Fangen wir aber mal ganz vorne an. Was ist der Welttoilettentag und warum gibt es ihn in einem Zeitalter, da der Lokus eher als Leseraum oder Rückzugsgebiet für das ungestörte Ausfüllen von Kreuzworträtseln genutzt wird?
Bei Wikipedia heißt es: „Als Welttoilettentag wurde der 19. November erstmals 2001 von der Welttoilettenorganisation ausgerufen. … Hintergrund ist das Fehlen ausreichend hygienischer Sanitäreinrichtungen für mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung und dadurch bedingt verschmutztes Wasser sowie wasserbürtige Krankheiten, was gesundheitliche und sozio-ökonomische Folgen nach sich zieht.“
Das wirft gleich eine Vielzahl an Fragen auf. Das Staunen über die Existenz einer Welttoilettenorganisation wundert aber kaum. Irgendwo müssen zurückgetretene Minister, Präsidenten oder Manager schließlich geparkt werden, damit sie ihr Insiderwissen nicht irgendwann mal in Interviews mit der feindlichen Siegerpresse zu Geld machen müssen.
GTO Deutschland
Auch in Deutschland gibt es übrigens eine Toilettenorganisation. Es ist die GTO, die German Toilet Organisazion. Deren Credo heißt: „Wir geben Laut für ein stilles Örtchen!“ Eigentlich wäre die GTO damit der ideale Interessensvertreter für Bürger, die sich in Markranstädt für die Errichtung von Örtlichkeiten zur Erleichterung einsetzen. Aber vielleicht passiert das ja noch und es gibt in Lallendorf bald gar eine eigene GTO-Ortsgruppe?
Schilder sollen auch jenen Mitmenschen den richtigen Weg weisen, die nicht lesen können. Na dann: Raten Sie mal.
Viel realistischer und vor allem für Badegäste am Kulkwitzer See absolut nachvollziehbar ist die Aussage, dass für vierzig Prozent der Weltbevölkerung Klos fehlen. Es ist nämlich so, dass sich genau diese vierzig Prozent jeden Sommer ausgerechnet bei uns am Westufer zu versammeln.
Wasserbürtige Krankheiten
Da stellt sich jedoch auch gleich die Frage nach den Konsequenzen dieser Situation. Die UNO schreibt was von verschmutztem Wasser, wasserbürtigen Krankheiten und sozio-ökonomischen Folgen. Wo sind die bei uns, am vor einem Jahr noch beliebtesten Badesee Deutschlands mit seinem ach so klaren Wasser?
Man könnte fast vermuten, dass die Fäkalbelastung im Kulki mit der gleichen Skala gemessen wird, die in Seebenisch den Wasserstand anzeigt. Die Frage betrifft übrigens nicht nur den westlichen Bereich des Sees.
Wenn man an heißen Sommertagen von bis zu 30.000 Badegästen ausgeht und einfach nur mal die Zahl der um den See verteilten Bedürfnisanstalten addiert … ja, also da fehlen vorneweg mindestens 200 Zylinder und mit ihnen ein Kanalisationssystem, in dem man aufrecht stehen kann.
Wo also machen diese tausenden von Menschen ihre Geschäfte? Und warum überhaupt stehen manche Badegäste so lange im Wasser und rudern trotzdem mit den Armen? Ja – und warum zum Teufel nochmal ist des Wasser des Kulki immer um zwei-drei Grad wärmer als das der anderen Seen?
Der beim Drehen des Baggers (rechts) erzeugte Fahrtwind ließ den geplanten Toilettenbau (links) einstürzen. Seitdem vermitteln arbeitslose Hebammen über ABM, wie man es durch weghecheln der Presswehen vom Parkplatz bis runter ans Wasser schafft.
Zurück zum Lokus: Der Zustand der Toiletten sage viel über das soziale System eines Landes aus, äußerte der Präsident Singapurs vor einigen Jahren. Nimmt man die öffentliche Toilettenlandschaft Markranstädts zur Hand, wähnt man sich wohl recht bald in einer Art geschlossener Gesellschaft.
Es ist ja nicht so, dass es keine öffentlich nutzbare Toilette in der Stadt gäbe. Nur haben die oft so ihre Schwächen. Die Einrichtung an der Bushaltestelle in der Schkeuditzer Straße scheint beispielsweise allein notdürftigen Busfahrern vorbehalten zu sein. Aber auch die sah man am Wochenende schon neben dem verschlossenen Gebäude stehen und dort mit verdautem Kaffee Rostflecke auf die Edelstahlfassade applizieren.
Die Geschichte des Stuhlgangs
Wagen wir mal einen Blick zurück in die Geschichte. Die Kultur des Stuhlgangs ist ebenso alt wie die der Menschheit. An deren Beginn ließ man einfach alles dahinfahren, egal wo man sich gerade befand oder wer in der Nähe war. Ein geradezu paradiesischer Zustand. Heute darf man nicht mal dann auf dem Sofa furzen, wenn die Frau zwei Meter entfernt im Sessel sitzt und strickt.
Später wurden Löcher gebuddelt und bei den Römern kam man dann endlich auch mal in Ruhe zum Sitzen. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch der Begriff „Sitzung“. Ja wirklich, die alten Römer kamen auf dem Lokus zusammen und haben dort stundenlang verhandelt und sich beraten. Auch ein weiteres geflügeltes Wort stammt aus dieser Epoche. Bei ihren Sitzungen auf dem Lokus haben die Römer auch ihre besten Geschäfte abgeschlossen. Noch heute fragt manche Mutter ihr Kind besorgt, ob es schon sein großes Geschäft gemacht habe.
Diese römische Sitzungskultur hat was. Man stelle sich vor, wie der Markranstädter Senat in der vierten Etage auf Schüsseln hockt und … nein, Schluss!
Diese Bilder bekommt man sonst nimmer mehr aus dem Kopf. Schon deshalb nicht, weil Bürger beim Stellen ihrer Fragen aufstehen müssen. Obwohl…es ist ja nicht gesagt, dass da bei allen auch noch alles mitkommt, wenn die aufstehen.
Andere Länder, andere Sitten. Während die kultivierten Mitteleuropäer auf die Klobrille schwören, auf der im Zweifelsfall schon hunderte ungeputzter nackter Hintern vor ihnen thronten, hängt man sich woanders genüsslich an zwei in der Decke eingelassene Haken. Das ist wesentlich hygienischer. Jedenfalls solange man in das zwischen den Füßen gähnende Loch trifft.
So mancher deutsche Urlauber hat sicher auch schon geglaubt, dass er seinen Torpedo sauber ins Wasser gelassen hat. Keine Spur von Verunreinigung am Boden zu sehen, glatt durchs Loch gegangen, Zehnkommanull. Beim Hochziehen der Hose allerdings erwachen plötzlich alle Sinne. Signale erreichen das Hirn. Fremdkörper, warm, weich… Nein, Schluss! Diese Bilder bekommt man sonst nimmer mehr aus dem Kopf.
Kopfkino geschlossen
Aber auch auf unseren heimischen Zylindern ist der Vorgang mitunter nicht ganz problemfrei. Kennen Sie das? Da sitzt man mit rotem Kopf und hechelt sich regelrecht die Presswehen weg, man glaubt, es zerreißt einen und schließlich ist man der festen Überzeugung, soeben einen Telegrafenmasten entbunden zu haben. Man hat auch noch gehört, wie er ins Wasser glitt, doch dort ist er nicht mehr. Weg! Und auch ein geflissentlich kontrollierender Blick auf das Stück Papier in der Hand (ab einem gewissen Alter sollte man das von Zeit zu Zeit mal machen), zeigt keinerlei Indizien auf einen vorangegangenen Akt der Erleichterung. So ein Klo steckt irgendwie voller Wunder.
Auf der anderen Seite kommt es dann vor, dass man nur ein kleines, von etwas Land begleitetes Lüftchen ließ, aber zur Beseitigung dessen Spuren eine ganze Rolle Klopapier verbraucht. Es scheint geradezu, als würde der gesamte Mantel des soeben abgefeuerten Geschosses innen an der Darmwand kleben und nur Stück für Stück rauskommen. Am Ende blutet der Anus und man hat eine leere Papprolle in der Hand. Nicht schön, sowas. Wirklich nicht.
Das waren noch Zeiten. Vor allem die Winter waren hart damals.
Nein – scheiß auf den Welttoilettentag. Das ist wirklich kein Tag zum Feiern, Fahnen hissen oder Kränze niederlegen. Unsere Toilettenprobleme hier in Markranstädt kriegen wir auch ohne UNO und GTO in den Griff. Sogar mit wesentlich geringeren Kosten als einem Toilettenneubau. Wie aus einem geheimen Papier der Stadtverwaltung hervorgeht, sollen im Frühjahr entlang der Uferpromenade kleine Tütenspender aufgestellt werden.
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