Schwerter zu Pflugscharen, Kinder zu Laubbläsern

Die Stadt Markranstädt hat schon lange einen gültigen Lärmaktionsplan (LAP), aber der Schwerlastverkehr rollt trotzdem immer noch ungebremst durch die Straßen. Von all dem, was im LAP geplant war, ist bis jetzt nichts Sicht- und Spürbares geschehen. Da könnte man jetzt sofort losmeckern … oder erst mal kurz nachdenken, ob das nicht vernünftige Gründe haben könnte. Denn die gibt es, wie eine wissenschaftliche Analyse des MN-Verkehrsexperten Jabadu zeigt.

Zum einen gibt es trotzdem Lichtblicke und es werden einzelne Vorhaben zur Lärmminderung umgesetzt. Diese stehen zwar nicht im LAP, aber man erwartet sich davon bahnbrechende Ergebnisse.

Und weil man bei der Umsetzung eines Planes irgendwo anfangen muss, hat man in Markranstädt dafür die Spielplätze auserkoren.

Die erste Maßnahme wurde bereits in den Holzmedien und den städtischen Nachrichtenkanälen propagiert. Der Spielplatz Nobelring (Betonung auf dem e, nicht auf den o) wurde an die Stadt Markranstädt übergeben.

Dieses Freizeitzentrum brilliert in erster Linie mit seinen richtungsweisenden Öffnungszeiten. Ihr Kinderlein kommet … täglich von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr. Was das mit Lärmschutz zu tun hat, kann wohl nur der ermessen, der das Geschrei spielender Brut schon mal gehört hat.

Im Gegensatz zum Lärm auf dem Schulhof kommt hier noch das Gekeife der Mütter dazu, wenn die sich darüber streiten, ob der Malte nun die Nele oder die Nele den Malte mit dem Schaukelseil strangulieren wollte.

Hier ist das Rathaus endlich mal stringent vorgegangen und hat sich mit den Öffnungszeiten an der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung – 32. BImSchV) orientiert. Danach dürfen lärmende Maschinen, und nichts anderes sind spielende Bälger, nur in der Zeit von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 17 Uhr betrieben werden.

Aaaltär…mama lauda

Um nun im familienfreundlichen Nobel-Viertel (jetzt bitte Betonung auf dem ersten o) Lärm zu vermeiden, wurden spielende Kinder der Altersgruppe der Drei- bis Zehnjährigen einfach zu lärmenden Maschinen erklärt.

Durch diesen juristischen Dreh spielt es keine Rolle, dass nach der gültigen Rechtsprechung Kinder keinen Lärm verursachen. Im Nobel-Viertel können sie laut Öffnungszeiten völlig legal mit Laubbläsern gleichgesetzt werden.

Und da sie kein Umweltzeichen des Europäischen Parlaments tragen, dürfen sie halt zwischen 13 und 15 Uhr nicht spielen, weil da nebenan die Funkmastgegner ihren strahlungsfreien Mittagsschlaf halten.

Länger dürfen nur Kleinkinder spielen, wenn sie das Glück haben, im Hotel Gutenberg untergebracht zu sein. Hier kann sogar bis 20 Uhr gerackert werden, weil im Umfeld dieses Spielplatzes keine schützenswerten Anwohner leben.

Nobel geht die Welt zugrunde

Das könnte sich allerdings schnell ändern. Wenn der „Kleine Henning-Park“ nobel ausgebaut wird (Sie ahnen es sicher schon: wieder Betonung auf dem ersten o), ist sicher auch dort um 18 Uhr sense.

Ein anderer Weg, der in der Stadt mit einem besonders innovativen Pilotprojekt gegangen wird, ist das frühzeitige Gewöhnen spielender Kinder an den Verkehrslärm.

Das funktioniert so ähnlich wie die Hyposensibilisierung bei der Allergiebekämpfung in der Medizin. Indem der Organismus frühzeitig an gewisse Einflüsse gewöhnt wird, stellt der Körper im Laufe der Zeit seine überflüssige Gegenreaktion ein.

Pilotprojekt Schrägweg

Testobjekt ist der Neubau Lützner Straße/Ecke Krakauer Straße. Zur Erhöhung der Wohnqualität in den neu errichteten Wohnhäusern entlang der Bundesstraße bietet die Fassade Schutz vor Verkehrslärm. Lärmschutzfenster sind in Markranstädt heute ebenso selbstverständlich wie Gesichtsmasken im Straßenbild.

Im Süden des Komplexes öffnen sich die Wohnräume in Form von Balkonen, Loggien und Dachterrassen zum stilvollen Wohnen und erweitern somit die Horizonte der neuen Siedler.

Dort aber, wo keine schützende Wirkung vorhanden ist und sich der Verkehrslärm samt Feinstaub und anderer Allergene mit all seiner Pracht bis tief jenseits der Bundesstraße entfalten kann, wurde ein Spielplatz angelegt. Die zukunftsweisenden Synergieeffekte dieser urbanen Lösung liegen auf der Hand.

Weil in nicht mal zehn Metern Entfernung echte Lastwagen vorbeidonnern, müssen die spielenden Kinder mit ihren kleinen Sandkastenautos nicht immer das nervende „Brum Brum“ nachmachen. Ohnehin ist der Verkehrslärm in diesem Bereich so laut, dass die Kids niemals in Gefahr geraten, diese Schwelle mit ihrem Geschrei zu übertreffen. Ein lautloser Spielplatz, einfach genial.

© 2021 Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

© 2021 Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Aber es kommt noch besser. Betäubt von den Umwelteinflüssen in ihrer Kindheit, werden die Kids später mal den Verkehrslärm als ganz normal empfinden. So wie es Dorfkinder nicht stört, wenn mal ein Pferd auf die Straße scheißt.

Da lohnt sich auch mal ein Blick in die Zukunft, um die wahre Dimension des Projektes zu erfassen. Mit der jetzt heranwachsenden Generation lärmkonditionierter Menschen lässt sich Zwenkauer Straße wieder besiedeln, die Stadt kann ihren überflüssigen LAP einstampfen, die Mitglieder der AG Lärm sitzen schwerhörig im Altenheim und die Jungen kämpfen für ein Klettergerüst auf dem rund um die Uhr geöffneten Verkehrskreisel. Da möchte man doch glatt noch mal Kind sein.

14 Kommentare

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    • Kinderfreund auf 19. November 2021 bei 16:11
    • Antworten

    Welch Glück, dass es Leute gibt, die die Umwelt aufmerksam blicken und die Wahrheiten so genial verpacken können. Hohe Kunst!
    Mal sehen ob die Laubbläser unbestrahlter Nachbarn Anlass für einen Antrag im Stadtrat werden, die Öffnungszeiten der Spielplätze zu vereinheitlich oder dem Zeitgeist entsprechend eine Öffnungszeitenspielplatz-App herauszugeben, damit die modernen Eltern nicht zur Unzeit den Platz ansteuern. Achtung, den Antrag unbedingt eine Woche vorher im Rathaus einreichen, so viel Anstand muss sein!

    • OLIT auf 18. November 2021 bei 11:14
    • Antworten

    …Übrigens Herr Schmidt- es ist Karnevalzeit, also 11.11. und so. Wider dem tierischen Ernst…

    1. Vielen, vielen herzlichen Dank für diese Worte. Sie erspart uns eine Antwort auf dessen Kommentar, die wir im Moment eh nicht hätten, weil er uns die Sprache verschlagen hat. Vielleicht hatte Luther da was verwechselt und und meinte: Aus einem traurigen Geist kommt selten ein fröhlicher Gedanke? Aber selbst dann ist es schwer, den Artikel soooo falsch zu verstehen.

        • toni lenk auf 19. November 2021 bei 18:29
        • Antworten

        Gut, Satire kann vieles, sollte nicht alles. Der gute B. S., ehrenamtlich engagiert, wähnt sich verspottet. Mit dem traurigen Geist, etc., hat CvD seine Sprache schnell u. eindeutig wieder gefunden. Die Schwerter u. Pflugschare im Betreff sind wirklich schwer zu verstehen. Da muss man eben nachdenken, wie bei den gerne gelesenen Kommentaren. Bei manchen Beiträgen ist dem „Gehobenen Niveau“ der Allroundkoryphäen schwer zu folgen. Das berufliche Treiben von Gruppen „Höherer Chargen“ wird kritisiert, denen Ahnungslosigkeit u. Unfähigkeit attestiert. Recht so, Kritik müssen die aushalten. Der beeindruckte Leser sollte sich dabei bloß nicht von den Ausführungen u. Ausdrücken täuschen lassen. Spezifika zur StVO, „Keine Parkzettel“, sprachliche Kreationen wie Publizerpreis u. Coronatregeln sind nicht sofort von der Mehrheit einzuordnen, aber gewollt um uns zum Denken anzuregen.

    • OLIT auf 18. November 2021 bei 11:10
    • Antworten

    E digitaler Schmeili für’s obre Bild unsrer Provinzbürchermeistern an de MN! Da fracht mor sich wie de Sachkunde von Markranst zustande gegommen is wenn doch de eichne Kindheit über dor Skyline in irchend eener weit weg ehmso prsoporiendor Medroboole in dor Schaukel bis in de Bubertät vorbracht wurde? Jedenfalls hat’s Bild ne ziemliche Ähnlichgeid- von Hintn. Wo habtr das liebreiznde Bildchen nur widdor her liebe MN? Zum schmunzln…

    1. Bitte noch mal genau hinschauen. Kann gar keine Markranstädter Göre sein, oder sehen Sie da irgendwo Einstiche an den Armen? Das Foto wurde in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen.

    • Burkhard Schmidt auf 17. November 2021 bei 12:59
    • Antworten

    MN– Erregungsbewirtschaftung
    Es ist schon interessant, was man alles zum Thema unter dem Deckmantel LAP einordnet, um vom eigentlichen Thema Lärmschutz und Lebensqualität abzulenken.
    Den LAP für Markranstädt kennen die wenigsten Leute und es ist ihnen wahrscheinlich auch egal. Der Fingerzeig auf die AG Lärm ist starker Tobak! Die AG ist keine Behörde die schwehrhörig im Altersheim sitzt, sondern Bürger, die schon jahrelang für die Lebensverbesserung in Markranszädt wirken. Die AG hatte Tempo 30 ereicht, am LAP mitgewirkt, Pettitionen eingereicht etc.Die AG waren die Einzigen, die gegen die Erhöhung des Lärms und Emmissionen in Markranstädt durch die Wiedereinführung von Tempo 50 auf den B 87 und B 186 amtlich Widerspruch erhoben haben; keine Stadtverwaltung, keine Schulen, keine Parteien, keine Vereine,…………………… und auch nicht die MN!
    Was bedeutet der Aufruf “ Schwerter zu Pfugscharen“ zu diesem Thema ????????

    1. Einfach mal lächeln (sich zur Not dazu zwingen) und nochmal lesen. Manchmal ist es nur eine Sache der Perspektive oder der Laune. Man liest, was man lesen will.

    • Der kleine Beobachter auf 16. November 2021 bei 21:41
    • Antworten

    Wieder einmal wie sollte es anders sein, voll ins Schwarze getroffen und explizit bis ins Detail dargestellt. Wann bekommt ihr den nächsten Publizer Preis? Meine Stimme habt ihr wie immer.

    1. Der Literatur-Nobelpreis würde uns auch schon reichen.

    • Bürger auf 16. November 2021 bei 14:19
    • Antworten

    Warum sind nicht alle Schilder in 2 Sprachen ausgeführt?
    In der Enklave Bornas ist das fortschrittlich, nur können die Briten oder die Schweden…, die da spielen wollen es nicht lesen und sich nur der Bildersprache bedienen. Die Kleinen können eh nicht lesen, die kommen auch ohne ihre schrillen Verwandten ganz allein zum Spielplatz, da ist denen auch die Uhrzeit wurscht.
    Aber, es war mal eine „Aktion“ , toll!
    Warum die Bewohner des Nobelviertels allerdings mittags in Ruhe schlafen können im Gegensatz zu anderen erschließt sich mir nicht.
    Ebenso gibt der neue Platz an der Rennstrecke Bundesstraße Rätsel auf.
    Läuft, rückwärts, aber läuft.

    1. Ist wie mit dem Wasser: Wenn’s stimmen würde, dass das nur bergab fließt, wären die Seen und Meere längst voll.

  1. Schade, das der begonnene Bau der Lärmschutzwand keine Erwähnung findet. Gut bei teilweise 6 m Abstand zum Gleis könnte man auch denken die Bahn will Ihre Gleise vorm Stadtlärm schützen, wenn die Stadt schon den LAP nicht umsetzt.

    1. Begonnener Bau einer Lärmschutzwand? Okaaaay … Wie liegt denn die im Fahrplan? So DB-mäßig oder noch im Zeit-Limit?

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