Neues aus der vierten Etage (23)

So manche Person, die gestern am Ratstisch in der vierten Etage Platz nahm, könnte sich tatsächlich so gefühlt haben, als hätte es sich um ihr letztes Abendmahl gehandelt. Und das, obwohl die mit 12 Punkten (darunter die fünf Obligaten wie Eröffnung, Protokollkontrolle etc.) ohnehin schon überschaubare Tagesordnung gleich zu Beginn um die vermeintlich interessantesten Punkte gekürzt wurde.

Die Punkte zur Finanzierung überplanmäßiger Auszahlungen für den Kita-Neubau fielen der Kastration ebenso zum Opfer wie die Vergabe von Leistungen zur Baufeldfreimachung und für den Rohbau. Spiske begründete das mit neuen Erkenntnissen, die es letzte Woche bei der Zusammenkunft der Vergabe-Jury gab.

Worum es bei diesen Erkenntnissen ging, wollte er nicht sagen. In einem Nebensatz war unter seinem Barte das Stoßgebet zu hören, dass sie das Preisniveau „hoffentlich nicht nach oben, sondern nach unten“ bewegen.

Angesichts der Eile, die man einst bei der Beschlussfassung zum Kita-Bau hatte, klang die Aussage des Stadtoberhauptes hinsichtlich der Verschiebung beider Punkte auf einen späteren Sitzungstermin mit „Wir laufen auch dem Zeitrahmen nicht davon.“ schon recht ambitioniert für das nicht involvierte Ohr.

Codierte Funksprüche

Danach folgte das übliche Spiel, das zwar Transparenz verheißt, aber für das zuhörende Bürgertum den Informationsgehalt einer Dunkelkammer hat. Für den Laien, der sich sowas aus gutem Grund nicht antut, sei angemerkt: Beschlüsse aus nichtöffentlichen Sitzungen werden als Nummern verlesen. Das klingt dann ungefähr so: „0815 – 4711 – XXL – 75E“ und so weiter. Wir kennen das noch von den codierten Funksprüchen während des Kalten Krieges.

Dann kam Tagesordnungspunkt 6 und der war mehr als nur Ersatz für das ausgefallene Gemetzel wegen der Kita. Birgit Riedel verlas den Abschlussbericht des Ausschusses auf Akteneinsicht in die Unterlagen des Anbaus der Grundschule. Der war bekanntlich 43 Prozent teurer geworden als geplant.

Wort gewordener Offenbarungseid

Um es vorweg zu nehmen: Das war kein Bericht, sondern Wort gewordene Anklage zur Abgabe eines sowohl kommunalpolitischen als auch verwaltungstechnischen Offenbarungseides.

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In 17 Sitzungen, jeweils mittwochs von 18:30 bis 21 Uhr, hat sich der Ausschuss zwischen 16. März und 7. Juli durch sieben fette Ordner zum Grundschulanbau gefressen. Dabei konnte man, so Riedel, den zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht einmal das Prädikat „vollständig“ attestieren.

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Zu viele Unterlagen fehlten, wurden nicht zur Verfügung gestellt oder waren möglicherweise nie vorhanden. So habe der Ausschuss beispielsweise ohne einen Blick in die Entwurfsplanung auskommen müssen.

Der Abschlussbericht war mit gut acht Seiten quantitativ zwar überschaubar, sein Gewicht aber stellt wohl selbst die friesische Verfassung in den Schatten.

Was da zur Sprache kam, ließ die an diesem Abend zu dritt aufgelaufenen MN-Spione zwischenzeitlich sogar mit dem Gedanken liebäugeln, das Dokument kommentarlos als eigenständigen Beitrag in den Markranstädter Nachtschichten einzustellen. Besser kann man Satire nicht machen.

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„…fehlt die Planungsphase 3 Entwurfsplanung ganz.“ Okay, ein guter Architekt macht sowas im Kopf.

Angesichts dessen, was da so angeprangert wurde, wäre es wahrscheinlich einfacher gewesen, all das, was bei dem Schulanbau geklappt hat, in zwei Sätzen darzustellen. „Keine Überwachung“ oder „Regularien grob fahrlässig missachtet“ waren noch die zärtlichsten Ausdrücke, die der Ausschuss für das kommunalpolitische Desaster fand.

Das satirische Fazit lautet: Wenn Väter bei der Betrachtung der Lego-Konstruktionen ihrer Kinder auch nur annähernd solche Worte finden müssten, wäre die Prügelstrafe bis heute nicht aus den deutschen Gesetzbüchern getilgt.

Schraps hat den Hut verlor’n

Ausschussmitglied Dr. Ingrid Barche ließ es sich anschließend nicht nehmen, das bauamtliche Wunder der Kostenvermehrung anhand eines Beispiels zur Mittelfreigabe zu veranschaulichen. Wenn also für einen Bereich des Baus Mittel freigegeben waren, diese dann aber vielleicht oder wahrscheinlich nicht nicht benötigt wurden, konnten diese einem anderen Bereich zugeführt werden.

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Einblicke in die Praxis.

Das ist wie bei einem Crash an der Börse. Das Geld ist nie weg, es hat nur ein Anderer. Nun kann es aber passieren, dass das Geld im ursprünglichen Gewerk etwas später doch noch benötigt wird. Da muss man dann halt nachschießen. Schön, wenn man Taschen hat, in die man greifen kann.

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Das Ende des zweiten Absatzes erklärt die Herkunft des Kinderspiels „Schraps hat den Hut verlor’n.“

Noch traumatisiert von diesem Diktat bedingungsloser Kapitulation, sollten die Stadträte dann einer außerplanmäßigen Auszahlung zur Schaffung des erforderlichen Planungsvorlaufs für die Errichtung von Klassenräumen im Gymnasium zustimmen. Das gerade überstandene Erdbeben noch in den Knochen, waren die Sinne nun geschärft, wenn der Begriff „außerplanmäßige Auszahlungen“ fällt. Und genau so kam es dann auch.

Die Beschlussvorlage wurde sprichwörtlich in ihre Einzelteile zerlegt, gemischt, neu zusammengefügt und mit erforderlichen Inhalten versehen. Erst als klar war, was da und vor allem wo geplant werden sollte, gingen die erfurchtsvoll zitternden Hände in die Höhe.

Sehnsucht nach Harry Plotter

Den Brandbrief aus dem Bauamt noch in Erinnerung, in dem auch planerische Kompetenzen des Fachbereichs offeriert wurden, fragte Dr. Kirschner nach, wer die Klassenzimmer-Planungen durchführen solle und warum nicht das eigene Bauamt dafür in Frage käme.

Spiske überraschte mit der Auskunft, dass der Fachbereich keine Plotter habe. Die ehrwürdigen Ratsdamen und -herren schienen ob dieser Aussage so verblüfft, dass sie glatt die Nachfrage vergaßen, warum man dabei nicht vorübergehend (also bis man bei eBay einen guten Gebrauchten geschossen hat) auf die Leistungen eines Plotterstudios, eines geneigten Architekten oder anderen Anbieters zurückgreift.

Auf einen USB-Stick schieben, hinbringen (wenn man Internet hat, kann man es sogar mailen), plotten lassen und wieder zurück fahren. Zu einfach?

Kinderfest-Analyse

Kurz vor Ultimo informierte Heike Helbig über die Auswertung der Bürgerbefragung zum Markranstädter Kinderfest. Von über 14.000 ausgereichten Fragebögen sind ganze 40 zurückgekommen. Zu einigen Fragen gab es nicht einmal zehn Antworten.

Aus dieser gesellschaftlichen Neige Statistiken, Diagramme und Tabellen zu erstellen, muss die hohe Kunst sein. Hoffnung machte, dass bei einem zu diesem Thema einberufenen Workshop 30 Bürgerinnen und Bürger anwesend waren.

Herr, bin ich’s?

Und ganz zum Schluss bewahrheitete sich dann auch das eingangs strapazierte Gleichnis vom letzten Abendmahl. Zwar pfiffen es die Spatzen schon seit dem Frühjahr von Markranstädts Dächern, aber am Donnerstag wurde es in der vierten Etage auch offiziell: Dr. Volker Kirschner hat den Fraktionsvorsitz bei der CDU an Michael Unverricht abgegeben. Ein Vierteljahrhundert hat er die Geschicke der Christdemokraten im Stadtrat mitgelenkt, nun war es seine letzte Sitzung als Chef auf der rechten Seite.

Aber auch künftig muss der Bürgermeister nicht auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kirschner verzichten. Der Doktor sitzt jetzt gemeinsam mit Jens Schwertfeger als Stellvertreter sozusagen in der zweiten Reihe und selbstverständlich auch weiterhin am Ratstisch.

Den kompletten Abschlussbericht der Akteneinsichtskommission finden Sie hier.

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487 : 238 – Frankenheim will Markranstädt beitreten

Mitunter wurde auch von Stellen, die es besser wissen müssten, der Begriff „Abstimmung“ verwendet. Es war aber nur eine Bürgerbefragung, zu der in der Ortschaft Frankenheim gerufen wurde. Das überraschend klare Votum von 65,7 Prozent für den Ausbau der Priesteblicher Straße hat also keinerlei bindende Wirkung. Es sollte den Damen und Herren Volksvertreter lediglich den mehrheitlich befürworteten Weg weisen.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die ersten Entscheidungen dazu getroffen werden und noch viel länger, bis auch die ersten Veränderungen sichtbar sind.

Was Mediziner als infrastrukturelle Penektomie bezeichnen würden, also die Entfernung der Schranke, steht noch in weiter Ferne.

Gründe, die Legalität der Existenz dieser Schranke anzuzweifeln, scheint es fernab der Bürgerbefragung und der Zukunft der Straße dennoch zu geben.

Ihrer Errichtung sei kein entsprechender Verwaltungsakt vorausgegangen, ist im Dampf der Markranstädter Gerüchteküche wie einst dem Rauch der Indianer am Little Big Horn zu entziffern.

Woanders dürfte man sich derweil die Augen reiben angesichts der offiziellen Bezeichnung der Priesteblicher Straße als „Feldweg“.

Der prähistorische Pfad zwischen Seebenisch und Schkeitbar beispielsweise ist mit dem Prädikat „Allee“ geadelt. Kein Wunder, dass sich dort keine kritischen Volksvertreter finden. Alles gut.

 

Ringel-Ringel-Reihe, wir sind der Kinder 1,56

Markranstädt steht eine heiße Woche bevor. Nein, nicht meteorologisch, sondern politisch. Neben dem Bericht des Untersuchungsausschusses zur zurückliegenden Kostenentwicklung des Grundschul-Anbaus steht am Donnerstag in der vierten Etage gleich danach schon eine neue geheimnisvolle Vermehrung der Kosten zur Diskussion. Diesmal geht es um die Kita am Bad. Für die 82 dort geplanten Plätze werden inzwischen 2,035 Millionen Euro aufgerufen. Das hat aber wichtige Gründe und bitteschön – hier sind sie!

Ganz Deutschland ächzt unter der Last des demografischen Wandels. Auch (oder gefühlt: gerade) in Markranstädt werden die Menschen immer älter.

Jede Stunde eine Stunde und jeden Tag einen Tag. Das betrifft demnach nicht nur Greise, Senioren und Best-Ager, sondern auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger. Jawollja, auch unsere Kinder werden immer älter!

Schon gibt es Berichte über Kids, die bereits in frühen Jahren von Diagnosen wie einpullern, sabbern und sogar Altersstarrsinn heimgesucht werden. Auch senile Bettflucht ist keine Einzelerscheinung mehr und die Lehrer an den Markranstädter Schulen haben beim Abrufen des Lehrstoffs schon seit Jahren die Vermutung, dass unter den Jugendlichen eine spezielle Form der Demenz grassiert.

Neue Zeit braucht neue Antworten

Das Fazit ist ebenso logisch wie erschütternd: Es ist mit herkömmlichen Konzepten einfach nicht mehr planbar, Menschen eine Perspektive im Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge zu bieten.

Hier muss man individuell entscheiden und bei solchen Bauch-Entscheidungen ist man in Markranstädt traditionell sehr progressiv aufgestellt. Nur im Falle der Kita verfiel man wieder in die alten, längst überholten Denkmuster zurück.

Planungszeit heißt Lebenszeit

Hier wurde bereits im Jahre 2014 der Beschluss zu deren Errichtung gefasst. Vorausgesetzt man schafft es trotz aller Rückschläge, das Bauensemble am Bad anno 2017 fertigzustellen, sind bis dahin drei Jahre vergangen. In der Entwicklung eines deutschen Norm-Kindes entspricht das in etwa der Etappe vom Krippen- zum Kita-Kind.

Da der demografische Wandel bekanntlich immer schneller voranschreitet, wäre es vor diesem Hintergrund gar nicht so abwegig gewesen, die Kita gleich als Seniorenheim zu planen.

Dieses Versäumnis muss nun in den Amtsstuben möglichst lautlos nachgeholt werden. Waschbecken mit Gebissablagen, größer dimensionierte Wickeltische, Abstellräume für Rollatoren und so weiter. Das kostet!

Schwund unter der Bettdecke

Natürlich könnte man auch den Kleinen etwas bieten, aber da kommt ja kaum noch was nach. Rein statistisch legt eine Markranstädterin in ihrem Leben nur 1,56 Kinder. Da Eltern in unserer Gesellschaft immer paarig angeordnet sind, ist dadurch nicht einmal die Reproduktion einer Beziehung gewährleistet.

Mindestens ein Perspektiv-Elternteil läuft in der folgenden Generation schon im kindlichen Stadium als Torso durch die Gegend und erfordert daher in einer Kita einen wesentlich erhöhten Betreuungsaufwand.

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Synergie-Effekt beim Kita-Neubau: Nachwachsende Rohstoffe werden nutzbar gemacht.

Mathematisch betrachtet, schrumpft die Population an den Ufern des Zschampert pro Generation um rund 25 Prozent. Und wenn dann mal was neu dazu kommt, dann sind die meist schon erwachsen. Wozu braucht man da noch neue Kindergärten?

Es ist ein schleichender Prozess, der sich da durch unseren Alltag zieht. Wir nehmen den demografischen Wandel schon gar nicht mehr wahr!

Schleichender Prozess

Fast schon im Blindflug gleitet unser Blick über die Online-Ausgabe der LVZ, ohne die wirkliche Tragweite der darin enthaltenen Information zu erfassen. Unter der Überschrift „Viel Kinderspaß…“ werden wir in einer homöopathischen Dosis damit vertraut gemacht, dass eben auch die Kinder in unserer Gesellschaft immer älter werden.

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Kinderspaß gratis: Markranstädt hat sich als eine der ersten Kommunen die Suche nach altersgerechten Angeboten für die immer älter werdende Jugend auf die Fahnen geschrieben. (Screenshot: LVZ online)

Ganz gleich, ob sie nun Heike, Mandy oder Carolin heißen und noch viel ganz gleicher, ob nach diesem Schnappschuss auch noch Jens, Volker oder Helge fröhlich tollend auf die Spielstraße kamen: Der demografische Wandel ist auch bei unseren Kindern unübersehbar.

Da ist nix mehr mit Holzbauklötzen, Kasperletheater oder Gummihixe. Hier sind völlig neue Inhalte der vorschulischen Erziehung gefragt und die kann man heutzutage für 20.000 Euro pro Kita-Platz nicht mehr bieten. Da muss man ordentlich Geld in die Hand nehmen und den Mut dazu haben sie in der vierten Etage.

Okay, man hätte die seinerzeit beim Schnick-Schnack-Schnuck am Reißbrett des Bauamtes ausgeknobelten Kosten von 25.000 Euro für die Errichtung eines Regenwasser-Rückhaltebeckens und den Neubau eines Mischwasserkanals vielleicht auch einen Tick genauer kalkulieren können.

Bissl verschätzt, aber halb so schlimm

Zeit war vor zwei Jahren noch genug vorhanden. Aber letztendlich hat man gegenüber den nun zur Disposition stehenden 220.000 Euro auch nicht sooo weit daneben gelegen. Mein Gott, 195.000 Euro Unterschied: Das bisschen Peanuts hat nicht mal gereicht, um als Kündigungsgrund auf dem Richtertisch zu landen. Da musste der Bürgermeister erst noch 50.000 Euro drauflegen, um am Arbeitsgericht überhaupt ernst genommen zu werden.

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Auch auf der Tagesordnung des Stadtrats am Donnerstag: Baufeldfreimachung. Oder sollte es doch besser „Wurzelbehandlung“ heißen? Der Patient ist zumindest schon betäubt.

Nicht zuletzt kann man wohl auch Wetten darauf abschließen, dass da am Donnerstag die historische Standortdiskussion per Mund-zu-Mund-Beatmung wieder reanimiert wird.

Schlechte Zeiten für Buchmacher

Die Quoten stehen allerdings nicht so hoch wie bei der Frage, ob der von der Opposition favorisierte Standort am See noch vor dem Richtfest am Bad zum Wohngebiet umgewidmet wird und damit provisionsverheißend veräußert werden kann. Aber gut Ding will Weile haben. Das gilt hierfür ebenso wie für Satire. Die hat auch erstmal nichts mit Wahrheit zu tun. Wahr wird’s immer erst später.

Blockbuster in der 4. Etage

Auf alle Fälle wird das eine unterhaltsame Woche, an deren Beginn es sich lohnt, den freien Einheitstag zum Spitzen der Stifte zu nutzen. Na ja, vielleicht nicht nur.

Wenn sich auch nur ein paar von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wenigstens an diesem Tag mal zu etwas Sex zwingen könnten, würden wir im nächsten Jahr vielleicht bei 1,8 Kindern liegen und da lohnt ein Kita-Neubau dann schon eher. Jedes Kind mehr senkt die Baukosten pro Kindskopf. Es liegt also an uns. Packen wir’s an!

 

Diagnose: Völlig dehydriert

Das gefährliche Halbwissen, mit dem selbsternannte Geo- und Hydrologen bei der Beurteilung der Kulkwitzer Vernässungsflächen in der Vergangenheit gern prahlten, hat sich endgültig als leere Hirnblase entpuppt. Die Folge: Kulkwitz wird von einer in der Geschichte des Ortes wohl einzigartigen Dürre heimgesucht. Nun erscheint alles, was in den letzten fünf Jahren seit Flutung der Feuchtgebiete passiert oder nicht passiert ist und gelabert wurde, völlig sinnlos und umsonst gewesen.

Natürlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Sportplatz an allem Schuld sei. Seit der höher gelegt wurde, sinkt der Wasserspiegel im kleinen Fischerdorf Kulkwitz. Fast könnte man annehmen, dass hinter dem Aktionismus auf dem Fußballplatz sowas wie eine ernsthafte hydrogeologische Analyse gestanden hat, auf deren Grundlage ein überwältigender Erfolg realisiert werden konnte. Aber weit gefehlt.

Was in der Fußball-Arena des Ortes passierte, war nichts weiter als ein lokal begrenzter Noteinsatz. Kein Wort über Bodeneinbrüche in der benachbarten Gartenanlage („Kellerwohnung über mir frei geworden!“) und kein Plan, was mit der Vernässungsfläche in Zukunft mal werden soll.

Schon zu Beginn des Gärnitzer Wasserdramas, als angebliche Experten sich nicht zu blöd waren, Bergbaufolgen vehement auszuschließen und dabei noch nicht einmal wussten, ob es sich um Oberflächen- oder Grundwasser handelt, hörte sich die Fachsprache eher wie das Lesen in Kaffeesatz an.

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Die Vernässungsfläche verdurstet. Ganz hinten noch, am Horizont, zeigt sich ein Pfützchen.

Als dann vor einigen Monaten der Wasserspiegel im Lago Radona zu sinken begann, frohlockte man ob der Wirkung der Pumpen am Sportplatz. Die, so wird in Kreisen der fachkompetenten Quacksalber noch immer felsenfest behauptet, zögen das Wasser aus dem neu entstandenen Gewässer unter der Straße und Gartenanlage hindurch einfach mal weg.

Gestützt wurde diese ebenso wagemutig wie selbstbewusst vorgetragene These der geheimnisvollen Wasserwanderung damit, dass das aus dem Seebenischer See abgesaugte Wasser über die hydrologische Lösung am Sportplatz schlussendlich auch die Kulkwitzer Lachen speisen würde. Da dort der Wasserspiegel konstant blieb, war es schwer, das Gegenteil zu belegen und die naturwissenschaftlichen Sterndeuter in die Schranken zu weisen. Bis jetzt.

Seit einigen Wochen ist das Abrakadabra der hydrogeologischen Orakel verstummt. Und beim Blick auf die Kulkwitzer Lachen kann es einem jetzt tatsächlich die Sprache verschlagen. Da sind gerade mal noch ein paar Pfützen zu sehen im viel besungenen Naturschutz- und FFH-Gebiet zwischen Gärnitz und Kulkwitz.

Ja gut, da die Oberfläche des Gewässers schon immer mehr Wasserreichtum versprach als in Wirklichkeit da war, bewirken bereits geringste Veränderungen optisch wirkungsvolle Ergebnisse. In der Realität hatten die Karpfen da drin selbst in wasserreichen Zeiten stets wunde Bäuche, weil sie sogar dann auf dem Grund schürften, wenn die Rückenflossen schon aus dem Wasser ragten.

Die geradezu ohrenbetäubende Sprachlosigkeit in sonst so überzeugend reagierenden Fachkreisen stimmt nachdenklich.

Wie schnell war man doch damals, als die Vernässungsfläche kurzerhand zum See erklärt wurde, als man einen Mindest-Wasserstand festlegte, als Bergbaufolgen als Ursache ausgeschlossen wurden und man mitunter sogar in Frage stellte, dass es da überhaupt jemals Bergbau gab?

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Ebbe in den Kulkwitzer Lachen. Nur hier und da ist vereinzelt noch ein Priel zu sehen.

Und wie herrlich erst wurde die Begründung ad absurdum geführt, warum der See ein See und ein Mindest-Wasserstand zu gewährleisten ist. Angeblich würde das Gewässer sonst nämlich umkippen und Gestank verbreiten, hieß es. Und siehe: Nun hat sich der See so duftneutral verabschiedet, dass es von seinen öffentlich-rechtlichen Bewahrern nicht einmal bemerkt wurde. So verarscht man Menschen.

Eins ist klar: Weder für das, was in den vergangenen fünf Jahren in Kulkwitz passiert ist, noch für das, was heute dort geschieht, hat jemand eine belastbare Erklärung. Dass jeder seine eigene Wahrheit dazu hat, steht außer Frage.

Konzept gegen Schuss aus der Hüfte

Aber um ein Konzept zu entwickeln, muss man wissen, was vor sich geht. Ansonsten bleibt jede Handlung das, was sie in der Vergangenheit auch war: Ein verzweifelter Schuss aus der Hüfte, untermalt von der selbstbewussten Darstellung nicht vorhandenen Wissens des Schützen. Bestenfalls also ein Pfeifen im Walde.

Erst im Februar 2015 hatte das Bauamt der Stadt die Errichtung eines Grabensystems angekündigt, mit dessen Hilfe das Wasser des Lago Radona in freiem Gefälle abfließen sollte. Angesichts der heutigen Situation wäre neben einem bis zu sechs Meter tiefen, sinnfreien Bauwerk jede Menge Erklärungsbedarf entstanden.

Was’n Graben!

„Die erforderliche Planungsvertiefung wird derzeit im Auftrag der Stadt Markranstädt erarbeitet“, hieß es damals. Da kann man angesichts der jetzigen Situation nur hoffen, dass diese Vertiefung kein Geld gekostet hat, mal abgesehen von der durchaus realistischen Vision, dass sie gar nicht stattgefunden hat.

Natürlich können auch die fehlenden Niederschläge für die Dürre in Kulkwitz verantwortlich gemacht werden. Gegenüber 2015 ist die Niederschlagsmenge in diesem Jahr um fast ein Viertel zurückgegangen. Aber niederschlagsarme Jahre gab es auch davor und der Wasserstand in den Kulkwitzer Seen hatte sich da nur marginal bewegt.

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Das Pumpenhäuschen steht kurz vor seiner Umwidmung zum Landhaus.

Nun also stehen die einstigen Kulkwitzer Landwirte, die ihre Pflüge in den letzten Jahren gegen Reusen und Netze tauschten, vor neuen Fragen ihrer Existenz.

Nicht einmal Reis könnte man jetzt mehr anbauen in einer Zeit, da der Kulkwitzer Meeresboden den Erosionskräften des Windes ausgesetzt ist. Auch deshalb bedarf es eines umfassenden Konzeptes.

Jetzt darf man gespannt sein, wer dafür verantwortlich gemacht wird, dass der amtlich vorgeschriebene Wasserstand unterschritten wurde und ein Naturschutzgebiet austrocknet.

See = Wasser, ansonsten Land

Und überhaupt: Ist der von der Kreisbehörde zum See erhobene See jetzt eigentlich noch ein See oder die Vernässungsfläche wenigstens eine Vertrocknungsfläche? Um das zu erfahren, müssten die kommunalpolitischen Akteure im Rathaus an die festlegende Behörde allerdings eine entsprechende Anfrage richten.

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass man vom Landratsamt statt einer Antwort nur die Aufforderung erhält, Tankwagen nach Kulkwitz zu schicken, um die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen. „Die erforderliche Planungsvertiefung zum Bau einer Versorgungspipeline wird derzeit erarbeitet…“

„Noah, mach Räder an die Arche!“

Es ist nicht schlimm, wenn sich eine Zivilisation vor der Gewalt der Natur beugen muss. Aber dass man im 21. Jahrhundert deren Ursachen und Auswirkungen, ja Gefahren (Gartenanlage!) nicht auf den Grund geht, ist fahrlässig.

Wenn sich selbst Erdbeben voraussagen lassen und manchmal sogar die Wettervorhersage stimmt, ist es schwer erklärbar, dass man dem Wesen des Wassers nicht auf die Schliche kommt.

messlatteFreuen wir uns also auf die nächste Aktion. Es wird wahrscheinlich die Vertiefung eines Bewässerungs-Konzeptes für Kulkwitz sein. Das wird dann allerdings nicht im Amtsblatt vorgestellt, sondern im Rahmen des Gärnitzer Faschings.

Zoff an der Eskalationslinie

Nordkorea, Nordafrika, Nordvorpommern … Krisenherde, wohin man den Globus auch dreht. Und jetzt auch noch Nord-Markranstädt. In Lindennaundorf ist für diese Woche ein Plebiszit angesagt und wie es aussieht, muss die UNO wohl eine Staffel bewaffneter Sonderbeobachter hinschicken. Am Samstag kam es am initiativen Checkpoint „Wohnfrieden“ zu einem ersten Showdown, als eine Einheit der örtlichen Rebellenmilizen den Grenzübergang dicht machte und es unbestätigten Gerüchten zufolge sogar zu mancherlei Raufhändel kam.

Der Wunsch des Ortschaftsrates nach Versachlichung der Diskussion hat sich in gewisser Weise erfüllt. Es geht zur Sache! Ziemlich hirnfrei zwar mitunter, aber auch Baumstämme und Autos sind schließlich Sachen und wenn Menschen tätlich angegriffen werden, so sind auch das Sachen: Strafsachen.

Was da am Samstag im Grenzgebiet hinter der Frankenheimer Schranke passierte, hat nur deshalb nicht für internationale Verstrickungen gesorgt, weil weder Frankenheim noch Lindennaundorf die Schlussakte der KSZE unterzeichnet haben. Der Grenzzwischenfall dürfte dennoch für hinreichend Gesprächsstoff sorgen. Aber der Reihe nach.

Der Ausbau sowie die Verkehrsfreigabe der Priesteblicher Straße hat ebenso Gegner und Befürworter wie die Existenz des Schlagbaums. Argumente haben alle Parteien, wenngleich auf Seiten derer, die Sperrung und Schranke begrüßen, ein wichtiger Grund konsequent unbenannt bleibt: Man will sicherlich auch weiterhin seine Ruhe haben da hinten an der Windmühle.

Das Bürgersplitting

In einer Art Hormonersatztherapie wegen eines klimakterisch angelaufenen Testosteronspiegels will man nun im Rathaus auch mal die Meinung der Einwohner hören und hat zu einer Bürgerbefragung eingeladen. Möglicherweise ohne bedacht zu haben, dass man damit die berühmte Büchse der Pandora geöffnet haben könnte.

Wenn gleiches Recht für alle gilt (und das ist in Germanien ebenso wie in Markranstädt der Fall), könnte man demnächst auch die Anwohner der Leipziger Straße fragen müssen, ob die den Verkehrsweg vor ihren Wohnungen nicht auch lieber gesperrt haben möchten.

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„Wollt ihr die totale Sperrung der Leipziger Straße?“

Wie dem auch sei: Seit der Termin der Bürgerbefragung fest steht, hat der Austausch von Argumenten einen derartigen Qualitätssprung vollzogen, dass man ihn in den Lindennaundorfer Küchen schon als Ersatz für Chili nimmt. 

(Titelfoto: Bundesarchiv, 173-1282, H. J. Wolf, Fotomontage: Markranstädter Nachtschichten)

Ein Leser der lokalen Tageszeitung ließ das verbale Aufrüsten schließlich in einem Kommentar mit der Aussage gipfeln, dass Radfahrer und Fußgänger im Grenzgebiet nahezu täglich mit Fäusten und sogar Messern bedroht werden. Natürlich vergaß er/sie dabei auch nicht, die finale Sperrung des Weges als Lösung der militärischen Auseinandersetzungen zu proklamieren.

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Das klingt fast wie ein Déjà vu der Herbsttage anno 1989, als uns das Neue Deutschland mitteilte, das arglose Ungarn-Urlauber aus der DDR am Balaton vom BND mit vergifteten Keksen betäubt und in die Bundesrepublik entführt wurden. Geschichte wiederholt sich.

Am Samstag war es dann offenbar wirklich vorbei mit den diplomatischen Bemühungen, einen bewaffneten Konflikt zu verhindern. Rebellenmilizen hatten begonnen, nachhaltige Maßnahmen einer dauerhaften Grenzsicherung einzuleiten.

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Der Frankenheimer Lignum-Limes. Ökologisch-regenerative Ausdrucksform der Symbolik, dass niemand die Absicht hat, eine Mauer zu errichten.

Dazu wurde zunächst ein dicker Baumstamm direkt auf die Straße unter die Schranke gerollt. Die Luft im Markranstädter Norden knisterte wie einst an jenem denkwürdigen 13. August 1961 in Berlin. Der hölzerne Zaun war errichtet und das Zeitalter der psychonuklearen Konfrontation hatte begonnen.

Ziviler Ungehorsam

Dass mit dieser Barriere auch ein wichtiger Rettungsweg für Notfälle gesperrt wurde, ist zwar eine Straftat, aber da auch die zurückliegenden Zerstörungen der Schranke durch oppositionelle Truppen bestenfalls halbschlierig verfolgt wurden, interessiert sowas am Markranstädter Polarkreis ohnehin niemanden.

So richtig brenzlig wurde die Situation nach Angaben von Kriegsberichterstattern vor Ort, als sich dem Checkpoint unmittelbar nach der Grenzsicherung ein ziviles Fahrzeug näherte und die hinter dem Schutzwall lauernde Guerilla wohl den Versuch eines illegalen Grenzdurchbruchs witterte.

Versuchen wir, den folgenden Vorgängen etwas Positives abzugewinnen und betrachten sie deshalb aus einer anderen Sicht. Demnach waren die friedlichen Demonstranten so glücklich über den Besuch des Zivilisten, dass sie – wie einst die Westberliner am Tag des Mauerfalls – ausgelassen auf dem Auto herumtrommelten.

Dessen Fahrer wiederum, dem Namen nach ein Bildhauer oder sowas, wollte mitfeiern und stieg aus dem Auto. Das tat er allerdings so plötzlich, dass die Umherstehenden gar nicht so schnell mit dem Trommeln aufhören konnten und der arme Mann dadurch mit den letzten Takten dieser Hymne in direkte körperliche Berührung kam.

Heimat wird am Bienitz verteidigt

Nun war es an der Zeit, dass Regierungstruppen in das Gefecht eingreifen mussten. Da die Kalkmützen dem Vernehmen nach keine Zeit hatten, rückten die örtlichen Rothelme an. Als sie eintrafen, war das Schlachtfeld laut unbestätigten Meldungen der Nachrichtenagentur MN bereits befriedet.

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Während die Politik mangels Entscheidungsfreunde gern auch mal in Jahresscheiben plant, hat die Lindennaundorfer Feuerwehr angesichts der bedrohlichen Sicherheitslage am Samstag gleich mal in Minutenscheiben gehandelt. Chapeau!

Bewaffnet mit konventionellen Interkontinental-Kettensägen begannen die Friedenstruppen, die hölzernen Grenzsicherungsanlagen in mehreren Scheiben zurückzubauen und im Todesstreifen abzulagern.

Auf Anfrage der Markranstädter Nachtschichten zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Markranstädt und seiner nördlichen Exklave hüllte sich die lokale PR-Stabsstelle in Schweigen. Wochenende. Lediglich zur Frage, wann denn die Markranstädter aus dem Süden ihre Verwandten im Norden wieder besuchen können, hieß es von ungeordneter Stelle: „…das tritt nach meiner Kenntnis … ist das … sofort … unverzüglich.“

Auf diese Weise konnte noch am gleichen Tage der so genannte „kleine Grenzverkehr“ wieder aufgenommen werden. Das heißt, dass sich Fußgänger und Radfahrer visafrei zwischen der Bundesrepublik und Lindennaundorf sowie Frankenheim bewegen dürfen und damit auch die Möglichkeit haben, von ihrem Recht zur Stimmabgabe Gebrauch zu machen. Und natürlich auch von dem Recht, vorher nachzudenken. Also nicht nur vor der Stimmabgabe, sondern auch sonst so…

 

Meine Hand für mein Produ … Wir schaffen das!

Es war bereits die achte Auflage der MUM, die am Freitag in der Stadthalle veranstaltet wurde. Dass die Messe eine Metamorphose von der alleinigen Widmung der Berufsorientierung von Schülern auch hin zur Unternehmermesse vollzogen hat, war wohl in diesem Jahr ihre Ehrenrettung. Denn die Zielgruppe der Schüler war anno 2016 augenscheinlich dünner gesät in der Halle.

Vielleicht lags daran, dass der Veranstalter vergessen hatte, bei Nintendo rechtzeitig einen Poké-Stop für den kommunalen Kulturpalast zu beantragen? Kann auch sein, dass sich ganz einfach nur ein Akt der natürlichen Auslese vollzog, weil so mancher Schüler noch genug Schreibblöcke und Kugelschreiber aus den letzten Jahren zu Hause rumliegen hat.

Wie auch immer: Die Chefs der beteiligten Unternehmen konnten die entstandenen Freiräume zumindest effektiv ausfüllen, indem sie Netzwerkpflege mit den anwesenden Vertretern anderer Firmen betrieben.

Für die Meckerer, deren Gläser bekanntlich immer halb leer sind, war es ein quantitativer Rückschritt, was sich auf der 8. MUM zeigte. Was bei der oberflächlichen Betrachtung eher nicht zu sehen war: Zugleich hat sich ein qualitativer Sprung nach oben vollzogen.

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Von wegen Herdprämie und so. Auch angehende weibliche Fachkräfte zeigten großes Interesse an Technik – nicht nur hier am Stand von Frank Fahrzeugbau.

Punktete die MUM bei ihrer Zielgruppe noch vor Jahren mit eben jenen Kugelschreibern und Notizblöcken, aber auch mit Flyern, Schlüsselbändern oder Lutschern, so hat man in diesem Jahr auf den Souvenirhandel weitestgehend verzichtet und lockte mit praktischen Angeboten.

Das hat zwei Vorteile: Erstens zieht man damit wirklich nur Interessierte an seinen Stand und zweitens kann man als Ausbilder gleich an Ort und Stelle in Erfahrung bringen, ob der junge Eleve schon mal eine Zange in der Hand hatte oder weiß, was ein Nagel ist.

So beispielsweise am Stand des Markranstädter Palettenbauers HVP. Da konnte man unter den kritischen Augen von Firmenchef Mahmoud Maslem seiner Kreativität in Sachen Holz mit dem entsprechenden Werkzeug freien Lauf lassen.

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Hammer, Zange, Schraubzwinge und Säge lagen am Stand bereit, um Kreatives aus Paletten-Holz zu fertigen. Zufall, dass auch das DRK einen Stand in der Halle hatte?

Beim Anblick von Säge, Hammer, Kneifzange und Schraubzwinge sorgte mitunter auch die Tatsache, dass der Stand des DRK nicht weit weg war, für ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit.

Es war vor allem das in Markranstädt ansässige Handwerk, das die 8. MUM nachhaltig geprägt hat. Handwerksmeister Mike Schärschmidt stellt mit seiner Firma schon seit MUM-Stunde null den Leuchtturm der Messe. Maschinenbauer Dr. Oette, Fahrzeugbauer Frank oder der Maler- und Ausbaubetrieb Heinrich Schmid komplettierten das Portfolio.

Getreu dem Motto „Handwerk hat goldenen Boden“ war neben Ersterem auch wieder das Markranstädter Unternehmen präsent, dass sich seit Jahren verantwortungsbewusst um eben jenen Boden kümmert.

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Auch LAV-Chef Matthias Hoger (rechts) nutzte die MUM, um Kontakte zu anderen Ausstellern zu pflegen.

LAV-Chef Matthias Hoger hätte die Talente der Interessenten sicher auch praxisnah testen können, indem er einen Spaten vor den Stand gestellt hätte. Nicht mit der Aufforderung, mal eben umzugraben, sondern allein mit der Quiz-Frage, was dieses Gerät darstellt und was man damit machen kann. Aber es kamen auch ohne dieses prähistorische Pokémon genügend Interessenten an den Stand. Um Nachwuchskräfte, so schien es, muss man sich bei der LAV keine Sorgen machen.

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KSM Mike Schärschmidt zählt von Beginn an zu den MUM-Ausstellern und hat hier schon viele Nachwuchskräfte gewinnen können.

Übrigens haben sich bei der MUM auch die grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Aussagen zur Situation in unserem Land bestätigt.

Es müssen in der Tat fast ausnahmslos gut ausgebildete Fachkräfte sein, die da in den letzten Jahren in das Einzugsgebiet der Zschampert-Metropole kamen. Das Stadium der Berufsorientierung und Ausbildung längst hinter sich habend, ist demzufolge auch ein Besuch auf einer solchen Veranstaltung wie der MUM entbehrlich.

Interessant war auch ein Blick auf die Pinnwand, an der die ganz konkreten Ausbildungsstellen angeheftet waren. Wie bei den Kleinanzeigen im Supermarkt, konnte man sich hier bei Interesse die Kontaktdaten abreißen.

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Mechatroniker, Lageristen, Kaufleute, Berufskraftfahrer …. alles fand sprichwörtlich „reißenden Absatz“. Nur die/der Verwaltungsfachangestellte entpuppte sich aus unerfindlichen Gründen als Ladenhüter.

Bildhafter kann man die Nachfrage kaum darstellen. Während die Angebote der ansässigen Ausbildungsbetriebe im wahrsten Sinne des Wortes reißenden Absatz fanden, blieb die Offerte der Stadtverwaltung geradezu jungfräulich unberührt.

Und das bei einem, wie der Volksmund so schön sagt, Job auf Lebenszeit. Das wirft zwangsläufig Fragen nach den Gründen auf. Nicht einmal Merkmale wie eine mittlere fünfstellige Abfindungssumme, ein dreiviertel Jahr Heimarbeit ohne Aufgaben und ein wohlwollendes Arbeitszeugnis konnte MUM-Gäste zur Versuchung locken, sich die Telefonnummer abzureißen und mitzunehmen.

Rathaus-Job als Ladenhüter?

Hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt tatsächlich so gedreht, dass jetzt sogar wieder Kriterien wie das Arbeitsklima eine Rolle spielen? Die Zukunft wird es zeigen.

karimum

Mit Zukunft in erweitertem Sinne beschäftigte sich bisweilen auch das Rahmenprogramm. So referierte beispielsweise Dr. Eddy Donat von der GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH in einem ebenso bemerkenswerten wie gut besuchten Vortrag (das Publikum musste teilweise stehen) zum Thema „Neues Zentrum Markranstädt“

Vortrag weckt Sehnsüchte

Darin eröffnete er interessante „Perspektiven und Chancen mit Blick auf die aktuellen Erkenntnisse des bisherigen Standes des Einzelhandelskonzeptes“. Da lagen seit langem endlich mal wieder sowas wie greifbare Visionen in der Markranstädter Luft.

donat

Vortrag mit bemerkenswerten Inhalten.

Schlussendlich zog die 8. MUM auch in gesellschaftsökonomischer Hinsicht einige sinnstiftende Synergieeffekte nach sich.

Der temporäre Hallenboden konnte gleich liegen bleiben. Schon kurz nach Ende der Messe und dem Abbau der Stände bezog der Veranstalter der Second Dance Night das Domizil und richtete den Tempel für das heiße Tanz- und Unterhaltungsevent am Samstagabend her.

Fliegender Wechsel

Auch inhaltlich sind gewisse Parallelen nicht auszuschließen. Feinmotorik ist nicht nur bei der MUM im Umgang mit Pinsel und Farbe oder Hammer und Nagel gefragt, sondern auch beim Schwingen des Tanzbeins.

Aber auch hier haben sich die Zeiten geändert. Hieß es früher noch „Jeden Tag an jedem Ort – einmal in der Woche Sport“, so gilt heute auch auf der Tanzfläche: „Wir schaffen das!“