Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit! (reloaded)

Für die jüngeren MN-Leser zur Information: Bei einem Subbotnik handelt es sich um einen unbezahlten Arbeitseinsatz zum Wohle der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Weil man wochentags wegen bezahlter Arbeit keine Zeit hatte für unbezahlte Tätigkeiten, fanden diese meist Sonnabends statt und daher auch der Name Subbotnik (vom russischen Subbota für Sonnabend). Nun fragen Sie sich bestimmt, welchen Grund diese Aufwärmung deutscher Arbeitergeschichte hat? Tja, lesen Sie mal.

Kulkwitz im Spätherbst 2021: Die Ortschaft ist gezeichnet vom Klimawandel.

Die Vernässungsflächen, einst das touristische Alleinstellungsmerkmal des Dorfes, sind trockengefallen, nach dem Verlust der Ost-Mark, der Arbeitsplätze und der Eigenständigkeit mangelt es jetzt auch an Wasser.

Zu allem Unglück schlägt nun auch der von der Bundesregierung beschlossene Strukturwandel in dem Ort, der einst vom Kohlebergbau lebte, unbarmherzig zu. „Der geplante Kohleausstieg hat bei mir längst begonnen“, klagt Landwirt Gisbert Ackermann und zeigt auf seinen Kontoauszug.

Aus der Geschichte lernen

Aber im Augenblick der größten Not hatte Kalle Meyer die rettende Idee. Er selbst war schon zweimal vom Ruin der Enteignung betroffen, hatte aber jedesmal einen Neuanfang geschafft.

Erst verlor er alles, was er sich bis 1945 als Ortsbauernführer hart erarbeitet hatte, dann nahmen ihm die West-Schergen seine mühsam erwirtschafteten Ersparnisse aus seiner Zeit als Ortsgruppensekretär der SED. Jetzt war Kalle Meyers Stunde gekommen.

Klimawandel: Kulks braucht Wasser!

Klimawandel: Kulks braucht Wasser!

Wassermangel in Kulkwitz. Meyer erinnerte sich an jene Tage, als er beim FDJ-Jugendobjekt „Max braucht Wasser“ als Aufseher eingesetzt war und Jugendliche aus der ganzen Republik unter seiner Knute einen Kanal von der Saale bis zum Stahlwerk Maxhütte in Unterwellenborn schachteten – noch dazu freiwillig.

 

„Okay, war eine andere Zeit damals“, erinnert sich der greise Aktivist. Man habe kein Westgeld gehabt, durfte sowieso nicht reisen und wenn man sich einfach so mit anderen Leuten getroffen hatte, wurde das argwöhnisch beobachtet und denunziert. Zudem kam man ohne Parteiausweis zu keiner Veranstaltung rein. Also war das Jugendobjekt eine willkommene Abwechslung im tristen Alltag.

Wiederholte Geschichte

„Genau wie heute“, stellt Kalle fest. „Die D-Mark ist weg, statt kapitalistisches Ausland haben wir Risikogebiete, in die wir nicht reisen dürfen und ohne Partei … ähm sorry … ohne Impfausweis kommt man heute auch nirgendwo rein.“

Subbotnik am Subbota in der Markranstädter Straße. Rund 20 Kulkser legten Hand an.

Subbotnik in der Markranstädter Straße.

Wenn der Boden so gut bereitet ist, kann man es ja auch mal wieder mit einem Subbotnik versuchen, hat sich Kalle gedacht und das Bürgerobjekt „Kulks braucht Wasser“ ins Leben gerufen. Der Erfolg, den der Aufruf am Sonnabend hatte, machte dem Begriff Subbotnik denn auch alle Ehre.

Rund 20 Kulkwitzer Einwohner, darunter Ortsvorsteherin Carmen Osang, waren aus ihren Häusern gekommen, um mit ihrer eigenen Hände Arbeit das zu schaffen, wovor der Rest unserer Gesellschaft, allen voran die vom opportunistischen Geist ihrer westelbischen Heimat bequemisierten Landsleute, gerade kapituliert.

 

Beim Subbotnik am Sonnabend wurde der Dorfteich in der Markranstädter Straße von Unrat befreit, das Reet geerntet und die Gewässermulde schließlich für eine Wiederbeflutung ertüchtigt. Ganz ohne Antrag auf Genehmigung der Erteilung einer Erlaubnis und vor allem ohne die Rolle der Bedeutung staatlicher Fördermittelgeber zu würdigen.

Sorgsam wird die Reet-Ernte in die Scheuer gebracht.

Dre Reet-Ernte wird eingebracht.

Denn eigentlich läuft es in unserem Lande so: Die Stadträte können ihre Hände heben wie sie wollen. Es sind keine Beschlüsse, die sie fassen, sondern bestenfalls Willensbekundungen. Ob diese realisiert werden, entscheidet einzig und allein der Staat, indem er dafür Fördermittel ausreicht oder nicht. Und genau das ist der Trumpf, den Ortsvorsteherin Carmen Osang in der Hand hält.

Weil niemand weiß, wie lange sich der Staat diesen zivilen Ungehorsam eines illegalen Subbotnik noch anschauen wird, müssen sich Gärnitz und Seebenisch jetzt beeilen, wenn sie ihre Teiche noch rechtzeitig flott machen wollen. Das weiß auch Carmen Osang und sieht weiteren Subbotniks optimistisch entgegen.

MN statt Rat des Kreises

Die Kulkwitzer sind im Schatten des Weißen Schreckens mit ihrem Beitrag zum Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit!“ jedenfalls fertig und können stolz auf ihr Werk vom Subbota blicken. Eine tolle Aktion und weil es weder beim Rat des Kreises noch in der FDJ-Ortsgruppe der Kennstadt jemanden interessiert, springen die Markranstädter Nachtschichten in die gesellschaftliche Bresche und sagen anerkennend: Respekt und Dankeschön!

 

4 Kommentare

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    • OLIT auf 11. November 2021 bei 12:57
    • Antworten

    —ja! Haben doch Alle was davon. Ein weiterer Bürger sagt DANKE!

    1. Da die Subbotnik-Brigade keine Kontonummer angegeben hat, muss es eben bei einem schnöden Dankeschön bleiben. Wir schließen uns an.

    • EddiKonstantin auf 8. November 2021 bei 9:22
    • Antworten

    So war es jahrelang in der alten Zuckerfabrik auch. Die notwendige Folgepflege nach so einer Aktion blieb generell aus, sodass die mühevolle Arbeit für die Katz war und das sozialistische Antlitz des Betriebes nicht getrübt wurde. Ebenso verliefen solche Einsätze von organisierten Schüleraktionen im Herbst zum Blätterbeseitigen und Wegereinigen im Stadtpark , wenn der Wind Tage drauf alles wieder verwehte. Man hatte schlicht nicht eingerechnet, dass die Laubhaufen auch hätten fortgeschafft werden müssen. Letzteres konnte man beim Subbotnik in Kulkwitz allerdings nicht ausmachen und Ordnung kehrt dort mindestens mit Hilfe der fleißigen Kulkwitzer hoffentlich nachhaltiger ein!

    1. Der letzte Subbotnik in Kulkwitz fand am 6. Oktober 1989 statt. Damals wurde der Strick an der Fahnenstange auf den Appellplatz der Schule erneuert, damit zum Tag der Republik nicht auf Halbmast geflaggt werden musste.

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