenn es dauerhaft auf Fragen keine oder unzureichende Antworten gibt, wird das Interesse der Bürger an den Stadtratssitzungen gegen 0 laufen.
      So wird’s Nichts mit Bürgernähe und Bürgerbeteiligung.

      1. Nicht immer alles so negativ sehen. Jetzt stellen Sie sich mal vor, die Hochwasserschutzmaßnahmen in Frankenheim werden umgesetzt und das Dorf säuft nach dem nächsten Regen trotzdem ab. Auf wen wollen Sie dann die Schuld schieben?

    1. Diese ewige Meckerei immer. Mal richtig lesen: Es heißt Fragestunde und nicht Antwortstunde. Sie erwarten doch beim Frühstücksfernesehen auch keinen Wetterbericht vom komenden Abend 😉

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