Nach Frexit-Drohung: Ort wird hermetisch abgeriegelt!

Frankenheim steht kurz vor dem Austritt aus dem als Markranstädter Union (MU) bekannten Völkerbund. Das meldeten die Markranstädter Nachtschichten am 28. Juni. Weil offenbar viele Frankenheimer gegen den Frexit sind und heimlich Fluchtgedanken hegen, hat sich die MU-Kommission jetzt etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um die Frankenheimer sowie Lindennaundorfer am Verlassen ihrer Heimat zu hindern und so gleichzeitig den Flüchtlingsstrom einzudämmen.

Wenn heute in Lindennaundorf, einem kleinen Vorort von Frankenheim, die berühmte Windmühle öffnet und wieder hunderte Besucher anlockt, so ist das diesmal keine historische oder wenigstens touristische Attraktion, sondern nichts weiter als eine perfide Falle! Allerdings nur für motorisierte Landwirte und Anwohner, denn der Rest der Menscheit gelangt sowieso nicht mehr ins „Neu-Nordkorea“ am Fuße des Bienitz hinein.

Neokommunistisches Grenzregime

Gefickt eingeschädelt wurde diese Form des Menschenhandels, ja der Versklavung, offenbar von hervorragend vernetzten Rebellenmilizen der MU, die über Beziehungen bis in höchste Kreise unseres regionalen Straßenverkehrswesens verfügen.

Gefangen in der Reuse

Nur mit deren Hilfe konnte es gelingen, eine wichtige Straße im Lindennaundorfer Hinterland als Baustelle zu sperren und die einzig verbliebene Verbindung zur Außenwelt, die Priesteblicher Straße, zwar als Umleitungsstrecke auszubauen, dann aber so zu sperren, dass sie quasi zur Reuse wird.

Abgeschottet: Neu-Nordkorea

Im Klartext zusammengefasst: Rein in den Ort kommt nur man aus Dölzig oder Markranstädt und nur mit einem landwirtschaftlichen Fahrzeug oder als Bewohner. So steht es auf dem Schild, das an der Einmündung der Priesteblicher Straße steht (Bild mittlere Spalte). Raus kommt man gar nicht mehr, weil … (siehe Titelfoto oder Bild ganz rechts).

Und weil das heimlich aufgenommene Beweisfoto (wer im Grenzgebiet mit einer Kamera hantiert, wird sofort verhaftet, nach Frankenheim gebracht und dort zwangseingebürgert) so mies ist, hier nochmal die Beschreibung. Oben steht das Zeichen für „Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge aller Art“, darunter die Ausnahme, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge trotzdem freie Fahrt haben und ganz unten dann der Lockstoff für die Ureinwohner: „Bewohner frei“.

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Böse Falle! Wer das glaubt, kommt aus der Markranstädter Ostzone nämlich nicht mehr raus. In der Gegenrichtung, da wo bislang der Schlagbaum stand, wird das motorisierte Befahren der extra als Umleitungsstrecke aufgeschotterten Piste nämlich ausnahmslos unter Strafe gestellt. Heißt also: Rein kommt man noch, als Bewohner oder Traktorist, aber raus nicht mehr.

Wenn man bedenkt, was in der DDR für ein Aufwand mit Mauern, Selbstschussanlagen und Zäunen betrieben wurde, um Menschen ein grundlegendes Maß an Heimatliebe nahezubringen, dann ist die Frankenheimer Lösung in ihrer entwaffnenden Einfachheit geradezu genial. Einfach ein Schild aufgestellt – fertig ist die Straßenreuse.

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Nix da mit Ausreise oder Umkehr, weil man es sich anders überlegt hat. Wer hier ankommt, ist zwangseingebürgert.

Der Deutsche des 21. Jahrhunderts fährt nirgendwohin ohne sein Auto. Das Gaspedal ist quasi sowas wie eine freiwillig angelegte elektronische Fußfessel. Wenn das vor 1989 schon ins Bewusstsein von Mielke & Co. gelangt wäre, hätten wir wahrscheinlich alle nicht nur einen Trabbi bekommen, sondern hätten ihn auch noch nehmen müssen. So ändern sich die Zeiten.

Bei den Schildbürgern

Zurück nach Frankenheim und Lindennaundorf: Die Einwohnerzahlen werden also aller Voraussicht nach trotz drohenden Frexit-Szenarios stabil bleiben. Und die Sache mit den Schildern könnte sogar wieder Schwung in die nach dem Verschwinden der Schranke eingebrochene Tourismus-Industrie bringen. Den Machern der PR-Wirtschaft fällt dazu bestimmt bald der passende Slogan ein. „Willkommen bei den Schildbürgern“ oder sowas in der Art.

 

Mit Markranstädter Einpeitscher zum EM-Titel?

Als würde die Fußball-Europameisterschaft nicht auch ohne aktives Zutun aus Markranstädt schon genügend Stoff für satirische Momente bieten, hat es nun ein Video aus Lallendorf sogar bis in die heiligen Hallen der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Focus“ geschafft. Die Münchener Redakteure titelten: „SSV Markranstädt 2: Mit dem Typen als Einpeitscher wäre uns der EM-Titel sicher.“ Stimmt! Die Frage ist nur, in welcher Sportart?

Eigentlich reicht es ja in Sachen Humor schon, wenn man sich die Kommentare der Fernseh-Reporter anhören muss. Béla Réthy beispielsweise ist so ein Protagonist, der jedem Satiriker die Show stiehlt. Ganz harte Kost ist das, was der Mann uns in den letzten Tagen so angeboten hat. Beispiele gefällig?

„Auf Knöchelhöhe kann man nicht köpfen.“ oder „Schwer, ’ne Prognose zu wagen, aber ich glaube, dass Portugal mit der kroatischen Spielweise besser klarkommt als umgekehrt.“ Und dann noch der hier: „Zoltan Gera hat den Platz verlassen. Es ist heute eh viel zu heiß für einen 37jährigen.“

Und weil es auch in einer Reporterkabine schnell mal zu heiß werden kann, gibt es auch da noch Steigerungsformen. Zum Beispiel die hier: „Bei der Konzentration fehlt den Isländern die Kraft.“ oder auch „Bei Standardsituationen und bei Eckbällen müssen die Deutschen hinten aufpassen. Da sind die besten Waffen der Slowakei.“

Apropos „hinten aufpassen“. Auch folgender Kalauer war im deutschen Fernsehen zu hören: „…rutscht von hinten voll in Höwedes rein!“ Uuurgh … bei dieser Aussage zieht sich dem Zuschauer im Fernsehsessel instinktiv der Schließmuskel zusammen. Hermetisch, sozusagen.

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Höwedes auf dem DFB-Pflaumenbaum. Hier wird der Gegenspieler rausgeknaupelt, der zuvor in ihn reingerutscht war.

Der arme Höwedes, möchte man meinen. Aber was soll da erst DFB-Arzt Müller-Wohlfahrt sagen, der nach dem Spiel in der Kabine den gegnerischen Stürmer aus Höwedes wieder rausknaupeln muss?

Beine hoch und schön locker lassen

Wie dem auch sei – das sind längst nicht alle historischen Momente, die so eine Europameisterschaft auszeichnen. „Focus online“ hat kürzlich ein Video veröffentlicht, das in Markranstädt aufgenommen wurde seither als Lehrbeispiel für die Motivation des DFB-Kaders bundesweit die Runde macht.

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Dieses Video aus Markranstädt hat es bis ganz nach oben zu Focus online geschafft. Hat irgendwas von Operngesang – da versteht man auch oftmals nicht, was da so gesungen wird.

Was der Anheizer der Zweiten vom SSV da abzieht, das macht garantiert jedem Gegner Angst. Allein die konditionelle Leistung ist beachtlich – egal, ob man gerade ein Spiel in den Beinen hat oder die 90 Rasenminuten erst noch bevor stehen.

Allerdings hat sich uns trotz mehrmaligen Anschauens nicht erschlossen, in welcher Sprache hier angeheizt oder wie man bei Focus sagt, eingepeitscht wurde. Ja, es gibt in Lallendorf schon eine Reihe einzigartiger Begriffe, die es woanders nicht gibt und manchmal werden solche auch nur falsch verstanden. Zum Beipiel letztens beim Kinderfest im Bierzelt: „Gänsefleisch ma ä Schdigge rücken?“

Nicht auszuschließen, dass diese Vorstellung auch auf den Kommentator des isländischen Fernsehens Eindruck machte und er sich an der vorgelebten Theatralik eine Anleihe nahm.

Zwischen Lallendorf und Island

Klingt zumindest ziemlich ähnlich und auch der Erfolg gibt ihm Recht. Der Mann ist mit seiner legendären Stimmband-Ekstase inzwischen sogar die Hall of Fame des Commentatoring aufgenommen worden.

 

Leider ist die Heiz-Endstufe aus Markranstädt von Jogi Löw bislang unberücksichtigt geblieben. Und so wird sich Deutschland heute Abend gegen Italien nur mit fußballerischen Mitteln durchsetzen müssen. Oder wie Béla Réthy mal sagte: „Zwei Mannschaften mit je 60 Prozent Ballbesitz – das wird nicht gehen, auch nicht rechnerisch.“

Auch andere sind komisch

Es sind übrigens nicht nur deutsche Kommentatoren, die einem gewissen Faible für unfreiwillige Satire frönen. Kiyoshi Inoue, ein japanischer Reporter, meinte bei der Begegnung zwischen Deutschland und Italien bei der WM 2006: „Der Mann, an den sich Angela Merkel da kuschelt, ist der italienische Präsident Berlusconi. Schon im Zweiten Weltkrieg haben Deutschland und Italien zusammengearbeitet.“

 

Wundbrand unter der Dachhaut?

Alles nochmal gut gegangen. Der gestrige Brand im Sportcenter hatte nur Sachschaden zur Folge. Wenn also heute irgendwo brandneue Balken angeboten werden, stammen die nicht aus dem Sport-Komplex. Zweite gute Nachricht: Es liegt kein Bekennerschreiben des IS vor und auch ein fremdenfeindlicher Hintergrund des Feuers wird ausgeschlossen. Das wars dann aber schon mit den positiven Merkmalen des gestrigen Tages.

Ein Brand in einem öffentlichen Gebäude bietet naturgemäß wenig satirisches Potenzial. Wenn es sich nicht gerade um das Markranstädter Sportcenter handelt. Dort tut sich traditionell viel auf und unter dem Dach.

Und auch diesmal war das nicht anders. Wenn ein Feuer nicht ein so trauriger Anlass wäre, müsste man glatt behaupten, dass da gestern eine Lachsalve die andere jagte. Vieles davon sind Gerüchte, die aber mit Satire eine grundlegende Gemeinsamkeit verbindet: Im ersten Moment sind sie frei erfunden – wahr werden sie erst später.

Tatütata mal nüchtern betrachtet

In der offiziellen Lautsprache der Stadtverwaltung las sich die Mitteilung so: „… Vor Ort haben die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr einen Brand im Bereich der Wechselrichter der Photovoltaik-Anlage festgestellt und gelöscht. …“

So viel zu den nüchternen Fakten des Brandes, der wie jedes von Tatütata begleitete Feuer vor den Augen zahlreicher Beobachter gelöscht wurde.

Weiterer satirischer Meilenstein

„Ist der immer noch da oder schon wieder?“, fragte ein Beobachter der Löscharbeiten in die Runde und wies auf einen in der Nähe umherstehenden Photovoltaik-Experten.

Kaum ausgesprochen, kam aus dem Hintergrund die Mitteilung, dass die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Sport-Centers erst wenige Stunden vor Ausbruch des Brandes turnusmäßig überprüft worden sei. Das würde zumindest in die geradezu mit Meilensteinen grandioser Satire geprägte Geschichte des ehrwürdigen Hauses passen.

Auch im Zuge der Löscharbeiten gab es hinreichend Stoff für die Erben Till Eulenspiegels. Da sich der Brandherd im Dachbereich des Sportcenters befand, musste die Feuerwehr erstmal irgendwie da hoch kommen.

Das geht am besten mit einem Hubsteiger, der im Kameradenjargon kurz „Mast“ genannt wird. Der Markranstädter Mast genießt in der Rettungsleitstelle allerdings seit einigen Wochen den Status „6“.

Setzen, sechs!

Dieses Kriterium ist gleichzusetzen mit der entsprechenden Schulnote und bedeutet „außer Betrieb“. So musste ein adäquates Gerät zur Überwindung des Höhenunterschiedes aus Lützen geordert werden.

Ob sich die ambitionierten Einsatzzeiten der Markranstädter Kameraden mit solchen Förderprogrammen aus benachbarten Bundesländern künftig noch gewährleisten lassen, muss wohl an anderer, derzeit urlaubsbedingt verwaister Stelle geklärt werden.

mast

Am Stammtisch heißt es oft: „Wer lang hat, lässt lang hängen“. Bei der Feuerwehr gilt dagegen: „Wer hoch will, muss einen steigen lassen.“ Die Frage in Markranstädt lautet allerdings: Womit? Der Mast mit Status „6“ bräuchte mal eine Viagra.

Und wie das im Leben so ist: Erst hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu. Denn leider war es auch noch ein Feuer der Kategorie Elektrobrand, das man nicht mit Wasser löschen sollte. Bei 10 kV könnte man ansonsten ganz schnell mal das Gefühl haben, statt des Schlauches einen auf V-max. eingestellten „Big Lover“ von Beate Uhse in der Hand zu halten.

Hätte man mit H2O löschen können, wäre die Sache einfach und auch ohne Mast lösbar gewesen. Einfach von unten aus Wasser aufs Dach spritzen und warten … durch läufts dann bekanntlich von alleine. Genauso wie beim enthaupteten Abklingbecken an Reaktorblock 3 in Fukushima.

Wie jetzt: Sachschaden?

Na gut, damit wären wir am Ende des gestrigen Einsatztages. Niemand wurde verletzt, das ist das Wichtigste. Allerdings schrieb die Stadtverwaltung was von Sachschaden. Da stellt sich die Frage, wo der entstanden sein soll? Das Dach, im Original wohl als Reet-Konstruktion im Stile einer norddeutschen Fischerruine geplant, war ja von Anfang an eh komplett im Arsch. Was war da noch kaputt zu machen?

Aber scheinbar ist das nur die von laienhaftem Halbwissen geprägte Meinung von Satirikern. Die wahre Tragweite könnte in der Tat heftiger sein. Das Feuer soll zwar recht klein (örtlich begrenzt) gewesen sein, die Hitzeentwicklung dagegen beachtlich. Es war von einer statischen Überprüfung zu hören, weil nicht auszuschließen sei, dass ein Träger aufgrund der Hitze etwas übermotiviert zu Biegsamkeit konvertieren könnte.

Mal sehen, was da noch kommt an Stopfgarn fürs anstehende Sommerloch.

 

Frankenheim vor dem Frexit?

Das wars erstmal für die legendäre „Schranken-Uhr“. Nach dem neuen Rekord von einem Monat, drei Wochen und drei Tagen hatte sie ihre Daseinsberechtigung verloren, weil es die Schranke nicht mehr gibt. Der Schlagbaum liegt nach seinem offiziellen Rückbau jetzt wahrscheinlich in der Asservatenkammer des Rathauses. Was sich gegenwärtig in der Priesteblicher Straße so tut, sieht wie die Vorbereitung zum Austritt Frankenheims aus dem Markranstädter Völkerbund aus. Grund genug, mal genauer hinzuschauen auf die heimliche Planung des Frexit.

Nichts ist von längerer Dauer als das Provisorium, sagt ein altes Sprichwort. Napoleons temporärer Wanderweg nach Moskau ist noch heute bei uns bekannt und zieht sich als „Heerweg“ oder „Ellern“ durch die Markranstädter Flur. Dieses dauerhafte Schicksal könnte auch die Priesteblicher Straße ereilen.

Deren verkehrstechnische Ertüchtigung fand in der Vergangenheit vor allem deshalb wenig öffentliches Protegé, weil links und rechts der Trasse angeblich zu wenig Platz sei, um sie für Begegnungsverkehr ausbauen zu können.

Viel Platz für Verkehr

Nun ja – spätestens beim Blick auf das Foto wird klar, dass man wohl eine Lösung gefunden hat. Wenn auch erstmal nur mit Schotter.

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Links und rechts aufgeschottert und so als temporäre Umleitungsstrecke ertüchtigt: Priesteblicher Straße. Ein Provisorium mit Merkmalen einer Endlösung.

Auch das Argument, das einst zur Sperrung der Priesteblicher Straße mittels Schranke führte, kann kaum länger aufrecht erhalten werden.

Es hieß, dass der Kreuzungsbereich zur Straße An den Windmühlen zu gefährlich sei und der Träger diese Gefahr nicht verantworten könne. Nun – jetzt zumindest scheint er es zu können und hat sogar eine praktikable Lösung per Ampelanlage gefunden.

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Sogar der Verkehr auf dem Radweg wird per moderner Lichtzeichenanlage geregelt. Da wirds bei künftigen Diskussionen schwer, das Totschlag-Argument „Geht nicht“ ins Feld zu führen.

Aber es gibt bekanntlich Widerstand gegen die Ausbaupläne und der könnte in einem Frexit münden. Rebellenmilizen der Ausbau-Befürworter haben schon mal vorsorglich ein Zollhäuschen am ehemaligen Standort der Schranke aufgestellt (Foto rechts). Säbelrasseln sozusagen. Für den Fall, dass die Schranke wieder aufgebaut wird, soll die dann wirklich eine Funktion haben.

Importen aus Lallendorf (Gewürze, Brathähnchen, Klärschlamm etc.) drohen dann hohe Einfuhrzölle. In der Gegenrichtung könnte die kleine Exklave auch das politische Gleichgewicht in Markranstädt beeinflussen, indem man beispielsweise die in Frankenheim wohnhafte Erste Beigeordnete an der Ausreise und somit der Teilnahme an wichtigen Sitzungen in der Kernstadt hindert.

Die Zeichen für einen Austritt des Dorfes verdichten sich bereits seit längerem. Klammheimlich bereitet man sich schon seit Jahren auf autarke Selbstversorgung vor. Unter dem Deckmantel der Schaffung touristischer Attraktionen wurde beispielsweise eine Mühle errichtet. Was kaum jemand ahnt: Darin wird Mehl erzeugt! Das wiederum kann seit wenigen Wochen sogar weiterverarbeitet werden. Ein Backofen, ebenfalls als touristisches Alleinstellungsmerkmal getarnt, kann das ganze Dorf mit Brot versorgen.

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Noch ist die Lage als ruhig zu bezeichnen. Auf dem Frankfurter Parkett werden die Aktien der neben der Feuerwehr befindlichen Lindennaundorfer Bank solide gehandelt. Man darf gespannt sein, wie sich das Stimmungsbild des kleinen Bergdorfes am Fuße des Bienitz in den kommenden Wochen entwickelt. Der Blick geht aber schon öfter mal nach Großbritannien, so viel ist klar. Der Brexit als Modell für den Frexit und spätestens nach Englands EM-Pleite gegen Island weiß man, dass die Folgen eines solchen Schritts unabsehbar sind.

 

Deutschland weiter, Oeser in Rio und Kulkwitz im Himmel

Das war ein Abend, den man in Kulkwitz nicht so schnell vergessen wird. Normalerweise wären die SSV-Mitglieder nach dem Sieg gegen Germania Kötzschau ans Aufräumen gegangen, um die Spuren der Jubiläums- und Platzeinweihungsfeier zu beseitigen. Aber weil es quasi auf den letzten Drücker gelang, das Public-Viewing von MDR 1 Radio Sachsen in den Feldscheunenweg zu holen, wurde aus dem Abend vor dem ekligen Start in die neue Woche noch ein riesiges Event.

Die Leinwand stand schon am Nachmittag und die Bierhähne krähten nach Herzenslust. Freibier gab’s, auch wenn niemand so richtig wusste, wer der edle Spender war. Im Zweifelsfall der MDR selbst und weil es dann GEZ-Freibier sein könnte und man es schon vorher bezahlt hat, wurde auch kräftig zugelangt.

Rund 500 Zuschauer wollten sich das Achtelfinale zwischen Deutschland und der Slowakei nicht entgehen lassen. Gleich gar nicht, wenn es sozusagen vor der Haustür in stadionähnlicher Atmosphäre stattfindet.

Entsprechend gelöst, freundlich und familiär war die Stimmung. Lediglich die Beteiligung der Bewohner aus den umliegenden Parallelwelten der Känguruhsiedlungen (nichts im Beutel, aber große Sprünge [in von Lebensbaumhecken umzingelten, weißen Betonklötzen mit mondänen Carports]) ließ zu wünschen übrig.

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Ungefähr 500 Zuschauer sollen zum Public-Viewing nach Kulkwitz gekommen sein.

Bevor es losging, wurde Kulkwitz von zwei MDR-Moderatoren aufgeheizt, bei denen sich nicht selten sogar die Generation ü 60 fragte, ob und woher man die kennen muss. Aber spätestens als Michael Bloyl auf die Bühne geholt wurde, waren die Fronten geklärt hinsichtlich der Fußball-Kompetenz.

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Bloyl erklärt den Rundfunk-Legenden vom MDR, dass er nicht Guido Schäfer ist und der SSV Kulkwitz nicht der BFC. Dann schenkt er dem Dresdener Moderator aus den Tal der Ahnungslosen einen Schal des SSV Kulkwitz. So geht Öffentlichkeitsarbeit.

Das ist auch verständlich. Nicht nur der neue Fußballplatz hat mit rund 600.000 Euro (allein jeder einzelne Eckpfahl mit rund 250 Scheinen) Geschichte in Deutschland geschrieben, sondern der Chef für den Nachwuchs höchstselbst bewohnt seit einiger Zeit vis à vis der Arena quasi das größte Kassenhäuschen der Bundesrepublik – noch vor Bayern und Dortmund. Superlative, die nicht einmal die BILD-Zeitung ausgraben konnte.

Stadtratssitzung in Kulkwitz

Überraschendes gab es sonst wenig. Weder im Publikum noch auf dem Spielfeld. Die kommunalen Vips standen, bis auf wenige Ausnahmen und nicht anwesende Vertreter der Regionen linkerhand des kommunalpolitischen Spektrums, säuberlich geordnet nach Fraktionen an den Tischen und gaben sich weder hinsichtlich eventueller Tipps zum Ausgang der Begegnung noch zu sonstigen Vorgängen eine Blöße.

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Das 2:0 für Deutschland. Gefühlsmäßige Befreiunng neben dem Löschteich direkt an den Ufern des Lago Radona, des Lake Funeral und der Kulkwitzer Lachen.

 

Und die DFB-Elf ließ von Beginn an keinen Zweifel, dass zumindest im Fußball österreichische Tugenden gelten und so wenigstens die Grenzen des eigenen Strafraums dicht sind.

Braunauer Tugenden

Gut – in der 14. Spielminute kamen einmal kurz Zweifel auf, als Mesut Özil bei einem Strafstoß direkt auf die Fäuste des slowakischen Torwarts Kocazik zielte und diese auch noch traf. Aber das muss man erstmal bringen. Vor ziemlich genau 40 Jahren hat Uli Hoeneß während der EM in Jugoslawien bei solch einem Versuch die Stadionuhr in Belgrad ausgeschossen. Die steht heute noch auf 22:56 Uhr und der Mann ist trotzdem so erfolgreich geworden, dass er versehentlich zu wenig von diesen Reputationen abzugeben gewillt war.

BM

An Abenden wie diesem ist das Amt des Bürgermeisters besonders schwer, sogar mit Sonnenbrille und friesischem Migrationshintergrund: „Au haua haua ha, doa griechd däh Kreislöifor Özil oinen asdrein‘ Siem’meddor und wirft den aus elf Meddan direggt inni Orme vom Toarwoard. Noi, noi, noi Onjooh, ich geh jez hoim! „

Diesmal machten es unsere Jungs besser. Dreimal gab es im Kulkwitzer Ortsteil Gärnitz Grund zum Jubeln. Und wenn auf dem Video-Board grade mal kein Grund zum Jubeln zu sehen war, dann sorgte ein MDR-Anheizer, der seinen Ausholfsjob in der Schröder-Ära trotz vermutbarer Scheinselbstständigkeit noch als Anchorman von der Steuer absetzen konnte, für ausgelassene Stimmung.

Am Ende waren sich alle Anwesenden einig, einen großartigen Sportabend erlebt zu haben. Friedlich, fröhlich, stimmungsvoll und erfolgreich.

Zwischen Kreisklasse und Olympia

Was die wenigsten Gäste eine Stunde vorm Anpfiff der Begegnung auf dem Schirm hatten: Fast zur gleichen Zeit quälte sich die Markranstädterin Jennifer Oeser in Ratingen zu ihrer letzten Chance, an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen zu dürfen.

Die Siebenkämpferin startete am Samstag in den Wettbewerb wie Mesut Özil ins Achtelfinale. Beim 100-Meter-Hürdenlauf nahm sie die erste Hürde mit Vollspann, kickte sie von der Bahn, stürzte fast und kam mit einer eher bemitleidenswerten Zeit ins Ziel. Über 200 Punkte Rückstand zur Olympia-Norm attestierten ihr die internationalen Leichtathletik-Experten bereits nach der ersten Disziplin.

Charakter gegen Weihrauch

Aber was dann folgte, war Kampf pur! Und der war so großartig, dass das Team der Markranstädter Nachtschichten am zweiten Wettkampftag gleich drei Fachkräfte an die Computer gekettet hat, statt sie zur beweihräuchernden Leinwandbetrachtung mit nach Kulkwitz zu nehmen. Gegen 17:00 Uhr stand es für die zurückgebliebenen Sport-Amateure der Satire-Profis dann fest: Mit 6058 Punkten hat Jennifer Oeser die für Rio gesteckte Norm von 6.200 Punkten nicht erfüllt und kann sich vom 5. bis 21. August am Kulki sonnen.

Einzig der MN-Chef, der sich früher selber mal so bewegt hat, dass er das seinen Zuhörern noch heute recht glaubhaft als Leistungssport verkaufen zu glauben hofft, äußerte per Handy seine Zweifel und mahnte zur Vorsicht in der Berichterstattung … selbst wenn diese nur satirischer Natur ist und im Nachhinein immer noch grade gebogen werden kann.

Punkt 19:08 Uhr, die zweite Halbzeit im Achtelfinale der Deutschen hatte gerade begonnen, lief im MN-Bunker die erlösende Nachricht von Jennifer Oeser ein, die dem in Kulkwitz weilenden Sport-Spasten an der MN-Spitze auch noch Recht gab. Jenni schrieb: „Ich kann euch beruhigen, ich werde für Rio nominiert! Ich habe die Norm aus dem letzten Jahr und da es in diesem Jahr keine dritte Normerfüllerin gibt, zählt meine Punktzahl von der WM 2015! LG Jennifer“

Markranstädterin bei Olympia!!!

Scheiß auf Deutschland und Viertelfinale – wir haben allein deshalb gejubelt, weil es um die Charakterstärke einer Person und nicht eines 23-Mann-Teams geht. Okay, sie hatte da etwas Glück zum Unglück anderer, unsere Jenni. Das System der Rio-Quali ist ungefähr so kompliziert wie das der Gruppenphase in der Fußball-EM. Gruppendritter mit besserem Toreverhältnis bei jüngerem Altersdurchschnitt des Keilriemens vom Motorrad des Trainers. Im Klartext: Für die drei Startplätze in Rio kamen im Prinzip vier Athletinnen in Frage.

Vier kleine Sportlerlein …

Claudia Rath, Carolin Schäfer, Jennifer Oeser und Lilli Schwarzopf. Letztere hatte beim Start in Ratingen einen so schwarzen Tag erwischt, dass sie auf den 200-Meter-Lauf verzichtete, der angesichts des Wetters ohnehin eher ein Freistil-Schwimmen war. Schwarzkopf raus – bleiben drei.

…da waren’s nur noch drei

… von denen Oeser den zweiten Platz (insgesamt Platz 3 hinter Olympiasiegerin Jessica Ennis-Hill und der deutschen Überfliegerin Caroline Schäfer) belegte. Mit 6058 Punkten und trotz der Tauchphase beim Hürdenrennen. Wahnsinn!

Auch wenn der ganze Quali-Modus so schwer zu durchschauen ist wie die Urinprobe einer weißrussischen Gewichtheberin, hätte demnach bestenfalls Anna Maiwald als einzige DLV-Starterin bei den Europameisterschaften in Amsterdam noch die Möglichkeit, sich für Rio zu qualifizieren. Gut genug ist sie für eine solche Leistung, aber Jennifer Oeser wäre damit statt auf Zwei dann auf Drei und noch immer für Rio qualifiziert. So ungefähr jedenfalls muss es sein …

oeser

Mehrkämpfer in der Leichtathletik sind wie die Biathleten im Wintersport eine Familie. Im Erfolg denkt man auch an die Hoffnung der Konkurrenten. Aber es ist schon ein schönes Gefühl zu wissen, dass man zu Olympia nach Rio fahren darf. Herzlichen Glückwunsche Jennifer Oeser!!!

Nun ja … wenn also eine Neu-Markranstädterin demnächst in Rio aufläuft, ist das zumindest für den Sport-Guru der lokalen Tagesgazette keine Überraschung mehr, nachdem er schon im vergangenen Jahr durch die Markranstädter Nachtschichten von der Teilnahme Jennifer Oesers an der WM in Peking erfahren hat.

Du wohnen Lallendorf – warum?

Uns hat die Markranstädter Siebenkampf-Ikone jedenfalls ein Interview zugesagt und wir freuen uns richtig drauf. Mal was anderes als dieses stereotype „Was fühlt man, wenn plötzlich die Hürde kippt?“ und ähnliche Main-Stream-Gelatine.

Oder würden Sie nicht auch gerne wissen, ob eine Vizeweltmeisterin schon einmal geraucht hat, welche Games sie zwischen zwei Wettkämpfen gerne zockt, worüber sie lacht oder was um Himmels Willen einen Menschen aus Brunsbüttel über Leverkusen ausgerechnet nach Markranstädt zieht? Wir sind richtig gespannt und freuen uns auf ein locker-lustiges Interview mit einer nunmehr dreifachen Olympiateilnehmerin.

 

Heute Super-Sonntag beim SSV Kulkwitz!

Was wäre, wenn es noch keine bewegten Bilder gäbe und wir die Kommentare der Fußball-Moderatoren selbst in Bilder umsetzen müssten? Was würden Sie vor Ihrem geistigen Auge sehen bei Sätzen wie „Lewandowski rutscht in Höwedes rein“ oder „Hummels steht am kurzen Pfosten“? Wie stellt man sich das Grün vor, wenn der Reporter sagt „Der Rasen ist schnell“ und ist Boateng jetzt behindert, weil er im Spiel gegen Polen „ein Bein stehen ließ“? Na ja, zum Glück werden die Bilder dazu geliefert, heute beispielsweise in Kulkwitz, beim Public-Viewing von MDR Radio Sachsen.

Es ist der würdige Abschluss einer großartigen Saison des SSV Kulkwitz.

Etwas verspätet zwar, weil der 95. Geburtstag schon im letzten Jahr anstand, aber dafür mit einem sportlichen Fazit, das vor der Saison noch niemand auf dem Schirm hatte.

Als Aufsteiger auf Anhieb Platz 3! Im letzten Heimspiel konnte man sich sogar leisten, was erst später bei der EM erfunden wurde: ein 1:3 Packing.

Eigentlich sollte ja der gestrige Samstag den Höhepunkt der Feierlichkeiten bilden – mit Turnieren, Musik und einem kulturellen Abendprogramm.

Unter der Woche aber hat der SSV per Internet-Abstimmung das Public-Viewing des MDR 1 Radio Sachsen für das Achtelfinalspiel Deutschlands gegen die Slowakei am Sonntagabend nach Kulkwitz geholt. Das hat es in dem kleinen Fischerdorf am Lago Radona so noch nie gegeben.

Zusammen mit dem Auftritt der Markranstädter Stammtischler zum Frühschoppen, einem D-Jugend-Turnier und einem Spiel der ersten Mannschaft gegen Germania Kötzschau am Nachmittag, ist der eigentlich als friedlicher Ausklang der Feierlichkeiten geplante Sonntag damit fast schon zu einem zweiten Höhepunkt geworden.

Also: Luft aufs Rad und ab nach Kulkwitz. Da kann man sich auch mal eine Tasse Bier in den Hals stellen – zurückgefahren ist dann schnell.