So viel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit …

Nicht eingeweihten Passanten bot sich am Mittwochabend auf dem Marktplatz eine seltsame Atmosphäre. Angelockt von einem Polizeiaufgebot, das sich jedes Opfer eines Kellereinbruchs nur im Traum wünschen kann, passierte … gar nichts. Was war da los?

Mit Ausnahme auffällig vieler Spaziergänger, es mögen so um die 100 gewesen sein, gestaltete sich das abendliche Treiben auf dem Marktplatz eigentlich so wie immer.

Um das Zentrum des Stadtzentrums herumschleichende Menschen sind aber auch sonst nicht ungewöhlich in Lallendorf. Man erinnere sich an den ersten Weihnachtsmarkt, als niemand zu den Ersten zählen wollte, die sich durch eine Stippvisite an den Marktbuden lächerlich machen würden.

Gefühlt halb Markranstädt traf sich damals „rein zufällig“ während eines noch zufälligeren Spaziergangs beim Umrunden des Platzes zwischen Rathaus und Kirche. Erst im Jahr darauf, als man einen Bekannten am Glühweinstand entdeckte und sich mit der Ausrede „Guck mal, der Fritz, lass uns rübergehen guten Tag sagen“ rechtfertigen konnte, füllte sich das Areal allmählich.

Das Ende ist bekannt: In den Folgejahren entwickelte sich der Markranstädter Weihhnachtsmarkt zu einem der beliebtesten Events im Lallendorfer Advent.

Am Mittwoch das gleiche Bild. Scharenweise umrundeten Menschen das Areal, obwohl es dort nicht mal leere Glühweinbecher gab. Was sie wie ein Magnet an diesen Ort zog, war nicht sichtbar. Weder gab es eine Mitteilung, Ankündigung oder Plakat, noch wurden vor Ort erhellende Botschaften gesendet.

Lediglich die Tatsache, dass die künstlerisch effektvolle Installation „Rathaustreppe in Flammen“ wie von Geisterhand bezaubert einen deutlichen Zuwachs erfuhr, könnte den Schluss zulassen, dass es irgendwie um das Thema Corona und das friedliche Miteinander von Geimpften und Ungeimpften ging.

Das Problem der Interpretation des Schauspiels hatten derweil auch andere Passanten. So stand gegen 18 Uhr, als die Polizei bereits am Einpacken war, eine junge Studentin fassungslos vor dem Lichterspiel auf der Rathaustreppe. Sie habe erfahren, dass es um 18 Uhr erst losgehen und nicht schon vorbei sein würde, berichtete sie entrüstet. Auf die Frage, was denn losgehen oder beendet sein sollte, zuckte sie nur hilflos mit den Schultern.

Wahrscheinlich ging es ihr ebenso wie der 86-jährigen Seniorin Ilse R. Die hatte sich, einem noch nicht ganz verkümmerten Instinkt folgend, kurz zuvor der um den Markt laufenden Menschenschlange reflexartig angeschlossen, weil sie an deren Ziel ein schwindendes Kontingent Bananen, Apfelsinen oder wenigstens Briketts vermutete. Am Ende gab’s nicht mal Begrüßungsgeld.

Was auch immer der Grund für den Marktplatz-Tourismus war: Wenn sich die Spaziergänger mit der auf der Rathaustreppe via Kerzen ausgesandten Botschaft für Nächstenliebe und Toleranz einverstanden erklären wollten, kann man das Vorhaben als gelungen bezeichnen. Bleibt zu hoffen, dass die Kerzen bis in den Alltag hinein strahlen und die Botschaft denn auch in ihrem Sinne von allen gelebt wird.

16 Kommentare

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  1. Danke für die neutrale und unterhaltsame Bericherstattung. Solche Journalisten braucht das Land viel mehr!!!

    1. Journalisten??? Was haben wir Ihnen getan, dass Sie uns so scharf verurteilen?

    • Harti Lamers auf 16. Dezember 2021 bei 12:40
    • Antworten

    Ja, wir wurden geprägt. Mit wir meine ich besonders die älteren von uns.
    Es galt : habe die verantwortliche Einsicht in die Notwendigkeit gegenüber den anderen, die mit dir leben.
    Aber, aber! Wie steht es mit der Angst, mit der erlebbaren Verlogenheit und Erfahrung der jüngeren von uns?
    Diese jungen Menschen können und wollen so nicht behandelt werden.
    Offene und klare Worte zur Impfung müssen nachvollziehbar sein, das wurde sträflich verpasst.

    1. Stimmt: In der DDR wäre diese Pandemie längst vorbei … oder besser noch, nie dagewesen.

    • Biker auf 16. Dezember 2021 bei 10:27
    • Antworten

    Leider konnte ich an dem Spaziergang nicht teilnehmen, nichtsdestotrotz steht auch meine Kerze auf der Treppe. Diese zunehmenden Spaltungsversuche gewisser politischer „Eliten“ gehen mir extrem gegen den Strich! Aber wie schon von Mark Ranzi geschrieben (Niemand hat vor eine Mauer zu bauen) bis „Eine Impfpflicht wird es nicht geben, das sind nur böse Konstrukte der Verschwörungstheoretiker“, kommt mir das alles sehr bekannt vor. Die Alten Zeiten lassen laut grüßen!

    1. Ja, ja, das sagen sie alle, dass sie leider nicht dabei waren. Und am Ende wars nur die Polizei, die da war 🙂 🙂 🙂

    • Tilo Lehmann auf 16. Dezember 2021 bei 9:24
    • Antworten

    Autsch- und was grenzt nun eine andere Minderheit(?) Derer aus, welche nun stigmatisiert sich haben impfen lassen? Auch aus dem Grund damit Denjenigen die sich medizinisch begründet keine Impfung wegen des ohnehin schon schwachen Immunsystem leisten dürfen? Auch hier sollte dergleichen Toleranz gelten. Viel- Leicht (welch Wortspiel!) helfen solche 3 Impfungen doch der allgemeinen Volksgesundheit (modern nennt man das wohl auch solidarisch). Oder auch nicht? Bin ich am ertrinken- ich nehme einen Strohhalm! Soll dem Schöpfer gegenübergetreten werden müssen- dann war das dennoch nicht sinnlos!

    1. Petrus lässt nur Leute mit Maske rein.

    • Sarah auf 16. Dezember 2021 bei 7:39
    • Antworten

    Danke für den Bericht, ich kann nur zustimmen und hoffe die Toleranz und Menschlichkeit werden wieder mehr Einzug Halten..

      • Biker auf 17. Dezember 2021 bei 13:21
      • Antworten

      Ihr Wort in Gottes Ohr!

      1. Dazu sollten Sie aber erst mal den Zugang in seine Cloud freischalten.

    1. Das wird schon….

    • Mark Ranzi auf 15. Dezember 2021 bei 20:44
    • Antworten

    Am Ende ist es wohl so ein- wie zweideutig und kommt mir aus einer Zeit von vor 30 Jahren Freiheit sehr bekannt vor. Von “ Niemand hat vor eine Mauer zu errichten“ bis hin zu “ ich liebe Euch doch alle“ war die damalige Subversivität voll von zweideutigen Aussagen und Liedtexten. Die Lügen und Einschränkungen prägten und erzogen Ihre “ Kinder „. Das Ende ist bekannt. Insofern hoffe ich, Geschichte wiederholt sich nicht / wiederholt sich.
    Mir persönlich sind 30 Jahre nicht genug.
    Darum nochmal lasst Euch nicht spalten, steht zusammen.

    1. Da war nicht nur die Mauer schuld, auch die Beatles mit dieser Monotonie ihres „Yeah, yeah … [umblättern] … yaeah“. Ist es wirklich so, Genossen, dass wir allen Dreck, der aus dem Westen kommt, kopieren müssen, ja?

    • Bürger auf 15. Dezember 2021 bei 20:30
    • Antworten

    Man kann nur hoffen, das sich mehr und mehr Leute an ihre Menschlichkeit erinnern, und das ganz ohne Punsch oder Bratwurst.
    Erhellend erstrahlen sollte die Treppe, das ist doch ein schöner weihnachtlicher Gedanke, oder?

    Hut ab und Danke an die Nachtschichten für diese amüsanten Zeilen.

    1. Das isses ja: Menschlichkeit ohne Promille, wie soll das gehen? Glühwein zählt doch nicht umsonst zur Grundausstattung aller Weihnachtsmärkte.

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