Speiseöl-Ersatz und andere Tricks gegen Armut

Die Preise steigen und steigen. Ganz Deutschland ächzt unter der galoppierenden Inflation. „Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Sachsen bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Drehen der Preisschraube Widerstand zu leisten.“ So schön könnte es klingen, wenn unsere Ur-Ur-Enkel irgendwann einmal im „Großen Buch der Sachsen“ blättern und im Kapitel unter M wie Markranstädt hängen bleiben. Aber die Realität sieht leider anders aus.

Mit der Begründung des Krieges in der Ukraine bekommt aktuell jedes Preisschild noch mindestens eine Stelle zusätzlich vor das Komma gedrückt.

Die Erklärungen dafür sind absolut nachvollziehbar. Der Getreidepreis schießt beispielsweise gerade durch die Decke, weil ja die Ukraine schließlich die Kornkammer Europas ist.

Keine neue Erkenntnis in Deutschland, das deshalb seit Jahrzehnten gezwungen ist, sein eigenes Getreide zu exportieren. Schließlich haben die Mär von der Kornkammer zumindest die älteren Markranstädter schon zu jenen Zeiten in der Schule gelernt, als die Sowjetunion noch der wichtigste Garant sowohl für den Weltfrieden als auch die internationale Solidarität war.

Die Kammer des Schreckens

Neu dürfte hingegen die von den Kosten getriebene Erkenntnis sein, dass die Ukraine neben der Kornkammer jetzt auch die Butterkammer Europas ist und noch dazu die Fleischkammer, die Tomatenkammer, die Holz- und Baustoffkammer, die Stromkammer und – ja – sogar die Mietwohnungskammer. Gas … okay, hier arbeiten die Russen offenbar noch fieberhaft an einer Endlösung, aber die Preise haben die Stratosphäre trotzdem schon durchbrochen.

Die Spirale hat Auswirkungen bis in die hinterste Ecke unserer Gesellschaft. So berichtet der Markranstädter Lagerist Klaus-Bärbel Z. (43), dass er auf dem Alten Friedhof kürzlich von einem Mann angesprochen wurde, der ihn um einen Euro bat. „Sogar die Penner haben die Preise angezogen“, musste Z. fassungslos feststellen.

Allerdings hat die dramatische Entwicklung auch gute Seiten. So sind die Ausgaben der Markranstädter Haushalte beispielsweise für Rapsöl oder Mehl seit Ausbruch des Krieges fast auf null gesunken.

Hier greifen die Instrumente der Marktwirtschaft in kaum geahnter Weise und offenbaren die Überlegenheit des Kapitalismus gegenüber jeder anderen Gesellschaftsform: Das Angebot regelt die Nachfrage!

Eigentlich genau das, was der alte Marx schon immer gesagt, Lenin gewusst und Honecker nur halbherzig umgesetzt hat. Denn wo kein Angebot ist, können auch keine Erwartungen erzeugt werden, Punkt!

Kein Mangel an Zuversicht

„Wieder kein Speiseöl im Regal und das Mehl ist auch aus“, frohlockt Natalja F. (43). Früher hätte sich die vierfache Mutter noch darüber geärgert, aber heute ist sie geradezu erleichtert.

„Mit dem gesparten Geld kann ich noch einmal in der Haustierabteilung vorbei schauen“, trällert sie vergnügt und schiebt ihren leeren Wagen zum Katzen-Regal. Denn seit auch das Klopapier wieder rar ist und die Leute verstärkt zu Katzenstreu greifen, sei auch das kaum noch bezahlbar. „Heute kann ich mir das mal leisten“, macht sie für ein paar Stunden mit Putins Krieg ihren Frieden.

Indes ergießt sich über das Markranstädter Bürgertum eine wahre Flut medialer Tipps, wie man durch trickreiche Alternativen noch sparsamer leben kann, um wenigstens den Vermietern, Ölkonzernen und Steuereintreibern die erforderlichen Wachstumsquoten weiterfinanzieren zu können.

Visionäre Zaubertricks

So überrascht die führende Lokalgazette jetzt mit einer derart innovativen Lösung zum Trocknen der Wäsche, dass in deren Anbetracht sogar Klementine, der Schutzheiligen aller Waschfrauen, die Möpse auf den Schoß fallen: Einfach die Wäsche auf eine Leine hängen und den Wind arbeiten lassen! Wenn das unsere Großmütter schon gewusst hätten …

Fast möchte man da auch selbst ein paar kreative Ideen beisteuern. Wenn man sich seine Haare ein paar Wochen lang nicht wäscht, spart man beispielsweise nicht nur Wasser und Shampoo, sondern kann danach mit nur wenigen Handgriffen – auswringen wird man wohl noch selber können – ein Speiseöl-Surrogat vom Feinsten gewinnen. Handgemacht und absolut Bio!

Auch das ist eine Lehre der Geschichte: Die fortschrittlichsten Ideen entstehen immer in Krisenzeiten. Man muss nur fest an das glauben, was einem so mitgeteilt wird.

1 Kommentar

  1. Tja- gähnende Leere im Kaufmannsladen-Regal. Getreu dem Motto: „Ich bin da mal weg“? Der alte Schreber hat schon damals gesagt (und in der deutschen Zeit von der man nicht spricht gab’s da dieselben Strategien): „Der Kleingarten soll die Plebejer ernähren“. Gut wer da ne mehr oder weniger eigene Scholle hat. Am Besten noch mit rot/weis/blau-und gelben Kinderei- Hühnern die auf dem Busch wachsen oder mit bunten Goldbärchen in Rot auf dem Baum dran… Doch Heute gibt’s keine Plebejer mehr, nur noch Computerer. Die aber müssen im Internet bestellen… . Lila Kühe gibt’s übrigens dort ausreichend, Vegan und in Bio (oder nich) !

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