Tierisch gute Momente

In Markranstädt scheint in letzter Zeit so wenig zu passieren, dass sogar gestandene Satiriker bisweilen in Sekundenschlaf fallen. Auch auf den einstigen Kriegsschauplätzen in den sozialen Netzwerken kann man inzwischen sein eigenes Echo hören. Sogar die offiziellen Seiten zeigten nur hier und da mal einen Neujahrsgruß. Aber ist die Lage wirklich so mau?

Es soll ein Wahljahr werden, dieses 2017. Und wie es sich gehört, hält man dann auf Markranstädts Straßen Ausschau nach Plakaten. Aber was muss man da sehen?

Ist die Scheidungsrate an den Ufern des Zschampert wirklich so hoch, dass die meisten Einwohner Weihnachten alleine feiern mussten und sich nun kompromisslos nach Zweisamkeit sehnen? Durchaus möglich. In Ermangelung humanoider Gefährten wird dem Lallendorfer Plebs deshalb geraten, sein Glück mal bei Tieren zu versuchen.

„Partner Pferd“ prangt es von den Laternenpfählen und Werbeflächen. Man hätte da sicher auch einfach nur „Sodomie“ hinschreiben können, aber das versteht ja niemand mehr in unserer Smiley-Gesellschaft.

Werde zum Tier!

Gleich gar nicht würde jemand dem Slogan Glauben schenken, dass sich auf der Leipziger Messe alle 11 Minuten ein Single in ein Pferd verliebt.

Da sollte man doch lieber an die Bar im Holzwurm gehen und sich alle 11 Minuten in ein neues Getränk verlieben („Ich barshippe jetzt!“) Aber der Wille ist des Menschen Himmelreich.

Willst Du reiten? Hengste und Stuten, alle elf Minuten…

Also zur Erklärung: Sodomie ist, wenn jemand zum Beispiel mit einem Pferd zusammen lebt. Okay, schwer vorstellbar für Menschen, die in einem Plattenbau wohnen. Dank also an dieser Stelle dem sozialen Wohnungsbau, der solche Perversionen gar nicht erst hochkommen lässt.

Dann gibt es ja auch Pferde, die ab und zu mal ausschlagen. Schwierig, wenn man im höchsten Moment zärtlichen Beisammenseins was mit einem Huf verbraten kriegt. Da kann aus Sodomie auch ganz schnell mal Sadomie werden.

Wahrscheinlich raten Zoohändler deshalb, zunächst mal mit einer Schildkröte oder einem Kanarienvogel anzufangen. Auch Goldhamster sollen sich für Einsteiger gut eignen.

Hat man diese ersten Flirt-Erfahrungen gut verarbeitet, kann man sich allmählich an höhere Wesen wagen. Hauptsache ist immer die Liebe zum Tier.

Sollten Sie allerdings auf der Straße einem Polizisten mit seinem Spürhund begegnen, so handelt es sich dabei meist nicht um Gleichgesinnte. Die Experten sprechen hier vielmehr von einem reinen Dienstverhältnis und das hat nichts mit Singlebörsen à la „Partner Pferd“ zu tun.

Mach mir den Hengst!

Wie dem auch sei und was immer hinter den Gardinen in den Markranstädter Schlafzimmern passieren mag: Wenn man es dort wiehern hört, muss man trotzdem noch längst nicht die Polizei rufen. Meist handelt es sich nur um das Ausleben tierischer Langeweile, weil eben in Lallendorf in letzter Zeit sonst nichts zu passieren scheint.

Dabei passiert durchaus was an den Ufern des Zschampert. Nachdem der Neuländer Bote bereits im August vergangenen Jahres vor massiven Ernteausfällen der Marshmallow-Bauern gewarnt hat, freuen sich die hiesigen Landwirte, jetzt doch noch reichlich von dem Zeug einfahren zu können. So wird seit vergangener Woche zwischen Schkeitbar und Frankenheim eine prächtige Marshmallow-Ernte in die Scheunen gebracht.

Viel Schein, wenig Sein: Die Marshmallow-Ernte in Markranstädt ist ein Schlag ins Wasser.

Leider lässt die Qualität zu wünschen übrig. Landwirt Hubert Bauermann (71): „Das Gelumpe doocht üworhaubd nüschd diesschoohr. Das gämmor bäsdnfalls ans Viehzeich forfiddorn odor zom einschdrein nähm.“

Angesichts dieser dramatischen Lage der Markranstädter Marshmallow-Bauern käme jetzt ein kommunaler Rettungsschirm grade richtig.

Leider ist die einzige Person im Rathaus mit ausreichend Kompetenzen, Tatendrang, Visionen, Entscheidungsfreude und Weitblick seit längerer Zeit erkrankt. Aber wenigstens dadurch ist die Stadt in den letzten Tagen mal Gegenstand lokaljournalistischer Berichterstattung geworden.

Das heißt: So ganz richtig ist diese Aussage auch nicht. Optisch wars eher eine Marginalie, die da durch die LVZ ans Licht kam. Inhaltlich aber handelte es sich um ein Schwergewicht. Auf der händeringenden Suche nach personeller Entlastung im Personalbereich sei im Rathaus eine Frau eingestellt worden, die ihren Dienst gar nicht erst antreten konnte.

Die gute Frau sei schlichtweg schwanger. Das ist zunächst eine sehr freudige Nachricht, beweist sie doch, dass es noch Menschen gibt, die herkömmlichen Beziehungen den Vorzug gegenüber Modeerscheinungen wie „Partner Pferd“ geben.

Der Hunger bewegt sich!

Aber dass ausgerechnet ein Arzt mit Kernkompetenzen im Personalwesen den Bauch einer werdenden Mutter übersieht oder vielleicht sogar als Hunger-Ödem umdiagnostiziert, hat dann doch für die Langeweile in den ersten Tagen des neuen Jahres entschädigt.

Adipöses Hunger-Ödem. Es ist zutiefst humanistisch, einer derart Betroffenen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in einer Stadtverwaltung zu bieten.

Vielleicht gibt’s ja jetzt wieder einen Rechtsstreit? Hatten wir lange nicht. Die letzte Auseinandersetzung vor dem Richtertisch fand im Sommer letzten Jahres statt. Jetzt aber hätte die Stadt wahrscheinlich gute Chancen. Vertragswidriges Verhalten der Arbeitnehmerin. Spiske hatte eine Person eingestellt und jetzt kriegt er zwei. Erinnert irgendwie an die trojanische Variante von „Partner Pferd“.

Obwohl: Stimmt auch nicht ganz. Nicht zwei sind es, die das Rathaus (und damit auch Sie als Steuerzahler) an der Backe hat, sondern drei. Denn nun musste ja auch noch eine Mutterschaftsvertretung her. Zumindest hat man bei deren Einstellung aus den biologischen Unabwägbarkeiten gelernt. Es ist ein Mann, der es jetzt temporär in der Personalabteilung richten soll. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Männer können zwar mal dicke Eier haben, aber nicht schwanger werden. Alles wird gut.

 

…und zum Dessert: Ingwer an Schneekugel

Will man Gerüchten und einschlägigen Informationen in sozialen Netzwerken Glauben schenken, gibt es auf dem Alten Friedhof nicht nur im Winter reichlich Schnee. Am Wochenende gabs allerdings ausnahmsweise was von der echten Ur-Form aus dem Himmel. Aber auch wenn es die lang ersehnten Flocken waren, so brachten sie doch nicht nur ungetrübten Winterspaß mit sich.

Und plötzlich war das Leben auf den Alten Friedhof zurückgekehrt. Der Tempelberg des Kriegerdenkmals wurde kurzerhand zur Rodelbahn und zwischen den Bäumen tummelten sich Schneemänner mit und ohne Migrationshintergrund.

Schnee ist bei uns so selten, dass man die Kinder sicherheitshalber über grundlegende Verhaltensweisen im Umgang mit der weißen Pracht aufklären sollte. Zum Beispiel darüber, dass man gelben Schnee nicht isst und andere Kinder damit auch nicht einseift.

Idyll wie aus dem Bilderbuch: Schnee, geschmückter Baum, traumhafter Halbmond … nur die Schneemänner fehlen. Wahrscheinlich auch alle krank.

Leider ist es ja sowieso nicht mehr so wie früher. Was hatten wir für einen Spaß daran, unsere Namen in die Schneedecke zu pieseln. Uwe, Frank, Olaf, Kai – es war immer ein toller Jux.

Bei den heutigen Namen ist das ohne das Mitführen einer externen Blase gar nicht mehr möglich. Auch platzmäßig wäre der Alte Friedhof nicht ausreichend für Marcel-Kevin-Dustin-Jason und die anderen Jungs aus seiner Clique.

Mädchen sind bei solchen Übungen per se außen vor. Alice Schwarzer solls aus Gründen der Gleichberechtigung als junge Frau mal versucht haben. Angeblich hat sie sich beim „z“ ihres Nachnamens einen dauerhaften Hüftschaden zugezogen. Man sollte im Winter eben lieber rodeln, Ski fahren oder Schneemänner bauen.

Wundern Sie sich eigentlich auch darüber, dass wir überhaupt noch „Schneemann“ sagen dürfen? Hier hätte doch längst eine gendergerechte Sprachlösung gefunden werden müssen. Vielleicht geschlechtsneutral als Schneefigur, political correct als Schneemann/-männin oder der universitäre Kompromiss als die Schneemann oder der Schneefrau?

Der leichte Marmor-Effekt kommt durch den mit aufgerollten falschen Ingwer. Man kann ihn aber auch rausknaupeln und damit die Knöpfe imitieren.

Und überhaupt: Warum darf so ein Schneemann in unserer bunten Multikulti-Gesellschaft überhaupt noch weiß sein? Das ist ein unerträglicher Zustand, eine Verletzung der Gefühlswelt Andersfarbiger. Wo bleibt der Aufschrei von Claudia Roth, Renate Künast, Katrin Göring-Eckardt und den anderen selbsternannten Anwälten unterdrückter Ethnien?

Gut, bleiben wir lieber in Markranstädt und werfen noch einmal einen Blick auf den Alten Friedhof. Statt des ausgebliebenen grünen Wunders wird hier bald das blaue Wunder folgen, das dann jedoch braun aussieht.

Nach Einbruch des Tauwetters wird dort, wo heute noch Schneefiguren stehen, das Konzentrat der mit den weißen Kugeln zusammengerollten Abfälle thronen.

Schon gestern rannte so manches Kind aufgeregt zu seinen Eltern und wollte wissen, was das ist, das es da soeben aus dem Bauch des Schneemanns geknaubelt hatte.

Spuren im Schnee

Nein, es war kein gefrorener Ingwer. Es waren die sorgsam aufgerollten Reste der kläglich gescheiterten Versuche von Bello, Nero, Idefix und Pluto, ihre Namen auf die heilige Friedhofserde zu scheißen. Das passiert da jeden Tag, auch wenn es nicht schneit. Sogar besonders dann, wenn es nicht schneit.

Ingwer-Lese in Markranstädt. Schneemann bauen avanciert hier zu einer Art vorgezogenem Frühjahrsputz.

Denn nur dann können diese Hinterlassenschaften ihre komplette perfide Wirkung entfalten. Sie lauern unter der Schneedecke und warten dort auf drüberrollende Kugeln, um anzudocken und sich so in den Schneemann einzuschleusen.

Still und starr ruht der … Haufen

Der weiße, kalte Kerl mit dem verschmitzten Grinsen und dem Topf auf dem Kopf ist nämlich ein beliebtes Wirtstier frei lebender Hundekacke. Markranstädt ist ein wahres Habitat für die Population solcher Exkremente.

Und das nicht nur zur Winterszeit, nein auch im Sommer, wenn es schneit.

 

Neujahrs-Erfolg: Tischler stiftet Glas für Kinder

Das erste Wochenende 2017 wurde mit für unsere Region verhältnismäßig reichlich Schnee eingeläutet. Auf diesem marschierten am Samstag über einhundert Interessierte wackeren bis rutschigen Fußes zum Neujahrsempfang des Bürgermeisters ins KuK. Ob trotz oder gerade weil der Gastgeber in seiner quasi nachbarschaftlich angesiedelten Kurpfalz fehlte, war nicht auszumachen Aber erlebenswert war die Veranstaltung allemal.

Die schönste Erkenntnis: Was den Nachwuchs an Bläsern angeht, muss es einem in Markranstädt nicht bange sein. Das Orchester Youth Brass des Gymnasiums spielte auf und unterhielt auch zwischendurch mit unterhaltsamen Rhythmen. Da freut man sich für die kommenden Generationen. Der Wunsch, „immer Luft in der Trompete“ zu haben, sorgte denn auch für ungeteilte Zustimmung.

Wie immer, wenn ein Bürgermeister nicht greifbar ist, musste auch diesmal improvisiert werden. Die legendäre Doppelspitze Lehmann-Kirschner hat aber scheinbar ausgedient. Obwohl Beiden allein wegen ihrer Parteizugehörigkeit christliche Wurzeln nachgesagt werden können, war die Offenbarung des Heiligen Jens wohl zu harter Stoff für seine haupt- und ehrenamtlichen Stellvertreter. So komplettierte also FWM-Fraktionschefin Kirsten Geppert das Triomphirat und verlas das Grußwort des erkrankten Propheten.

Wenngleich am Ende der Prophezeiung hoffnungsvolle bis versöhnliche Worte zu vernehmen waren, hielten sich die einleitend erzeugten Stimmungsbilder hartnäckig bis zum Ende. Der Versuch, zu Beginn finstere Wolken über Europa zu zeichnen, die man schlussendlich hier vor Ort vertreibt, war … na ja … Dem Wetterbericht für Markranstädt wird bei solchen Anlässen eben doch aufmerksamer gelauscht als der meteorologischen Situation rund um den gesamten Globus.

Das Markranster Dreigestirn

Immerhin durfte Geppert als Erste reden, was die mit mehr Herzblut und Authentizität geimpfte Neujahrsansprache der Ersten Beigeordneten Beate Lehmann normalerweise zu einem Co-Referat degradiert hätte. Wenn da nicht eben jenes Herzblut gewesen wäre, das auch geübte Selbstkritik an der Verwaltung wie ein versöhnliches Lied klingen ließ. So sei das bisherige Treiben um die neue Kita am Bad laut Lehmann „sicher kein Ruhmesblatt“ gewesen und in Sachen schnelles Internet habe die Stadt deutlichen Nachholbedarf, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Auch bei der Verteilung der Lorbeeren beließ es die Beigeordnete nicht bei den erwarteten Floskeln, sondern überraschte mit einer gerechtfertigten, aber dennoch so nicht erwarteten Laudatio auf das Bauamt. „Mitunter konnte man den Eindruck gewinnen, dass Markranstädt nur noch aus fehlenden Toiletten, fragwürdigen Kita-Standorten und überhöhten Kosten für Neubauten besteht.“, machte sie ihrer Enttäuschung über das Missverhältnis zwischen Kritik und Anerkennung im zurückliegenden Jahr Luft.

Es war nicht alles schlecht

Sie lobte den oft gescholtenen Fachbereich Bau für den in nur drei Wochen realisierten Kraftakt, einen Fördermittelantrag für den Bau des Rundweges um den See zu realisieren. Noch tiefer wird die satirisch Verneigung vor dem Hintergrund der im Hofstaat kursierenden Gerüchte, dass sich die Minister diese Maßnahme quasi ohne königliches Edikt selbst auferlegt haben.

Der Dritte im Bunde der Neujahrs-Troika, war Dr. Volker Kirschner. Der laut SPIEGEL auch im Dezember Braungebrannte ward zwar danach nicht mehr gesehen, durfte aber im Anschluss an Lehmanns Ausführrungen die Würdigung der auszuzeichnenden Ehrenamtler ankündigen. In Jeans übrigens – und nicht in weißen Hosen.

So selten wie bei Bombenattentaten ist häufig auch die Trefferquote bei Auszeichnungen und daher muss man einfach hervorheben, dass es diesmal wirklich die Richtigen getroffen hat. Dieter Rackwitz, Horst Schindler und Bernd Meißner waren die zu Recht fürs Ehrenamt Geehrten, deren Laudatien von Oliver Fritzsche (MDL CDU), Jens Radtke (SSV Kulkwitz) und Pfarrer Zemmrich (in Vertretung des Herrn) gehalten wurden.

Segen von unten und oben

Seinen Ausklang fand der Neujahrsempfang mit einer Versteigerung interessanter lokalhistorischer Artefakte zugunsten des Markranstädter Kinderfestes. Von den acht offerierten Exponaten kamen aus Zeitgründen nur vier unter den Hammer, aber deren Erlöse hatten zu diesem Zeitpunkt bereits alle Erwartungen übertroffen.

Am Anfang noch für sein Vorhaben belächelt, für keines der Objekte einen Zuschlag unter einer dreistelligen Summe erteilen zu wollen, sorgte der dritte Hammerschlag des Auktionators bereits beim ersten Exponat für Aufsehen. Ein historischer Pflasterstein aus den Tiefen der Leipziger Straße brachte sensationelle 205 Euro.

Auffällig: Die meisten Bieter waren Frauen, während deren Männer bescheiden bis demütig zurückhaltend daneben saßen und spätestens nach dem „…zum Zweiten“ auf ein höheres Gebot aus den benachbarten Stuhlreihen hofften. Deren Stoßgebete werden Pfarrer Zemmrich (der bei der Auktion übrigens sichtlich viel Spaß hatte) noch heute in den Ohren klingen. Diese Herren konnten auch gar nicht mitbieten, weil sie ihre rechte Hand ständig auf der rechten Arschtasche hatten, wo die Kreditkarte des Haushalts wohnt.

Offerte für Flaschenkinder

Auch bei der Flasche HAUSTRUNK der Markranstädter Brauerei (freilich leer), gestiftet von Tischlermeister Frank Michael aus der Schkeuditzer Straße, überbot sich das Publikum. Hier fiel der Hammer bei 100 Euro.

Als schlussendlich ein Trikot des Weltpokalsiegers Roter Stern Belgrad (gestiftet vom SSV Markranstädt) und eins von RB Leipzig (in Vertretung des Herrn … diesmal aber Mateschitz) ausschließlich im Dreikampf zwischen Amazonen ausgefochten wurde, war der Spaß fast schon auf dem Höhepunkt.

Auktion „rückwärts“

Aber dann kam laut Auktionator die „erste reziproke Versteigerung deutschlandweit“! Die seit Weggang der Sprecherin undesignierte Stadtsprecherin Heike Helbig hatte beim 20. Sächsischen Familientag an der Westufer-Promenade einen Werbebanner gerettet, ihn von Familienministerin Barbara Klepsch signieren und das Ganze bei Textil-Chirurgin Tina Spiske zu einer Tasche mit hohen Gebrauchseigenschaften umarbeiten lassen.

Der Auktionator zählte von 150 Euro langsam rückwärts, umspann diese Reliquie zwischendurch mit allerhand wertsteigernden Alleinstellungsmerkmalen und bekam schließlich bei 100 Euro seinen Zuschlag.

Sonderurkunde für Mann des Tages

Bemerkenswert: Es gibt allerhand kritische Zeitgeister, die diesen Neujahrsempfang nicht mit ihrer Anwesenheit ehrten. Aber auch von denen, die da waren, zog es so mancher vor, sich einem Bekenntnis zum Kinderfest durch Gespräche im Hintergrund zu entziehen.

Nicht so Lutz Gatter. Der ebenfalls streitbare Verfechter eines barrierefreien Markranstädt hätte für den 10 Kilo schweren Stein aus der Leipziger Straße beinahe den Zuschlag erhalten. Er hat das Bietergefecht selbstlos eröffnet, das Preisniveau der Auktion gestaltet und dadurch auch den Erlös für das Markranstädter Kinderfest mitbestimmt.

Dieser Mann bekommt in den nächsten Tagen eine Sonderurkunde der Markranstädter Nachtschichten, ebenso wie Dachdeckermeister Tilo Lehmann aus Frankenheim, der den Bann gebrochen und das erste Gebot des Tages abgegeben hatte.

Nicht anwesend, aber trotzdem da

Brisant: In genau jenem Moment, als Kirsten Geppert die Visionen ihres Bürgermeisters zur Stadtentwicklung verlas, strahlte der Beamer im „Random-Modus“ das Konterfei von Carina Radon auf die Leinwand im Background. Für Satiriker endgeil, von der Allgemeinheit aber offensichtlich kaum bemerkt. War aber nicht so. Die Erscheinung der Dahingegangenen war in den guten Gesprächen im Anschluss der Veranstaltung stark strapaziertes Thema.

directed by zufall

Wenn man der PR-Abteilung des Rathauses auch sonst wenig zuzutrauen scheint, ein Drehbuch à la Steven Spielberg im Zweifelsfall offenbar schon. Was den Kritikern wahrhaft augenscheinlich entging: Vorzugsweise waren normale Bürger zu sehen. Das MN-Team vor Ort konnte sich jedenfalls schon mit dem Random-Zufall anfreunden: Neues Jahr, neues Glück.

Einfach nur Spaß und große Herzen

Besonders sympathisch: Unsere Stadträte tun sich oftmals sehr schwer mit der Verabschiedung außerplanmäßiger Ausgaben. Bei der Auktion anlässlich des Neujahrsempfangs waren zumindest Kirsten Geppert (FWM) und Jens Schwertfeger (CDU) recht freizügig mit Handzeichen.

Und wie immer in der Geschichte, so steht auch hier hinter jedem erfolgreichem Mann eine starke Frau. Ehefrau Birgit hatte ihren höchstbietenden Gemahl Jens Schwertfeger sogar überboten und ihren Gatten damit zu Höchstleistungen getrieben.

Kinderfest kann durchstarten

Am Ende spülte die Auktion sage und schreibe 630 Euro in den Pott des traditionsreichen Markranstädter Kinderfestes. Noch bevor der Mann am Pult fünfstellige Startgebote für Neuwahlen aufrufen oder den verwaisten Thron des Markranstädter Rathauses unter den Hammer bringen konnte, musste die Auktion wegen der inzwischen fortgeschrittenen Zeit beendet werden.

 

Die Antwort lautet: 42

Ganz gleich, ob es sich um die Visionen von Jules Verne, Stanislaw Lem oder Alan Dean Forster handelt: Irgendwann werden sie Realität. Auch Douglas Adams sollte Recht behalten. Auf die „Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ rechnete ein Supercomputer im legendären Streifen „Per Anhalter durch die Galaxis“ mehrere Millionen Jahre und spuckte schließlich aus: „Die Antwort lautet 42“. Die Hintergründe beschäftigen seither sogar namhafte Wissenschaftler. Heute, nicht ganz 42 Jahre nach der Entbindung dieser Idee, bekommt die Zahl 42 auch für Markranstädt eine besondere Dimension.

So! Kurz durchgeatmet und auf geht’s ins Jahr 2017. Auch bei den Markranstädter Nachtschichten haben sich die Folgen des demografischen und gesellschaftlichen Wandels nachhaltig ausgebreitet.

Erreichtes Rentenalter, Wohnortwechsel, neuer Arbeitgeber (selbstredend in den alten Bundesländern und 95 unbezahlte Wochenstunden in der Probezeit) – und schon sind aus sieben kleinen Negerlein nur noch vier geworden. Trotzdem blicken wir voller Optimismus in die Zukunft, denn das Jahr 2016 ist Geschichte und schlimmer kann es nicht werden.

Das letzte Jahr hat ganz schöne Breschen geschlagen. Achim Mentzel, David Bowie, Johan Cruyff, Hans-Dietrich Genscher, Prince, Muhamad Ali, Götz George, Bud Spencer, Margot Honecker, Walter Scheel, Manfred Krug, Fidel Castro, Keith Emerson und Greg Lake; am Schluss auch Zsa Zsa Gabor und George Michael: Angesichts der Liste anno 2016 Verstorbener kann man es sogar einem Bürgermeister nicht übel nehmen, wenn er sich am Jahresende vorsichtshalber aus der Schusslinie nimmt. Eine Art selbst verordnete Schutzhaft sozusagen.

Seitenschubmaststapler/in

Was also lehrt uns das zurückliegende Jahr? Das Individuum Mensch hat nicht nur Schwächen, sondern kann sogar sterben. Diese Unzuverlässigkeit ist für das Wachstum, Wachstum, Wachstum der Weltwirtschaft ein einfach viel zu hohes Risiko. Der Tod ist schließlich nicht planbar und deshalb als Planungsgrundlage für ökonomische Entwicklungsstrategien untauglich. Kein Wunder also, dass sich der Mensch selbst ersetzt. Durch Maschinen. Nachfolgendes Inserat ist ein exponiertes Beispiel für den Einsatz automatisierter Humanressourcen, der anno 2017 auch vor Markranstädt keinen Halt mehr macht.

Wie in Gottes Namen mag ein(e) Seitenschubmastgabelstapler/in aussehen? Wer konstruiert sowas und auch noch gendergerecht in verschiedenen geschlechtlichen Ausführungen? Seitenstechen – ja. Seitenhieb auch. Aber Seitenschub? Oder doch Seitenschubmast? Na, dann doch eher Mastgabel, die von der Seite per Schub gestapelt wird. Aber wer bedient so ein Gerät eigentlich? Am Ende wieder nur ein Mensch oder doch ein Hochstapler? Auf alle Fälle gab es gleich zum Jahresbeginn bereits den ersten Kandidaten für das Markranstädter Unwort des Jahres 2017.

Wahlmüdigkeit der Nichtwähler

Das Markranstädter Unwort anno 2016 passt übrigens auch wie angegossen in diese morbide Grundstimmung. Also nicht das Wort selbst, sondern die Umstände, wie es zu diesen Ehren kam. Man könnte es statistisch ausdrücken und euphorisch mitteilen, dass 43 Prozent der Stimmen auf den „Gemeindevollzugsdienstmitarbeiter“ entfielen. Das wäre aber wirklich Schönfärberei.

Die Wahlbeteiligung war ätzend und lässt Schlimmstes für die anstehenden Bundestagswahlen befürchten. Insgesamt wurden nur 83 Stimmen abgegeben. Unser Experte für Digitales hat sogar herausgefunden, dass in Wahrheit nur 42 Leserinnen oder Leser abgestimmt haben. Der Rest waren Doppel- und sogar Dreifachklicks. Das ist in Anbetracht der inzwischen über eintausend mehr oder weniger regelmäßig lesenden Humorkonsumenten ein geradezu erschütterndes Ergebnis.

Aber es ist wohl eine für Markranstädter Verhältnisse durchaus übliche Zahl. Zur Erinnerung: Bei der Umfrage der Stadtverwaltung zum Kinderfest kamen von den über 14.000 ausgeteilten Fragebögen ebenfalls nur so um die 42 Stück zurück. Sind es immer die gleichen Verdächtigen? Sind nur 42 Menschen in Markranstädt LRS-resistent? Vielleicht wären es deutlich mehr Rückläufer gewesen, wenn man statt Fragebögen besser Meckerzettel ausgeteilt hätte?

Auch die Piratenpartei hat die Bedeutung der 42 erkannt. Genützt hat’s ihnen, zumindest in Markranstädt, bislang nichts.

Wie dem auch sei: Das Team der Markranstädter Nachtschichten bietet zwar Satire für lau, aber etwas Motivation muss schon sein. Deshalb wird in Bälde zu einschneidenden Änderungen geschritten! Jawollja, wir werden unsere Leserinnen und Leser zwingen, wenigstens die Maus ansatzweise zu bewegen.

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Am Ball bleiben ohne Granufink

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Für uns ergibt sich daraus die Motivation, dass wir wissen, für wieviele Interessenten wir hier nachts wirklich die Feder in satirischen Weihrauch tauchen. Wer schon angemeldet ist, braucht das übrigens nicht noch einmal zu tun. Sie bekommen Ihr Passwort rechtzeitig und vor allem ungefragt zugeschickt.

Ansonsten ist alles wie gehabt. Das neue Jahr hat so begonnen, wie das alte aufgehört hat. Man konnte es am hygienischen Zustand der öffentlichen Straßen und Plätze erkennen. Überall lagen gläserne Startrampen von Silvesterraketen und Pappreste der verfeuerten Munition umher, während in den weißen Wohnsiedlungen hinter der Frontlinie nicht einmal Spuren von Pulverresten festgestellt werden konnten. Es ist wieder einmal die Privatisierung von Spaß bei gleichzeitiger Sozialisierung der Folgen gewesen. Manche Dinge ändern sich nie.

Für kommenden Samstag hat der Bürgermeister zum traditionellen Neujahrsempfang ins KuK geladen. Wer darauf wetten möchte, dass da wieder nur die üblichen 42 Leute auflaufen, könnte aber knapp daneben liegen. Eher werden es nur 41 sein. Sie wissen ja … selbst verordnete Schutzhaft und so. Trotzdem wird es sicher reichlich gute Gespräche geben und ganz sicher werden auch wieder drei besonders engagierte Ehrenamtler ausgezeichnet.

Nix mit Bob Dylan im KuK

Die Markranstädter Nachtschichten sind laut einschlägigen Gerüchten diesmal nur denkbar knapp an einer Würdigung ihres ehrenamtlichen Engagements vorbeigeschrammt. Da wir selbst nicht ins KuK reisen können, wollten wir ersatzweise Bob Dylan zur Preisverleihung schicken und uns mit der Entgegennahme seines Nobelpreises in Stockholm revanchieren. Leider haben sowohl die Markranstädter als auch die schwedischen Kuratoren wenig Verständnis für diesen beispiellosen Akt internationaler Solidarität unter Künstlern gezeigt. Also werden wir wieder ein Jahr lang Taschenbillard an der unteren Einkommensgrenze spielen müssen. Bob sei Dank.

Aber trotz allem hält das Jahr 2017 auch Positives bereit. In den USA dürfen kleine Kondome (small size) ab sofort als groß (large) verkauft werden. Dafür werden die bisher großen Gummis von large auf extra large hochgestuft, die Extralargen werden zu Big-Sizern und so weiter. Der Grund: Die kleinen Fingerlinge fanden einfach keinen Absatz mehr. Nicht etwa, weil Donald Trump seine Wahlversprechen wahr gemacht und die Amis plötzlich ein Wachstum erlitten hätten.

Nie im Leben, kleiner Peter

Nein, es war die Bezeichnung. Wer will im Angesicht einer Apothekerin mit Herzkranzgefäßen des Formats F und höher schon gern mit einem stimmbrüchigen „small size please“ kontern? Aus dem gleichen Grunde hat der deutsche Hersteller Amor sein Bonsai-Sortiment schon vor Jahren von „Amor extra-klein“ in „Amor young“ umgetauft.

Die amerikanische Idee indes ist geistiger Diebstahl. Jawollja, ein Plagiat ist das und da ändern auch Ceta- oder TTIP-Abkommen nichts. Erfunden wurde diese Strategie nämlich in Seebenisch. Dort liegt der Wasserstand laut individuell verstellbarer Messlatte auch immer konstant, selbst dann, wenn gar kein Wasser mehr da ist. Aus Dürre wird Ebbe, aus Ebbe Flut, aus Flut Sintflut und so weiter.

Also dann, liebe Markranstädter Herren, ab in die Apotheke oder besser noch zu REWE. Ab 2017 können Sie mit einem selbstbewussten Lächeln die XXXL-Gummis aufs Band legen, das anerkennende Gesicht der Kassiererin studieren und trotzdem sicher sein, dass die Dinger noch vor ihrem finalen Einsatz nicht widerstandslos abfallen und wie eine Daunenfeder zu Boden schweben. Es ist nicht alles schlecht, was da auf uns zukommt.

 

Die Zwangs-Vizeweltmeisterin von Daegu

Am 30. August 2011 errang Jennifer Oeser bei den Weltmeisterschaften im südkoreanischen Daegu die Bronzemedaille im Siebenkampf. Die Freude war groß, auch wenn sie zwei Jahre zuvor in Berlin bereits Silber erkämpft hatte. Vor wenigen Tagen, genau an ihrem 33. Geburtstag, wurde aus ihrer Bronzemedaille von Daegu jedoch ebenfalls Silber, weil bei der russischen Weltmeisterin Tatyana Chernova deutliche Ausreißer in den Abgaswerten festgestellt wurden. Aber der Jubel bei Oesers hielt sich in Grenzen. Wir haben bei der nunmehr zweimaligen Vizeweltmeisterin aus Markranstädt nachgefragt, woran das liegt.

Während ein SPIEGEL-Reporter mit einstigen SSV-Protagonisten im Rosenkranz residierte, trafen wir uns außer Hörweite mit Jenny Oeser im Café Flemming.

Hallo Frau Oeser. Erstmal herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille. Haben Sie sich gefreut, als Sie von der Beförderung zur Vizeweltmeisterin erfuhren?

Na ja, Freude ist anders.

Klingt ziemlich verhalten. Diese Stimmung kennt man hierzulande eigentlich nur aus dem Rathaus, wenn der Podestplatz des Wahlsiegers von 2012 wegen Krankheit um die Weihnachtszeit mal wieder für einen Vize zur temporären Besteigung freigegeben ist. Wenn also nicht Freude, was dann?

Eine Art Genugtuung. Das triffts wohl am Besten.

Lassen Sie uns zunächst bitte bei den Gleichnissen bleiben. Umtausch-Aktionen verortet man häufig auf die Zeit nach Weihnachten. Könnte ja in Ihrem Fall auch so sein. Wie läuft denn so ein Medaillen-Umtausch eigentlich ab?

Keine Ahnung. Ich weiß ja noch nicht mal, ob das auch alles stimmt, was da so kursiert. Klar, bei der Chernova stand eine Dopingsperre im Raum, das weiß ich. Alles andere habe ich aber nur aus der Presse erfahren, auch das mit der Silbermedaille. Ich habe noch keine offizielle Mitteilung vom Verband erhalten oder wenigstens irgendwas in der Art. Kann ja auch sein, dass es der IAAF wie der UCI mit den Armstrong-Siegen bei der Tour de France macht und den WM-Titel nicht neu vergibt. Und einen Umtausch kann ich mir auch nur schwer vorstellen. Auf meiner Bronzemedaille ist mein Name eingraviert. Ich glaube nicht, dass Karolina Tyminska (die Polin ist quasi neue Dritte, d.R.) einen Oeser-Schrein in ihrer Wohnung hat, wo so ein bronzener Fanartikel mit meinem Namen als Blickfang drapiert werden kann. Und ich selber will mir auch keine Medaille mit dem Namen von Jessica Ennis-Hill ans Board hängen, auch wenn ich sie recht gut leiden mag. Also das ist alles schon ziemlich … unfertig und unbefriedigend. Bis jetzt jedenfalls.

Sie sind jetzt sozusagen Erste Beigeordnete von Neu-Weltmeisterin Jessica Ennis-Hill. Ist es nicht trotzdem schön, als zweimalige Vizeweltmeisterin in den Geschichtsbüchern zu stehen?

In welchen Geschichtsbüchern? Die, die sie meinen, wurden bereits 2011 gedruckt. Ist man schon so weit, dass man Bücher rückwirkend wieder umdrucken kann?

Äääh, nö…okay. Aber zumindest in den korrigierbaren Medien sind Sie jetzt mit Silber dekoriert.

Ja, in Wikipedia beispielsweise, wo nach so vielen Jahren bestenfalls ein paar Satiriker auf der Suche nach einem neuen Lacher reinschauen. Wenn das kein Grund zur Freude ist?

Klingt ziemlich ernüchternd. Fast so, als wollten Sie die Medaille gar nicht haben.

Na ja, ob da jetzt Silber oder Bronze in der Vitrine liegt, macht bestenfalls optisch einen Unterschied. Silber würde besser zur Einrichtung passen, Bronze gibt den effektvolleren Kontrast zur Tapete, aber ansonsten habe ich leider nichts davon.

Wie jetzt? Für eine Vizeweltmeisterin gibt’s doch bestimmt mehr Kohle als für einen dritten Platz, oder nicht?

Ja, dazu muss man aber sofort Zweite werden und nicht ein paar Jahre später. Glauben sie, die Chernova überweist mir jetzt die ihr zu Unrecht verliehene Prämie? Oder gar der russische Verband?

Ja.

Nein.

Das ist ein Ding. Sie darf das Geld behalten?

Genau darum geht es. Ich will nicht sagen, dass mir die Prämie egal ist, aber hier geht es in erster Linie um Sportlichkeit und Fairness. Und vor diesem Hintergrund ist es nicht in Ordnung, dass überführte Athleten nur gesperrt werden und es ansonsten keinerlei Konsequenzen gibt.

Dann liegt der Unterschied zwischen Platz drei und dem zweiten Platz ja wirklich nur in der farblichen Nuance der Medaille. Und was Sie da gerade beschreiben, ist eigentlich vergleichbar mit einem Dieb, der zwar verurteilt wird, aber die Beute behalten darf.

Wenn sie es so sagen wollen…

Aha, und das soll dann wankelmütige Sportler vom Doping abhalten?

Offensichtlich… Es geht ja nicht nur um Prämien. In manchen Ländern bekommt man für einen Sieg ein Haus geschenkt oder eine lebenslange Rente. Da kann man sich dann nach der Verurteilung in aller Ruhe aufs Sofa legen, gut dotierte Interviews geben und über all die lachen, die sich in Aussicht auf eine Holzmedaille über die Tartanbahn quälen.

Okay, ziemlich schwer verdauliche Kost. Da klettert man extra aus dem Redaktionsbunker ans Tageslicht, um einen auf die Silbermedaille zu heben und dann stellt sich raus, dass man statt Champagner lieber einen Psychologen hätte mitbringen sollen. Aber es ist wirklich ein Unding, dass es eher ärgerlich ist, wenn man auf dem Podest nachträglich nach oben klettern darf. Man bekommt also im Grunde genommen Jahre später noch einmal deutlich vor Augen gehalten, worum man betrogen wurde?

So fühlt es sich an, ja.

Also lieber gar nicht erst aufs Treppchen kommen?

Das ist die Crux. Wenn man im Leistungssport nicht erfolgreich sein will, kann man es gleich sein lassen. Aber es betrifft ja nicht nur die vorderen Plätze. Schauen sie mal: Bei Olympischen Spielen kommt man in die Sportförderung, wenn man einen der ersten acht Plätze belegt. Da gibt’s dann zwei Jahre lang monatliche Beträge, man bekommt Trainingslager finanziert und so weiter. Ich war bei Olympia 2016 Neunte und damit raus aus der Förderung. Wenn ich jetzt nachträglich noch einen Platz nach vorn rutschen würde … ich mag gar nicht dran denken. Da würde der Ärger über all das überwiegen, worum ich unwiederbringlich betrogen wurde. Es gibt für sowas keine Erstattung, erst recht nicht für die verlorene Zeit. Das Opfer ist mehr bestraft als der Täter, das ist so!

Zum Glück scheint die Gefahr einer nachträglich besseren Platzierung nicht allzu groß zu sein. Die Russen waren in Rio ausgeschlossen, also kann da auch keine vor Ihnen liegen. Aber man sagt, unter den Siebenkämpferinnen wurde schon seit längerem über Tatyana Chernova gemunkelt. Stimmt das?

Davon habe ich auch gehört.

Einschmelzen, zurückschicken oder behalten? Jennifer Oesers Bronzemedaille von Daegu.

Woran erkennt man, ob da eine gedopt haben könnte? Die riechen doch sicher nicht aus dem Mund nach Prostata und haben alle Pickel, Bartwuchs oder klingen wie Iwan Rebroff?

Nein, es ist auch gefährlich, darüber Mutmaßungen anzustellen. Mitunter wird es als Indiz gesehen, wenn da plötzlich mal ein größerer Leistungssprung kommt. Den hatte die Chernova zwar, aber ich hatte beispielsweise auch mal einen kleineren. Die Ursachen können vielfältig sein und es ist gar nicht lustig, wenn man daran denkt, was die Anderen darüber so tuscheln mögen. Insofern halte ich mich mit Vermutungen sehr zurück. Zur Feststellung von Doping gibt es Kontrollen und nur wenn die positiv waren, kann man dazu vielleicht was sagen.

Okay, es müsste also härtere Strafen geben. Satiriker denken da automatisch an öffentliche Auspeitschungen, Streckbank und andere SM-Praktiken. Welche Strafen würden Sie in solchen Fällen aussprechen?

Ich würde nicht einmal unbedingt von Strafen sprechen. Gerechte Lösungen wären schon ein Fortschritt. Der überführte Athlet hat die Prämien zurückzuzahlen, die dann unter den nachrückenden Sportlern aufgeteilt werden. Wenn man die Medaillen neu vergibt, muss man auch die Prämien neu verteilen. Ansonsten ist das alles keine Lösung, sondern nur die Wahrung des Scheins zu Lasten der Würde ehrlicher Sportler und des Sports an sich.

Und der pädagogische Effekt wäre …

… dass es nicht nur um die reine Ahndung einer illegalen Tat geht, sondern dass eine abschreckende Wirkung gegeben ist. Diese fehlt zur Zeit komplett. Die Selbstverständlichkeit, mit der da teilweise gedopt wird; die Aussagen der Überführten, die jedes Unrechtsbewusstsein vermissen lassen und dann die lächerlichen Konsequenzen– da verschlägt es einem manchmal direkt die Sprache.

Tatyana Chernova hat bei ihrem Titelgewinn 2011 in einem Interview gesagt, dass es leicht war zu gewinnen, aber schwer, sich auf den Wettkampf vorzubereiten. Mal abgesehen davon, dass sie ihre Konkurrenz und damit auch Sie verbal zu Luschen degradiert hat: Was meinte sie in Bezug auf die Vorbereitung mit „schwer“? Wieviel wiegt so ein Gramm Doping?

Hmm … mir fällt es zum Beispiel schwer, sowas unter satirischen Aspekten zu sehen. Das ist schon fernab jeglicher Bodenberührung, was sie da gesagt hat. Aber es ist eben leider so, dass solche Dinge in Erinnerung bleiben und nicht die wirklich sauberen Leistungen ehrlicher Athleten. Noch heute spricht beispielsweise jeder von Jan Ulrich, aber wer kennt den Namen des Sportlers, dem Ulrichs Toursieg danach zuerkannt wurde?

Strahlt noch heute mit Bronze wie damals in Daegu und hat über Silber bis heute keine offizielle Mitteilung.

Stichwort Jan Ulrich & Co.: Man hat in solchen Fällen bisweilen das Gefühl, als würden denen die Fernsehteams am liebsten bis ins Schlafzimmer folgen wollen. Die „Nachrücker“ – und seit 29. November zählen ja auch sie zu diesem elitären Kreis – nimmt man dabei eher als sowas wie schmückendes Beiwerk in der Opferrolle zur Verkaufsförderung der Titelstorys wahr. Täuscht der Eindruck oder empfinden es die Betroffenen auch so?

(atmet tief durch) Na ja … man kann den Medien nicht vorschreiben, worüber sie berichten. Und wenn da so eine stundenlange Reportage über das Dopingsystem um Lance Armstrong kommt, ist deren Anliegen schließlich auch ehrbar. Aber es stimmt schon, dass man sich scheinbar recht wenig damit auseinandersetzt, was in den ehrlichen Athleten vor sich geht, also emotional. Wenn ich beispielsweise an Karolina Tyminska denke: Ich stand in Daegu als Dritte wenigstens auf dem Treppchen. Sie war Vierte und wurde um die sehr emotionalen Momente auf dem Podest betrogen. Das ist durch kein Geld der Welt wieder gut zu machen. Und wenn man dann aus heutiger Sicht noch sieht, wie ehrlich in solchen Fällen der Jubel der gedopten Sieger aussieht … für mich völlig unverständlich, dass man in solchen Momenten all das ausblenden kann.

Die Silbermedaille ist ihnen also egal, aber Sie werden sie wohl trotzdem nehmen müssen. Damit könnten Sie quasi die erste Zwangsvizeweltmeisterin der Sportgeschichte werden. Es sei denn, Sie setzen ein Zeichen wie seinerzeit Marcel Reich Ranicki mit dem Deutschen Fernsehpreis. „Ich lehne diese Auszeichnung ab!“ Wäre das auch eine Option?

Damit würde ich vielleicht meine Person in den Mittelpunkt stellen, aber nicht die Problematik an sich. Ich bleibe dabei: Wenn man nicht nur die Medaillen neu verteilt, sondern auch die Prämien und damit bei den Tätern für Konsequenzen sorgt, schafft man nicht nur eine abschreckende Wirkung, sondern gibt den nachträglichen Ehrungen und den Geehrten auch so etwas wie Würde. Eine Ersatzmedaille im Briefkasten und eine korrigierte Tabelle bei Wikipedia erfüllen diese Merkmale nicht. Ein Anfang wäre aber schon, dass die betreffenden Athleten offiziell vom Verband oder der IAAF informiert werden und man ihnen gratuliert. Dies ist zumindest in meinem Fall bis heute noch nicht geschehen und ein echtes Armutszeugnis. Es fängt eben oft bei kleinen Dingen an…

 

Spieglein, Spieglein in der Hand…

Manchmal muss man als Journalist sowas wie Visionen haben. Gerade dann, wenn es um Fußball geht. Weil man in Hamburg in Bezug auf den HSV zur Zeit gar nicht so viel Visionen wie nötig aufbringen kann, haben sich die SPIEGEL-Redakteure aus gegebenem Anlass auf einen anderen Verein gestürzt. Der SSV Markranstädt wurde in der jüngsten Ausgabe zum bundesweiten Thema. Sowohl faktisch als auch postfaktisch gab es zwar nichts Neues, aber allein die Beschreibungen der handelnden Personen hätten gestandene Satiriker nicht eindrucksvoller formulieren können.

Auslöser des SPIEGEL-Artikels war wohl der Gipfel in München, bei dem die bajuwarischen Lederhosen-Toreros die roten Bullen aus Sachsen-Österreich bis zur bedingungslosen Kapitulation durch die Allianz-Arena hetzten. Dass die Begegnung so deutlich für Hausherren ausgeht, konnten natürlich auch die SPIEGEL-Journalisten nicht ahnen.

Denen reichte wohl schon die sich bereits im November herauskristallisierende Verheißung, dass da kurz vor Weihnachten der Tabellenführer gegen seinen Ersten Beigeordneten spielt.

Immer wieder RB, das wird aber langweilig. Also besann man sich in Hamburg auf die Wurzeln der Roten Bullen und warf mal wieder einen Blick in deren Kälberstall. So kam es Anfang Dezember an verschiedenen Orten in Markranstädt zum großen Showdown.

Macher, Muckis & Moneten

In seinem Büro durfte Holger Nussbaum seine SSV-Memoiren in die Notizblöcke der Hamburger diktieren, im Rosenkranz wurde Volker Kirschner empfangen und auch eine im SPIEGEL-Artikel nur kurz am Rande erwähnte Person unterzog sich in diesem Zusammenhang einem journalistischen Verhör.

Wie schon erwähnt: Neuigkeiten waren Mangelware, abgesehen von der Aussage Nussbaums, dass er im Juni 2015 in der Tat von der 1:4-Heimniederlage beim Relegationsrückspiel gegen Luckenwalde überrascht war.

Zur Erinnerung: Der Spielverlauf damals gab andere Zutaten in die Gerüchteküche. Fünf Stammspieler und der Trainer hatten vor der Relegation bereits bei anderen Vereinen für die nächste Saison unterschrieben und ausgerechnet einer der fünf Fremdgänger leistete den Markranstädtern mit einer roten Karte schon in der 19. Minute einen Bärendienst. Die gesamten 90 Minuten wirkten eher wie Planerfüllung denn Aufstiegskampf.

Aber das ist auch schon längst Geschichte und so brillierte der SPIEGEL-Journalist vor allem mit Beobachtungsgabe bei den Studien seiner Gegenüber. Er attestiert Holger Nussbaum beispielsweise beeindruckende athletische Fähigkeiten: „… stemmt sich schneller aus seinem Bürostuhl, als man es ihm zugetraut hätte.“ Auch von textilem Blendwerk ließ er sich nicht beirren und stellte unmissverständlich klar, dass Nussbaums „dunkelblauer Pullover über die Jeans hochgerutscht war und sein Hemd eine Handbreit freilegte.“ Das liest sich eher wie eine Pressekonferenz in der Meri-Sauna.

Auch Kirschners Erscheinungsbild an jenem denkwürdigen Dezembertag im Rosenkranz hinterließ Wirkung: „ Zum Treffen in einem Restaurant kommt er ohne Jacke, seine Praxis liegt keine 100 Meter entfernt. Auch im Dezember ist Kirschner braungebrannt, zu seinen silbernen Winfried-Kretschmann-Haaren trägt er einen dünnen Pullover ohne T-Shirt und eine weiße Arzthose.“

Das unterscheidet gestandene Bundesjournalisten von kläglichen Lokalsatirikern. Das gesamte Charisma des Arztes in zwei solch überwältigenden Sätzen zusammenzufassen, gelingt Letzteren nur nach einer Überdosis bewusstseinserweiternder Stimulanzien.

Adel verpflichtet

Unter einem Kasten Kellerbier und einer Flasche Grappa geht da gar nix. Beim SPIEGEL schaffen die das sogar nüchtern und können, quasi von Hamburg aus, sogar die anderen Attribute erkennen: „Kirschner, Jahrgang 1955, ist Markranstädter, Arzt, alter CDU-Adel, Jahrzehnte im Stadtrat, derzeit stellvertretender Bürgermeister.“

Bei den Markranstädter Nachtschichten hätte man es nach dem dritten Liter Gerstensaft und einer halben Flasche Grappa vielleicht mal mit „Volker Edler von Döhlen-Quesitz“ versucht und seine Hose als „sonnengebräunt wie eine Kellnerjacke“ bezeichnen wollen, aber an einem so sparsamen Dreh wie den mit dem CDU-Adel hätten wir selbst im Vollsuff tagelang geschraubt.

Na ja, das ist eben der Unterschied zwischen Amateuren und Profis, die dann sogar lasziv umschreiben dürfen, dass der sächsische Arzt den badischen Hydraulik-Migranten an den Managerposten eines kleinen Vorstadtvereins erst „heranführen“ musste.

Sowas dürfte man sich bei den Markranstädter Nachtschichten nicht erlauben. Nein, nein und nochmals nein – wir kommen schließlich nicht aus Hamburg!

Gleich gar nicht würden wir je in die grandiose Situation geraten können, unseren Kretzschmann-Medicus vor Wandbildern mit Prostatakarzinomen oder dreidimensionalen Schnitten durch menschliche Innereien fotografieren zu dürfen.

Die Negation der Negation

Nicht mal dann, wenn es ein Poster für die nächste Stadtratswahl werden soll („CDU – da müssen Sie ganz gesund sein!“) Da kommt so richtig Neid auf. Schade, dass wir nicht in Hamburg sitzen.

Wenngleich Neuigkeiten in diesem Artikel natürlich nicht zu erfahren waren, so hat er doch zu einem humoristisch geprägten Finale der Adventszeit beigetragen. Selten so gelacht. Schade nur, dass die Dritte im Bunde so marginal behandelt wurde.

Sie hatte an diesem Tag nicht nur ihren See im Stich gelassen, sondern sich extra so liebreizend in Schale geworfen und dann wird das in Hamburg quasi mit der Negation der Negation geahndet. Unvorstellbar, was da so grob fahrlässig als journalistische Brache liegen blieb.

Einzig der letzte Satz im Artikel hatte eine gewisse Brisanz, die den Erwartungshorizont der Satire übertraf. Was ein Ordner mit Verträgen eines Vereins im Büro eines privaten Unternehmers zu suchen hat – und sei es auch nur in der untersten Schublade – könnte angesichts der Lacher in den vorangehenden Zeilen fast zur Nebensache geraten.

(Titelbild: Screenshot Spiegel-Online)