Wahlen in Markranistan: Fachkräfte statt Kandidaten

Hach, wie schön wäre es, wenn man sich als Satiriker nicht so einen engen regionalen Mantel wie Markranstädt genäht hätte. Man könnte sich in Wahlkampfzeiten zurücklehnen, auf Nachrichten aus der ganzen Republik warten, diese ausschlachten und dann genüsslich mit all den anderen Satire- und Qualitätsmedien gemeinsam auf die AfD einhauen. Da kann man nichts falsch machen und schwimmt immer oben mit. Wenn man seine Brotkrumen aber in Lallendorf zusammenklauben muss, dann …

… ist der Frust fast noch größer als nach dem TV-Duell. Boah war das eine Öd-Show! GEZ-finanzierter Verbalsex zweier impotenter Swinger, die eigentlich nur noch im Bett liegen wollen. Notfalls auch zusammen als eine Art bundespolitische Bedarfsgemeinschaft.

Fast schon möchte man sich nach dem einstigen Gemetzel zurücksehnen, als in Markranstädt beim Bürgermeister-Wahlkampf noch richtig die Fetzen flogen. Mal abgesehen von den Kollateralschäden, gab es damals wenigstens unterschiedliche Standpunkte. Man hatte wirklich eine Wahl und die Kandidaten haben tatsächlich gekämpft! Zumindest auf Bundesebene ist da heute irgendwie die Luft raus.

Und offenbar haben die meisten Kandidaten entweder Angst vor einem Wahlkampfauftritt in Markranistan oder sie finden den Weg nicht hierher. Die wenigen Sonnenschirme, unter denen das Volk seine Privatbestände an Kugelschreibern bisher auffüllen konnte, wurden kaum wahrgenommen. Sollte wohl auch so sein, denn sonst hätte man solche Aktionen vorher sicher angekündigt.

So aber umgibt den Bundestagswahlkampf in Markranstädt eine geheimnisvolle Aura. An einer Ecke flink ein Ständchen aufgebaut, ein paar Tütchen Gummibären in die vorbeifahrenden Rollatoren geworfen und schnell wieder weg, bevor jemand dumme Fragen stellt, mit einer Wahlanfechtungsklage droht oder die Tomaten aus dem Einkaufsbeutel fummelt.

Auch in den sozialen Netzwerken, die nicht nur aus Kostengründen zunehmend an Bedeutung im Wahlkampf gewinnen, herrscht Flaute zwischen Zschampert und Floßgraben.

Die LINKE begnügt sich seit dem vorletzten Facebook-Eintrag, der vom 2. Mai datiert, mit einem seltenen Plakat der Kanzlerin und macht damit eher Werbung für den politischen Gegner.

Bei der Markranstädter CDU kommt das Unwort „Bundestagswahl“ gleich gar nicht vor. Ein Glückwunsch zum 110jährigen Bestehen des Posaunenchors vom 23. August und ein Bericht zur jüngsten Stadtratssitzung sind die aktuellsten Informationen.

Auf der Facebook-Seite der Markranstädter SPD gibt es neben einem Wahlvideo wenigstens noch etwas Satire. Mit Eintrag vom 24. August frohlocken die Sozialdemokraten wie einst die George Dabbeljuh Bush nach der Hinrichtung von Saddam Hussein: „So da hängt er, der erste Markus Bergforth in Markranstädt.“, heißt es da unter dem Foto mit dem eigenen Spitzenkandidaten.

Einzig die Freien Wähler haben per 5. September zumindest mal ihre Landesliste vorgestellt. Allein dass diese Liste keinen Direktkandidaten für den hiesigen Wahlkreis enthält, erhebt den Informationswert dieser Nachricht jedoch kaum über den einer Wasserstandsmeldung für das mittlere Elbtal.

Ironie der Situation: Ausgerechnet die Partei, die in Markranstädt weder über eine Ortsgruppe noch einen Sitz im Parlament und wahrscheinlich auch keine Mitglieder verfügt, hat offiziell wahrnehmbar eine Wahlveranstaltung in Lallendorf angekündigt.

Neuland unterm Pflug

Am 15. September will sich AfD-Spitzenkandidat Lars Herrmann den Wählern Markranistans vorm Alten Ratsgut persönlich vorstellen. Es wird ihn wohl mit tiefer Dankbarkeit erfüllen, dass er die von den anderen Parteien so schmählich ignorierte politische Brache zwischen Floßgraben und Zschampert seelenruhig mit seiner Saat bestellen darf.

Ansonsten erschöpft sich die Bundestagswahl in Markranstädt also in eilig abgeworfenen Plakaten, die hastig an irgendwelche Pfähle gehängt werden. Das Mittelalter lässt grüßen. Fehlt eigentlich nur noch, dass die amtlichen Wahlbenachrichtigungen im Schein flackernder Fackeln von berittenen Herolden überbracht werden.

Den Kampf um Wählerstimmen überlassen die selbsternannten demokratischen Parteien im Internet-Schwellenland Markranstädt dann doch lieber einer virtuellen Maschine. Dem Wahl-O-Mat ist es schließlich egal, ob er beklatscht oder mit Tomaten beworfen wird. Nicht mal dumme Fragen kann man ihm stellen. Im Gegenteil: Die Fragen stellt der Wahl-O-Mat, nicht der Wähler. So funktioniert das heute!

Game of Thrones

Was dieses Internet-Spielzeug allerdings mitunter so ausspuckt, ist keine Wahlempfehlung, sondern gar zu oft Satire in reinster Form. Letzten Freitag hatte sich das MN-Team mal den Spaß gemacht, die Fragen der Maschine in einer Art redaktionsübergreifendem Konsens zu beantworten.

Die Wahlempfehlung des Automaten hat uns fast aus den Sesseln geworfen. Die NPD würde unseren Vorstellungen am ehesten entsprechen, meint der missprogrammierte Wahlroboter und bietet bei Nichtgefallen die LINKEN als nächstliegende Alternative an. Was haben wir gelacht!

Zurück zum Wahlkampf in Markranstädt. Dass der hier nur auf dem (Plakat-)Papier stattfindet, hat nichts mit Wahlmüdigkeit oder LmaA-Stimmung zu tun. Vielmehr ist es wohl so, dass die Parteien hier gar keine Zeit haben, sich um solche Nebensächlichkeiten wie eine lächerliche Bundestagswahl zu kümmern.

Hinter den Kulissen wird hier längst schon fieberhaft am nächsten Bürgermeister-Wahlkampf gestrickt. Im Gegensatz zur Bundespolitik, in der sich Advokaten, geburnoutete Lehrer, Ungelernte und andere lichtscheue Elemente schon mal als Minister versuchen dürfen, will man in Markranstädt nichts dem Zufall überlassen und setzt auf Kompetenz.

Arbeiter- und Bauernfakultät

Da sich ein Nachfolger nicht gezeigt hat, wird jetzt ein solcher analog der abgewickelten ABF per Erwachsenen-Qualifizierung herangezüchtet. Und das geht so:

In der nächsten Staffel von „Game of Thrones“ soll die Stadt wieder von einer kompetenten Person regiert werden, welche eben jene Führungsqualitäten aufweist, die Lallendorf in seiner erfolgreichsten Epoche so nachhaltig geprägt haben.

Es war nicht alles schlecht

Deshalb wurde jetzt für ambitionierte Bewerber eine Weiterbildungsmaßnahme der ganz besonderen Art ausgeschrieben. Getreu dem Motto „Es war nicht alles schlecht“ soll es scheinbar wieder zurück zu den Wurzeln gehen.

So funktioniert heute moderner Wahlkampf. Ohne Grabengefechte, Plakate oder Geschrei in sozialen Netzwerken. Auch einen Grund zu meckern gibt es nicht. Es steht jedem Bürger frei, sich anzumelden für die Weiterbildung zur Radonfachperson.

Der Clou: Die Investition in Höhe von 1200,- Euro hat sich nach nicht einmal einer Woche im Amt bereits voll amortisiert! Sicherheitshalber gibt es am Ende des Qualifizierungslehrgangs trotzdem eine Urkunde, die den erfolgreichen Absolventen als zertifizierten Bürgermeister ausweist.

Sozial abgesichert

Das ist wichtig, falls man wider Erwarten entweder doch nicht gewählt wird oder sein Amt wegen einer Wahlanfechtungsklage nicht gleich antreten darf. Da kann man dieses Dokument einfach beim Arbeitsamt vorlegen und – schwupps – schon ist man Geschäftsführer bei der KISA oder einem Abwasser-Zweckverband. Sie sehen also: Weiterbildung lohnt sich!

 

Die Verschwörung des Fortschritts

Von der Damenwelt hört man oft, dass es für eine Frau nicht möglich ist, sich eine Strumpfhose würdevoll anzuziehen. Deshalb machen sie das gern im stillen Kämmerlein, damit niemand die Verrenkungen, das Gezerre und Gezupfe sehen kann. Aber auch Männer haben ihre Geheimnisse, wenn’s um Würde geht. Beim Öffnen von Fischbüchsen beispielsweise.

Wenn ich früher als Student im Internat mit dem Frühstück dran war, dann war die Sache noch kontrollierbar. Ich brauchte nur einen Dosenöffner, eine Büchse Scomber-Mix und eine Tüte Semmeln. Fertig war der Lack und die Meute war ruck-zuck abgefüttert!

Sogar optisch präsentierte sich das Breakfast weit von dem entfernt, was seine wörtliche Übersetzung vermuten ließe. Die flach gedrückten Konsumbrötchen passten sich harmonisch in das Gesamtgefüge des Menüs ein. Gehäckselte Fischreste an gebackener Teigflunder. Maritimer kann man einen Start in den Tag nicht zelebrieren.

Scomber Mix gibt’s auch heute noch. Zumindest dem Namen nach. Die neue Sorte trägt allerdings den Untertitel BBQ. Keine Ahnung, was das bedeuten soll. Mit BBW wüsste ich ja noch was anzufangen. Das ist die medizinische Fachbezeichnung für eine beträchtliche Erweiterung der Herzkranzgefäße bei Frauen. Hab ich zumindest mal irgendwo gelesen.

Kann also durchaus sein, dass da bei RügenFisch jetzt vorwiegend die Milchdrüsen strammer Sprotten in den Scomber gemixt werden. Aber auch die Technologie, wie man diese Fischreste zerkleinert, scheint sich geändert zu haben. Sie ist ökologisch geworden, wenn man dem Etikett glauben darf. Da steht wörtlich „zerkleinert mit Kidneybohnen“.

So weit sind wir also schon. Während der Rest Deutschlands noch im Feinstaub vorsintflutlicher Dieselmotoren erstickt, haben uns die Fischköppe längst überholt und schreddern Fischgräten mit Cuttermessern aus Bohnen. Der Fortschritt ist unaufhaltsam.

Sentiment- und Spezialitäten

Da stehe ich nun in der Küche, den Kopf voller sentimentaler Erinnerungen an die früheren Orgien im Internat und richte meinen verträumten Blick auf die Fischdose. Nicht nur Inhalt und Aufmachung haben sich im Laufe der letzten 35 Jahre geändert, sondern auch der Mechanismus zum Öffnen. Und genau an dieser Stelle kommt die Sache mit der Würde ins Spiel.

Im Internat reichte ein Dosenöffner, um an den Inhalt der Büchse zu gelangen. Dann kam der Fortschritt und mit ihm ein völlig neues Verfahren. Mit einer Art Kurbel, die ohne Aufpreis als Sonderausstattung mitgeliefert wurde, ließ sich der Deckel quasi aufdrehen. Man brauchte nur eine Lesebrille, um den Nippel durch die Lasche zu fädeln.

Aber auch das ist längst Geschichte. Der Fortschritt ist weiter geeilt und macht das Leben immer einfacher. Daran jedenfalls glaube ich noch jetzt, gerade in dem Augenblick, als ich die Mechanik auf dem Dosendeckel meines Scomber Mix BBQ studiere.

Bierdose und Handgranate

Endlich haben diese einfallslosen Pinsel von Industriedesignern auch mal an uns Männer gedacht, geht es es mir durch den Kopf. Der Mechanismus sieht aus wie der auf einer Bierdose und erinnert an den Abzugsring einer Handgranate. Beides ist eine Domäne der maskulinen Teilnehmer unserer Gesellschaft. Wieso habe ich Fischbüchsen bis jetzt eigentlich immer von meiner Frau öffnen lassen?

Der erste Grund wird mir vor Augen geführt, als ich plötzlich mit dem Abzugsring in der einen und der noch immer fest verschlossenen Dose in der anderen Hand staunend in der Küche stehe.

Ganz klar: Diese Mechanik wurde speziell für Weicheier ohne Muskeln entwickelt. Es gab nicht mal ein Geräusch, mit dem sich der Ring vom Deckel verabschiedet hat. Lautlose Trennung sozusagen. Wovon manche Männer sonst nur träumen, geschieht wieder mal genau dann, wenn man’s nicht braucht.

Wie schön wäre es jetzt, wenn wir den Dosenöffner damals nicht weggeworfen hätten. In der Annahme, dass man solch steinzeitliche Relikte im 21. Jahrhundert nicht mehr benötigt, haben wir das prähistorische Teil verantwortungsvoll der Kreislaufwirtschaft zugeführt. Im Idealfall ist das Ding dann recycelt worden und ich halte das Ergebnis gerade als Ring in der Hand.

Im Feldlager bei der DDR-Wehrmacht hatten wir solche Dosen früher auch schon mal mit dem Messer geöffnet. Auf diese Sauerei will ich aber verzichten. Da fällt mein Blick auf eine zweite Dose Scomber Mix. Meine Frau, die Grundgütige! Sie denkt sogar beim Einkauf daran, dass ich auf einem Bein schlecht stehen kann und dass diese Eigenschaft nicht nur beim Bier zutrifft.

Also ergreife ich die mir gebotene zweite Chance. Vorsichtshalber verlagere ich den Tatort direkt über die Spüle. Auch das ist ein Erfahrungswert. Noch allzu frisch sind die Erinnerungen an das Desaster, als ich mal einen Tetra-Pack Milch aufreißen wollte.

Das mit dem Aufreißen ist mir ja nach einer Weile und mit entsprechendem Kraftaufwand gelungen, da kann man nichts sagen. Aber erstens geschah dies nicht wie vorgeschrieben „entlang der Lasche“ und zweitens hatte ich die gleiche Kraft auch in der Hand entwickelt, die den Pappkarton festhielt. Druck erzeugt Gegendruck und der entlädt sich dann, sobald sich die Chance dazu bietet.

Der Milch-Strahl stieg bis zur Küchenlampe empor, deren Glühbirne dann nach einem lauten Klirren als glitzernder Regen im gesamten Raum hernieder ging. Ich bin alles andere als ein Verschwörungstheoretiker, aber es kann nicht anders sein, als dass die deutschen Milchbauern ein Kartell mit den Herstellern von Glühbirnen gebildet haben. Drecksäcke, die!

Damit mir das nicht noch einmal passiert, öffne ich die Fischbüchse jedenfalls lieber direkt über der Spüle. Darüber befindet sich der Hängeschrank und so ist wenigstens der obere Luftraum in der Küche gesichert.

Vorsichtig hebe ich den Ring an bis es knackt. Super, das wäre schon mal geschafft! Jetzt ziehe ich vorschriftsmäßig den Deckel auf. Klappt auch, allerdings nicht komplett. Der letzte Millimeter, der den Deckel mit der Dose verbindet, stellt mich vor ein physikalisches Rätsel.

Klar könnte ich den einfach so dran lassen. Aber dann gakelt der von innen mit Scomber Mix-Soße besudelte Deckel sinnlos in der Luft rum und das Zeug tropft überall hin. Außerdem kommt man da mit Gabel oder Löffel schlecht in die hinteren Bereiche der Büchse. Kann ja nicht sein, dass deutsche Ingenieure so elementare Dinge einfach ignorieren. Es muss also eine Lösung geben.

Durch vorsichtige Hin- und Herbewegungen versuche ich, das Material zu ermüden und so eine Sollbruchstelle zu schaffen. Nach gefühlten zehn Minuten wird mir aber klar, dass dieser Vorgang erst nach deutlicher Überschreitung des Haltbarkeitsdatums von Erfolg gekrönt sein wird.

 

Also versuche ich, den vertikalen Bewegungen eine gewisse Zuglast hinzuzufügen. Erst leicht, dann immer stärker und schließlich …

Zingggg …

Der Deckel ist ab! Leider kann ich das nicht gleich sehen, weil ich Soße in den Augen habe. BBQ ist übrigens die Abkürzung für Barbecue. Das wird mir klar, als Feuerstrahlen zwischen meinen Wimpern hervor schießen wollen.

Ich bin blind! Verzweifelt versuche ich, den Wasserhahn zu ertasten. Da ich an der Spüle stehe, kann der ja nicht weit sein. Ein stechender Schmerz sagt mir, dass ich die Suche an der falschen Stelle beginne. Ganz kurz nur und ganz schmal öffne ich das rechte Auge, um wenigstens schattenhaft zu erkennen, was geschehen ist. Okay, soeben habe ich mir am Deckel der verfluchten Fischdose die Hand aufgeschnitten.

Aber im Bruchteil einer Sekunde orte ich auch den Wasserhahn und drehe das Ding fieberhaft auf. Es rauscht. Herrlich! Mit den Händen eine imaginäre Schale bildend, will ich das Wasser auffangen, um es mir ins Gesicht zu werfen. Der Versuch endet mit einem Schrei.

Ich hatte das falsche Ventil erwischt. Zum ersten Mal frage ich mich, warum man etwas als Warmwasser bezeichnet, was sich bereits kurz vor dem Übergang in den gasförmigen Zustand befindet. Verbale Beleidigungen erfüllen die Küche. Das gesamte deutsche Ingenieurswesen wird faktisch mit branchenübergreifenden Flüchen belegt.

Zumindest finde ich in der Nähe des Dampfventils auch den Hahn fürs kalte Wasser und kann so mein Antlitz notdürftig reinigen. Als ich endlich wieder schmerzfrei gucken kann, wird mir das Ausmaß des Desasters gewahr. Das ist nicht mehr meine Küche, die ich da zu sehen bekomme.

Überall grinsen mich kleine rote Punkte an. Am Epizentrum noch etwas dichter angeordnet, ziehen sich die Flecke dann in immer größeren Abständen von der Spüle über den Kühlschrank, sogar die Küchentür und Wände bis hin zur Decke.

Vielleicht war ich bisher ein Verschwörungstheoretiker, nur weil ich davon überzeugt war, dass die Milchbauern gemeinsame Sache mit den Herstellern von Glühlampen machen. Aber jetzt kann ich beweisen, dass die Fischer auf Rügen Kartellabsprachen mit der Wandfarben-Industrie getroffen haben!

Das waren bestenfalls drei Milliliter BBQ-Soße, die da am Deckel der Fischbüchse hingen und mit einem kleinen Zinggg in die Küche geschleudert wurden. Drei Milliliter! Und dafür muss ich jetzt mindestens 10 Liter Wandfarbe kaufen und den Pinsel schwingen. Mein ganz persönlicher Beitrag zum unaufhaltsamen Fortschritt.

120 Gramm Scomber-Mix – 1,19 Euro

1 Tag Malerurlaub in der Küche – unbezahlbar

 

Symbolische Selbstjustiz an Laternenpfählen

Wieder die Sachsen! Und wieder auch die Markranstädter. Im Freistaat, in dem laut einschlägigen Medienberichten zwischen Elbsandsteingebirge und Schkeuditzer Flughafen ausnahmslos Neonazis hausen, macht sich das frustrierte Wahlvolk auf eine besonders perfide Art Luft und zeigt damit seine hässlichste Fratze. Ungeliebte Politiker werden symbolisch an Laternenpfählen gehenkt!

Ungeliebte heißt in diesem Fall: Ausnahmslos alle! Ein regelrechter Hype ist daraus entstanden, der weder vor Frauen, noch den eigenen Kameraden halt macht. Eine Art analoges „Pokémon Hang“ für radikalisierte Stammwähler. Was ist da los im braunen Freistaat und seiner heimlichen Hauptstadt Markranstädt? Haben die nichts gelernt aus ihrer Vergangenheit?

Am schlimmsten hat es Martin Schulz getroffen. Der Hoffnungsträger der SPD und Erfinder des Schulz-Zuges hängt nicht etwa an einem beliebigen Laternenpfahl, sondern noch dazu direkt vor dem Kulkwitzer Friedhof. Kann das ein Zufall sein?

Oder anders gefragt: Ist das noch Satire oder schon Wahlkampf? Diese Frage stellen sich vor allem die Mitglieder und Sympathisanten von HELL-GREEN, der okkulten Splittergruppe aus Restbeständen einer einstigen Öko-Partei um Michelin-Männin Raudia Cloth.

Ich finde das unerträglich!“, kräht das telegene Polit-Model ohne Ausbildung ins Diktiergerät. Wir treffen die charismatische Sympathieträgerin der SUV-Mode zwischen zwei RTL-Aufzeichnungen, in denen es um eine Hitliste der Schlager aus den 30er Jahren geht. Cloth hat gerade etwas Zeit, weil die Cutter fieberhaft damit beschäftigt sind, eine Szene rauszuschneiden, in der sie völlig entrückt das Horst-Wessel-Lied mitpfeift.

Aus der Geschichte lernen

„Dass die nur 72 Jahre nachdem sie ihre Frauenkirche zerstört haben, schon wieder mit so menschenverachtenden Sachen anfangen, ist nicht länger hinnehmbar!“, bezieht sie klar Position zu den symbolischen Hinrichtungen. Wir fragen, ob hier nicht der Rechtsstaat endlich eingreifen müsse. Cloth ist entsetzt: „Ist das nicht schon rechts genug? Sie gehören wohl auch zu denen?“

Am unerträglichsten fände sie nicht einmal das symbolische Aufhängen von Politikern, sondern die Tatsache, dass die braunen Henker auch noch ihre eigenen populistischen Parolen auf die Bilder schmieren.

„Da wird Angela Merkel beispielsweise mit dem nationalistischen Spruch versehen: Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben. Ist es schon wieder so weit? Das hatten wir doch schon mal!“

Dann kommt sie auf den Punkt: „Die wollen unsere Demokratie damit unglaubwürdig machen. Wir predigen jeden Tag von Europa und versuchen alles, um den Begriff ‚Deutschland‘ aus unserem Wortschatz zu tilgen. Da wär es doch völlig unglaubhaft, wenn die Kanzlerin jetzt plötzlich von sich aus wieder mit diesen unerträglichen ideologischen Reichsgrenzen argumentieren soll. Das sind Fake-News und keiner merkt das. Wahnsinn!“

Einmal in Fahrt gekommen, setzt sie nach: „Oder beim Lindner, da hat man drunter geschmiert: Ungeduld ist auch eine Tugend. Genau diese Nazi-Ungeduld hat uns in den letzten hundert Jahren zwei Siege gekostet. Diese braunen Bilderterroristen haben einfach nichts aus der Geschichte gelernt.“, beklagt die viel Fleisch gewordene Kernkompetenz.

Während dessen ziehen die mobilen Standgerichte weiterhin zu Hunderten quer durch den Freistaat und hängen immer neue Politiker auf. Die HELL-GREENEN betrachten das nicht nur aus humanitären Aspekten mit wachsender Sorge. Auch die Missachtung ökologischer Grundsätze sehen sie kritisch.

„Lichtmasten und Laternenpfähle, was anderes kennen diese Ewig-Gestrigen nicht. Dabei wimmelt es bei uns geradezu von nachwachsenden Ressourcen. Warum hängen die ihre Poster nicht auch mal an Lebensbäume oder Riesen-Bärenklau?“ Besonders in der Region um Markranstädt gäbe es da ganz beachtliche Exemplare, die man mit ein wenig gutem Willen weithin sichtbar nutzen könne.

Aber das stört die rechtspopulistischen Banden nicht, die da Nacht für Nacht den öffentlichen Raum mit ihrer entarteten Kunst zukleistern. Im Gegenteil! Ohne nachzudenken, werfen sie alle politischen Richtungen in einen Topf.

Der Generalverdacht parteiübergreifender Wahlkampflügen gipfelt darin, dass neben Martin Schulz nun auch sein Leipziger Statthalter Markus Bergforth am gleichen Mast vorm Kulkwitzer Friedhof hängt. Nicht etwa Schulter an Schulter, wie unter Genossen üblich, sondern Rücken an Rücken.

Alles wird tapeziert

Nur wenige Meter weiter baumelt das Konterfei ihrer Gegnerin im Wind. Wenigstens haben die braunen Schergen respektiert, dass Katharina Landgraf Christdemokratin ist und für sie einen Platz in Sichtweite der Kirche ausgesucht.

Ob nicht auch ein gewisser Neid im Spiel sei, weil die HELL-GREENEN bei diesem Bilder-Pogrom nicht einmal anständig ignoriert werden, wollen wir wissen. Cloth lacht und winkt ab: „Dazu brauchen wir die Rechten nicht. Das machen wir selber. Und außerdem: Ein Bild von mir wird erst aufgehängt, wenn ich weiß, dass alle Stricke reißen.“

Und so werden die paramilitärischen Klebe-Einheiten sächsischer Nazi-Zellen in den kommenden drei Wochen wohl ungehindert damit fortfahren können, ihre zweifelhaften Botschaften so lange öffentlich zu publizieren, bis der gesamte Freistaat flächendeckend tapeziert ist.

Wahlkampfzirkus zwischen Clowns und Hochseil-Artisten

Und auch solche satirischen Kostbarkeiten wie nebenstehende Ankündigung einer Zirkusnummer ganz besonderer Art werden im Zeitalter der Fake-News zum Alltag des politischen Wahlkampfes zählen. Hereinspaziert, hereinspaziert!

 

 

Ob es wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht

Nach den zahlreichen Berichten über das erweiterte Fotostudio in der Zwenkauer Straße, haben die Protagonisten des Ablasshandels kurzerhand den ohnehin schon dichten Schilderwald weiter aufgeforstet. Aber irgendwie wirkt das wirklich wie das Pfeifen im Walde.

Mitten im Kreuzungsbereich lacht den Autofahrer seit dem Wochenende ein Tempo 30-Schild an. Damit soll wohl eine Art Legitimation dafür hergestellt werden, dass der wenige Meter weiter stehende Blitzer weiterhin bei 30 auslösen darf. Eine ABM für Rechtsanwälte.

Ob durch das Pflanzen eines weiteren Schildes nun ein rechtssicherer Zustand erreicht wurde, wird an den Stammtischen, in den dunklen Gassen und den Gerüchteküchen der Stadt bereits heftig diskutiert.

Das Pfeifen im Schilderwald

Jahrgangspflanzung à la Landkreis. Ausgehend von den einst kolportierten 150 Metern Abstand, die ein Blitzer zum entsprechenden Schild haben muss, scheint man hier mit der Bonsai-Ausgabe eines Bandmaßes gemessen zu haben. Kaum 100 Meter werden dem Abstand des neuen Schildes attestiert.

Allerdings kann man das Schild nicht noch weiter in Richtung Stadtmitte anpflanzen, da es sonst nicht für den aus der Lausener Straße kommenden Verkehr sichtbar ist. Schon jetzt kann es kaum wahrgenommen werden, weil es für den abbiegenden Verkehr quasi mitten in der Kurve steht.

Kann also durchaus sein, dass auch diese Maßnahme noch nicht das letzte Kapitel der Provinzposse ist. Hier scheint sich die pure Verzweiflung gegen die für den Straßenverkehr geltenden Bestimmungen durchgesetzt zu haben.

Für das jetzige Schild gilt: „Ob es wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.“ Um nicht noch eine Peinlichkeit folgen zu lassen und statt dessen ganz auf Nummer sicher zu gehen, schlagen die Markranstädter Nachtschichten nebenstehende Lösung vor:

Dauerfeuer im Schilderwald. Eins davon wird schon richtig stehen. Hauptsache, der Wegezoll wird entrichtet. Natürlich könnte man auch Schilder sparen, aber dazu müsste man vorher nachdenken …

 

Bundestagswahl: Der satirische Kandidaten-Check

Jetzt geht’s wieder los: Die Kino-Plakate werden aufgehängt. Obwohl sogar jeder Zirkusdirektor weiß, dass man die Papierlappen frühestens 14 Tage vor dem Ereignis präsentiert, lässt der parteiübergreifende Wettbewerb auch in diesem Jahr wieder sämtliche demografische Erkenntnisse über Bord gehen. Aber wer kandidiert da eigentlich und was haben wir Markranstädter von ihnen zu erwarten?

Es hat Tradition, dass bei überregionalen Wahlen kein Markranstädter antritt. Ob Landtags- oder Bundestagswahlen, Kandidaten aus Lallendorf scheitern beständig schon in der Vorrunde. Werfen wir also mal einen Blick auf die fernen Kandidaten, die unsere Interessen in Berlin vertreten wollen. Profile mit Plus und Minus und Prognose.

CDU: Katharina Landgraf

Foto: AG Gymnasium Melle (CC by sa 3.0)

Die 63-jährige Diplom-Ingenieurin aus Pegau ist nicht nur in optischer Hinsicht die graue Eminenz in der CDU Leipziger Land. Weil man mit einem feudal-adligen Namen wie Landgraf bei den Kommunisten und Sozialdemokraten kaum Chancen hat, blieb ihr 1988 nichts anderes übrig, als in die CDU einzutreten. Dort machte sie Karriere und ist seit 12 Jahren Mitglied im Deutschen Bundestag.

Minus: Gehört dem gleichen Jahrgang an wie Angela Merkel und damit der Generation, für die das Internet noch Neuland ist. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass ihr Werbevideo nicht auf youtube, sondern versehentlich auf yourporn [Rubrik: secret Milf] hochgeladen wird. Vorteil: Bringt mehr Seitenzugriffe.

Plus: Soll ihre Diplomarbeit noch selbst geschrieben haben. Außerdem: Kandidiert zum fünften Mal für den Bundestag und hat damit im Wahlkampf unter allen Bewerbern die besten Chancen, Markranstädt auch ohne Navi zu finden.

MN-Prognose: Wenn sie sich ihre Haare nicht kurz vor Schluss noch blau färben lässt, kann sie vor der Ziellinie sogar locker austrudeln.

SPD: Markus Bergforth

Mit grade mal 50 Jahren in der politischen Pubertät angekommen, will der Projektleiter aus Brandis schon in den Bundestag. Über Kindergarten und POS gelangte Bergforth 1996 schließlich in die Arme der Sozialdemokraten. Heute ist er Chef des Leipziger SPD-Kreisverbandes und sitzt im Stadtrat von Brandis.

Minus: Hat noch nicht mal einen Eintrag bei Wikipedia. Außerdem muss er nach der Panne des Schulz-Zuges alles zu Fuß laufen.

Plus: Verfügt über umfangreiche Kompetenzen in der Hochwasserhilfe und kann daher souverän mit der Situation umgehen, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.

MN-Prognose: Zehrt von den alten Erinnerungen jener Sozialdemokraten, die noch nicht von Demenz befallen sind und hat Chancen auf einen Notsitz im Bundestag.

AfD: Lars Herrmann

Der Polizeioberkommissar aus Parthenstein (Klinga) ist mit 39 Jahren das absolute Kücken unter den Bewerbern und hat noch keinerlei politische Schambehaarung.

Nach einem längeren Auslandseinsatz in Frankfurt/Main wurde er im Jahr 2000 wieder an die sächsische Heimatfront versetzt. Hier qualifizierte er sich für den gehobenen Dienst und studierte Volkwirtschaftslehre.

Minus: Ist Gruppenleiter im Streifendienst und treibt sich als solcher auf dem Leipziger Hauptbahnhof rum.

Plus: Im Kampf gestählt. Hat von den Hamburger Chaostagen über Castor-Transporte bis hin zu unzähligen Einsätzen bei Fußball-Schlachten schon überall für Zucht und Ordnung gesorgt. Das will er jetzt auch im Berliner Regierungsviertel durchsetzen.

MN-Prognose: Die größten Gegner sind nicht seine Mitbewerber, sondern die Medien. Wenn er trotzdem durch kommt, hat Bergforth in ihm wahrscheinlich einen Abnehmer für die heimlich gebuchte Monatskarte nach Berlin.

LINKE: Dr. Axel Troost

Foto: Gerd Seidel (CC by sa 3.0)

Der Mann mit der Glaskugel. Diplom-Volkswirt Troost promovierte 1982 und damit bereits 26 Jahre vor der Finanzkrise mit einer Doktorarbeit über Staatsverschuldung und Kreditinstitute. Mangels Computertechnik in der DDR musste er dabei sogar ohne [copy] und [paste] auskommen.

Troost ist im Volksmund der Schatten von Landgraf. Auch er ist Jahrgang 54 und seit 2005 im Bundestag. Das wars dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten.

Minus: Mit Wohnsitz in Leipzig repräsentiert er quasi nur einen Vorort von Markranstädt. Um dem mehr Würde zu verleihen, wirbt die LINKE in Lallendorf mit Plakaten von Katja Kipping, die eigentlich in Dresden kandidiert.

Plus: Formatfüllendes Profil. Wahrscheinlich der einzige Kandidat, der die Papierverschwendung durch Wahlplakate in DIN A0 auch ökologisch rechtfertigen könnte.

MN-Prognose: Kommt durch. Aus Angst vor Ärger mit der SED-Kreisleitung oder dem Rat des Kreises werden sich noch genügend Bürger finden, die bei ihm ihr Kreuz setzen.

FDP: Katja Tavernaro

Mit 40 Jahren ist Katja Tavernaro die einzige Bewerberin in gebärfähigem Alter. Von Beruf ist sie FDP, also Rechtsanwältin. Sie wohnt in Colditz und hat daher zu Markranstädt eine genauso enge Bindung wie Recep Erdoğan zu Gunter Gabriel. Aber im Fahrwasser ihres populären Parteichefs Patrick Lindner werden ihr durchaus Chancen eingeräumt.

Minus: Bei einem Wahlergebnis von über 5 Prozent würde die FDP zwar in den Bundestag einziehen, hätte dort aber mehr Sitze als Mitglieder.

Plus: Hat den Hype um RB Leipzig widerstanden und ist Fan von Dynamo Dresden geblieben. Kann daher auch mit Niederlagen umgehen.

MN-Prognose: Wie es in den anderen Republiken des Landkreises aussieht, lässt sich schwer sagen. In Markranstädt zumindest haben die Freien Demokraten seit einigen Jahren abgegessen. Schwer vorstellbar, dass sie mit dem Endspurt was zu tun hat.

B90/DIE GRÜNEN: Dr. Gerd Lippold

Foto: Sandro Halank (CC by sa 3.0)

Seit sich die GRÜNEN nicht mehr um das kümmern, wovon sie Ahnung haben, sondern nur noch um bedingungsloses Welcome für alle, haben es ihre Kandidaten schwer. Das gilt auch für den promovierten Diplomphysiker Dr. Gerd Lippold, der zwei Tage vor der Wahl 56 wird. Bei der letzten Landtagswahl zog der Leipziger mit nur 2,3 Prozent der Stimmen über einen Listenplatz ins sächsische Parlament ein. Für den Bundestag muss er da wohl noch eine Schippe drauflegen.

Minus: Wird vor allem dem dunkelgrünen Klientel schwer erklären können, was der Kandidat einer Umweltpartei in der Geschäftsführung eines Chemiekonzerns macht.

Plus: Ähm … ja … Ach so, ja! Hat drei Töchter und damit seinen Beitrag für die Amortisation unserer Gesellschaft übererfüllt.

MN-Prognose: Seit die GRÜNEN in der vorletzten Legislatur nicht mal mehr ihren Sitz im Markranstädter Stadtrat wahrgenommen haben, ist deren Farbe dauerhaft aus der hiesigen Parteienlandschaft getilgt. Keine Chance für Dr. Lippold – jedenfalls nicht zwischen Floßgraben und Zschampert.

Schlussbemerkung:  Neuland Internet bietet die Möglichkeit zum Angebot von Pressefotos. Manche Kandidaten/Parteien nutzen das, andere nicht. Daher konnten hier leider nicht von allen Bewerbern Fotos veröffentlicht werden.

 

Fragezeichen hinter der Blitzersäule

Was die historische Tragweite ihrer Geschichte angeht, so scheint die Causa „Blitzer“ in der Zwenkauer Straße der Frankenheimer Schranke den Rang ablaufen zu wollen. Gestern wurde der verbliebene Fotoapparat stadtauswärts auch für Aufnahmen in stadteinwärtiger Richtung ertüchtigt. Irgendwie scheint aber auch das nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Folgt da bald noch ein Kapitel?

Was bisher geschah: In der Zwenkauer Straße wurde für jede Fahrtrichtung je eine Blitzersäule errichtet. Weil es der Deutsche aus Gründen des Rechts am eigenen Bild nicht mehr gewohnt ist, ungefragt fotografiert zu werden, setzt er sich zunehmend gegen solche Praktiken zur Wehr.

Findigen Rechtsanwälten ist bei der Aufarbeitung eines solchen Delikts aufgegangen, dass die Fotostele sowieso zu nah an der Ursache ihrer Existenzberechtigung stand. Also wurde sie entweiht und zurückgebaut.

Auf die Veröffentlichung belastbarer Zahlen wurde bei diesem Vorgang weitgehend verzichtet. Im Bemühen, ihn als juristischen Präzedenzfall unbrauchbar zu machen, erschöpften sich die Begründungen in schwammigen Floskeln. Trotzdem ist bei einigen Quellen durchgesickert, dass der Abstand zwischen 30er Schild und Blitzer wohl 150 Meter betragen müsse, sich im konkreten Fall aber auf nur 70 Meter belief.

Trotz fehlender Drohkulisse

Seither gab es nur noch den stadtauswärts positionierten Blitzer. Machte aber nichts. Sei es aus gewachsenem Bewusstsein oder inzwischen entwickelter Macht der Gewohnheit, auch stadteinwärts gingen die Bremslichter weiterhin an. Trotz fehlender Drohkulisse.

Man hätte die Situation also auch durchaus so belassen können. Hätte. Wenn da nicht die drängenden Fragen nach innerer Sicherheit wären, die gerade vor Bundestagswahlen immer lauter werden. Wenn er schon für wichtige Sicherheitsfragen in Sachen Unterbringung und Betreuung von Zuwanderern oft genug nicht zuständig ist oder gar nicht mehr wahrgenommen wird, muss der Landkreis wenigstens im Straßenverkehr zeigen, dass er noch zu etwas nutze ist.

Als weithin sichtbares Manifest dieser Existenzberechtigung wurde nun der bestehende Blitzer mit einem Objektiv auf der Rückseite ertüchtigt, um auch dem stadteinwärts rollenden Verkehr das unmissverständliche Zeichen zu geben, dass in dieser Stadt Zucht und Ordnung herrschen. Zumindest auf den Straßen.

Der Blitzer wurde gestern zweidimensoinal ertüchtigt.

Dieses wohltuende Gefühl, dass sich da jemand für unsere Sicherheit und endlich auch mal unser Bedürfnis nach Ruhe berufen fühlt, hat aber schon Risse bekommen. Denn wie war das gleich noch mal mit den Abständen? Hundertfünfzig Meter, siebzig Meter … Ja, jetzt kommt die Sache mit den 14 Metern.

Wenn jemand aus der Lausener Straße kommt und in die Zwenkauer Straße einbiegen will, verlässt er die Tempo 30-Zone. Das heißt, ab dem Punkt darf er 50 km/h fahren. Stadtauswärts wird dies erst an der Gartenstraße wieder eingeschränkt. Dort steht das Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung 30. Dumm nur, dass sich der Blitzer nur rund 14 Meter dahinter befindet.

Im Rechtsverständnis des Durchschnittsbürgers bedeutet dies, dass man stadtauswärts erst bei einem Tempo über 50 km/h geblitzt werden darf. Alles andere wäre dann wieder eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild.

Nun ja, wenn man sich diesen Aktionismus so vor Augen hält, könnten einen tatsächlich Zweifel darüber kommen, dass es sich um eine Maßnahme für die Durchsetzung von Sicherheit und Lärmschutz handelt.

Viel eher hat es den Anschein, als sollten die Kosten von Auf- und Rückbau des Blitzers auf der gegenüberliegenden Seite wieder reingeholt werden. Ein mittlerer fünfstelliger Betrag war das immerhin.

30 oder 50, das ist hier die Frage. Wie hoch ist die zulässige Geschwindigkeit?

Aber ob es korrekt ist, das Teil bereits ab Tempo 30 blitzen zu lassen, ist zweifelhaft. Zumindest wenn man glaubhaft darstellen kann, dass man aus der Lausener Straße kam und wegen nahenden Verkehrs in erlaubtem Maße bis 50 beschleunigen musste.

Ende der 30er Zone in der Lausener Straße. Ab hier darf man bis zur Gartenstraße 50 fahren, doch nur 14 Meter dahinter lauert schon der Blitzer. Korrekt?

Tempo 30 dient in Markranstädt ausdrücklich dem Lärmschutz. Wo Ruhestörung aufhört und Lärm anfängt, darüber streitet man sich gegenwärtig auch auf einem ganz anderen Betätigungsfeld.

Es wäre dem Sicherheits- wie auch dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung sicher dienlicher, wenn der Landkreis auch in diesem Bereich bei der Kontrolle und Ahndung  den gleichen Eifer an den Tag legen würde.