Der „D-Day“ in Markranstädt

Der Samstag war ein Probelauf für das, was auf Markranstädt wartet, wenn dem SSV der Aufstieg gelingen sollte. Nach dem Schlusspfiff der Sicherheitspartie RB II gegen Lok Leipzig dürfte zumindest eins klar sein: Akzeptanz unter der Bürgerschaft ist kein Selbstläufer. Da muss der SSV langsam mal was tun, wenn er wirklich aufsteigen will.

Einen offiziellen Polizeibericht gibt es hier: LIZ/ RB II gegen Lok

Schon lange vor dem Anpfiff glänzte der Markranstädter Marktplatz wie eine Kristallstraße. Radeberger, Köstritzer, Sternburger – die Reste der letzten Stufe des Vorglühens (weils im Stadion keinen Alkohol gibt) zierten das Pflaster. Derweil belagerten nicht nur Fußballfans die Stadtmauern Lallendorfs. Inklusive Ordner, Stewards, DRK, Feuerwehr und natürlich Polizei waren weit über 500 Kräfte im Einsatz.

Die sorgten unter anderem nicht nur für die Durchsetzung des Parkverbots in der Weststraße, sondern sperrten sie quasi gleich voll und nahmen die Beschilderung zum Anlass, völlig unbeteiligte Passanten nach dem Ziel ihres Wegs zu befragen.

Da wurde auch schon mal ein Mütterchen vorm Rad geholt, das eigentlich nur nach Hause wollte und nun einem orange gewesteten Halbwüchsigen Rede und Antwort stehen musste, der mit Röntgenaugen die Form ihres Dederonbeutels musterte, wohl in der Hoffnung, die Umrisse eines Sturmgewehrs zu entdecken. Derweil fuhr hinter seinem Rücken ein mit johlenden Landsleuten des Kontrolleurs vollbesetzter Opel Kadett völlig unkontrolliert in die Sicherheitszone. Satire pur!

Zur gleichen Zeit am Stadioneingang: Eine deeskalierend wirkende Frauenstimme fordert über Lautsprecher: „Bitte unterlassen sie das Werfen von Flaschen. Es sind Kinder im Publikum! Sie machen sich strafbar!“ Die Antwort bestand aus präpubertärem Gejohle und mannigfaltigem Klirren zerberstender Flaschen. Allerdings fragt man sich als ferner Beobachter schon, wie strafbar oder zumindest verantwortungslos sich Eltern verhalten, die fünjährige Kids mitnehmen, wenns nirgendwo anders hingeht als in den Krieg.

Denn Krieg war das Ziel, wenn man auf das Gebrüll und das Verhalten einer Vielzahl dieser Fans achtete. Da sollten die einen Bullen geschlachtet werden, während die anderen mit vollen Getränkebechern beworfen wurden. Es gab ja die Roten und die Uniformierten. Gegnerische Trainer wurden mit gossenhaftem Vokabular für weibliche Geschlechtsteile begrüßt und auch sonst brach sich ungenutztes Testosteron mannigfaltig Bahn.

Fünfzig Minuten vor dem Anpfiff gabs dann doch noch Satire aus dem Leben. Das Stadion war schon ganz ordentlich gefüllt, als der Lok-Block plötzlich in Bewegung geriet. Mit Beifall wurde eine versprengte Guerilla-Einheit begrüßt, die den Zaun in geübter NVA-Manier wie eine Eskaladierwand zu nehmen gedachte.

Partisananangriff aus dem Stadtpark

Außenstehende Beobachter hätten zunächst durchaus denken können, dass es sich um ein feindliches Regiment Alliierter handelt, dessen Spähtrupp man bei der Überwindung des Zaunes behilflich war, um sie dann auf den eigenen Traversen in Ruhe foltern zu können. Doch selbst wenn einige der über den Zaun gereckten Gesichter später gnadenlos ins Stadionvorfeld zurückgeboxt wurden, handelte es sich nur um eine Maßnahme zur Umgehung der Einlasskontrolle.

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Der Klügere gab nach.

Weil die Hände dabei die Zäune nicht losließen, gaben die Zaunsfelder schließlich nach. Sekunden später war das Schlachtfeld verlassen und eine Polizeieinheit musste die trennende Aufgabe der zerstörten Zaunsfelder übernehmen. Lebende Einzäunung: In Anlage GSE der Steuererklärung kann man sowas absetzen.

Auch der Salzburger Brausegott kann sowas steuerlich geltend machen. Den Polizeigroßeinsatz am Samstag in Markranstädt haben jedenfalls wir alle bezahlt. Mit unseren Steuergeldern. Selbst die Oma auf dem Fahrrad wird in den nächsten Tagen aus dem Staunen nicht herauskommen.

In jenem Augenblick, als Eddi Kontroletti mit der orangen Weste nichts in ihrem Dederonbeutel fand, hat sich der Staat in ihrer rechten Schürzentasche bedient.

Spaß für keine 3.000  –  Kosten für alle…

Wie eingangs erwähnt: Akzeptanz ist damit in der Bevölkerung nicht zu gewinnen. Gleich gar nicht, wenn ein Geschwader hirnloser Existenzen am Abend vorher auf dem alten Friedhof von der Polizei völlig unbehelligt versucht, die verblichenen Seelen in einer nächtlichen Orgie mit lautstarkem Gegröhle, Gejaule und Geschimpfe zu erwecken und dabei die Stadt nicht zur Ruhe kommen lässt.

… aber dann auch gleiches Recht für alle

Wenns um Fußball geht, kommt auf 6 Zuschauer ein Polizist (so jedenfalls am Samstag). Da darf es im Alltag wohl nicht zu viel erwartet sein, dass wenigstens auf 1000 Bürger ein Uniformierter kommt.

Alles in allem muss der „Probelauf Stadion am Bad in der Regionalliga“ als gelungen bezeichnet werden. Fragt man aber, ob Anrainer und Bürger sowas alle 14 Tage wollen, dürfte die Antwort schon verhaltener ausfallen. Jedenfalls waren am Samstag auf Hälsen der Menschen, die nicht ins Stadion einkehrten und lieber spazieren gingen, viele schüttelnde Köpfe zu sehen.

Ach ja: Fußball gespielt wurde auch im Stadion am Bad. Das Ergebnis: siehe Fotos.

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Ein Anblick, an den man sich langsam gewöhnen muss, wenn es in höhere Regionen gehen soll. Und je höher die Liga, desto drastischer das Bild.

 

Amtsposse: Seebenisch braucht Wasser!

Mitten in der Seebenischer Seenplatte steht die Welt auf dem Kopf! Nachdem der einzuhaltende Wasserstand des Lago Radona durch das Landratsamt festgelegt wurde, hat Petrus offenbar Probleme mit seiner Prostata bekommen und übt sich seither in zivilem Ungehorsam. Der Fischer aus dem Club Jesu hat das Pieseln eingestellt und der Stinkefinger aus dem Himmel sorgt dafür, dass statt abzupumpen jetzt wahrscheinlich Wasser in bislang unvorstellbarer, weil umgekehrter Richtung aufgefüllt werden muss.

Wir erinnern uns: 121 Zentimeter und 5 Millimeter hat er zu betragen, der Wasserstand der einstigen Vernässungsfläche, die mittlerweile zum See erhoben wurde. Zur lange vermissten Richtigstellung dieses bauamtlichen Fehlgriffs in die Maßeinheiten sei gesagt: Dreidimensionales Vorstellungsvermögen liegt nicht in den Genen aller Geschlechter unserer Spezies.

Wer am ehesten mit abenteuerlichen Längenangaben zu beeindrucken und diese auch noch zu glauben bereit ist, sei dem Urteilsvermögen der Leser überlassen. Es reicht aber schon ein Blick auf die körperliche Mode. Während sich manche Menschen das Schamhaar rasieren, weil es gerade „in“ ist oder das gegenüberliegende Geschlecht sowas angeblich mag, tun die praktisch orientierten Männer das allein aus physikalischen Gründen. Je niedriger die Hecke, desto höher wirkt das Haus. Will heißen: Allein der Testosteronträger weiß um die Bedeutung jedes einzelnen Millimeters.

Die 20 Zentimeter vom kleinen Peter

Drum jetzt zum endgültigen Mitmeißeln: Es handelt sich beim Wasserstand des Seebenischer Sees um 121,5 Meter! Klingt viel, gelle? Allerdings ist damit nicht der Wasserstand gemeint, sondern der Wasserspiegel über Normal Null.

Da Seebenisch auf einer Höhe von 121 Metern über Normal Null liegt, bedeutet dies, dass das Landratsamt für die von ihm zum See erklärte Vernässungsfläche eine Wassertiefe von mindestens 50 Zentimetern genehmigt hat. Das liest sich zwar fast so idiotisch wie die Festlegung der RAL-Farbe für das Blattgrün einer Eiche, ist aber wirklich ernst gemeint.

Nun hat man aber scheinbar vergessen, die Genehmigung jener Person zur Kenntnis zu geben, die auch über die erforderlichen Kompetenzen zur Einhaltung dieser Regelung verfügt: Petrus. Der scheint sich einen Dreck um amtliche Anordnungen zu kümmern und hat das Pieseln einfach eingestellt.

Die Folge: Der Wasserstand ist seit etwas mehr als einer Woche auf deutlich unter 50 Zentimeter gefallen. Das wiederum ist eine unvorstellbare Respektlosigkeit und stellt die Autorität des Landratsamtes infrage. Jetzt ist der staatliche Souverän gefragt – das Machtinstrument der herrschenden Klasse!

Bürgerbeteiligung möglichg

Um den amtlich geforderten Mindestzustand wiederherzustellen, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Erstens: Der Bürgermeister müsste die Einwohner von Seebenisch zu aktiver Mithilfe auffordern und sowohl morgens als auch abends zur kollektiven Verrichtung des kleinen Geschäfts an den Strand des Lago Radona bitten.

Die Intergration der Eremiten

Das hätte auch den Vorteil, dass sich im Rahmen eines solchen Events auch die gesellschaftlich bislang isolierten Neubürger integrieren könnten. Schulter an Schulter mit den Ureinwohnern, könnte das Gruppenerlebnis der Erleichterung für ein völlig neues Gefühl dörflichen Zusammenhalts sorgen.

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Es wird nicht gepumpt und trotzdem sinkt der Wasserspiegel. Wird Seebenisch jetzt von einer Dürre-Katastrophe bedroht?

Die zweite Möglichkeit besteht darin, das Wasser vom Sportplatz über die Straße in den See zurückzupumpen. Auch das hat seine Vorteile. Der örtliche Faschingsverein bräuchte sich keine Gedanken mehr über das Programm der nächsten Session zu machen und der Begriff „Wasserkreislauf“ würde eine völlig neue Dimension bekommen.

Wie dem auch sei: Ganz bestimmt wird ein öffentlich-rechtliches Superhirn demnächst eine dritte Variante gebären. Vielleicht sowas wie die Installation von Gleichstrompumpen, mit denen man wahlweise Wasser nach Thronitz hin abpumpen oder von dort aus eben auch ansaugen kann. Dann müsste der Vorgang jedoch ständig überwacht werden, nicht dass dann mal plötzlich die Thronitzer Kirche durch das Rohr in den See gespuckt wird.

Eine Lösung muss allerdings her. Es kann ja nicht sein, dass ein lausiger See, der noch nicht einmal über ein Wahlrecht verfügt, die Genehmigung einer deutschen Behörde einfach missachtet. Wo kämen wir da hin? Also muss zwangsläufig demnächst gemäß deutsch-demokratischer Logik ein Bescheid folgen. Sowas wie ein Ordnungsgeld oder dergleichen wird es sein. Wahrscheinlich in genau der Höhe des Fördergeldes für die Sportplatzsanierung des SSV Kulkwitz. Wasser- und Geldkreislauf unterscheiden sich physikalisch nur marginal.

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An wen der Bescheid gerichtet wird, ist indes klar. Petrus hat keine ladungsfähige Anschrift und verweigert schon seit knapp zweitausend Jahren die Angabe einer Zustellungsadresse. Nicht einmal die GEZ ist dem Mann auf die Schliche gekommen. Also muss stellvertretend die Stadt herhalten.

Auf dem gelben Couvert wird dann die Zustellanweisung stehen: Petrus, c/o Jens Spiske. Für ein Dokument mit solch überzeugender Außenwirkung würde der Papst wahrscheinlich sogar auf einen gebrauchten Audi TT als Papa-Mobil umsteigen. So einfach geht Pressearbeit, wenn alle was davon haben.

 

Ungewöhnlicher Beifang beim Blitzermarathon

Der Blitzermarathon in der vergangenen Woche hat Wirkung gezeigt. Überall in Europa sind PKW im Schneckentempo unterwegs, vor den Kirchen stauen sich Trucks, deren Fahrer vor den Beichtstühlen Schlange stehen und kleine Kinder überholen mit ihren Rollern auf Radwegen neuerdings sogar Porsche und Lamborghinis. Die Veranstalter dieses Events schwimmen derweil im Geld. In Markranstädt allerdings hatte das Landratsamt ungewöhnlichen Beifang im Netz.

Gertrude F. (94) ist nicht mehr so gut zu Fuß und stieg vor ein paar Jahren deshalb auf einen Rollator um. Ihre Enkel haben sich dabei nicht lumpen lassen und der rüstigen Seniorin einen wirklich schnittigen Boliden aus dem Sanitätshaus geholt.

Ein edles Teil mit allen Extras, wie beispielsweise einem höhenverstellbaren Cockpit, lila Gebissablage auf der Konsole und stufenlos verstellbarer Lenkeinheit.

Sogar an integrierte Halterungen für Dederonbeutel wurde gedacht und natürlich ist das Gefährt tiefer gelegt und mit Pirelli-Slicks ausgestattet, die für die zulässige Höchstgeschwindigkeit ausgelegt sind und eine stabile Kurvenlage ermöglichen.

Nie im Leben wäre Gertrude F. auf die Idee gekommen, das Mobil „auszufahren“, wie ihre Enkel die Beschleunigung auf Höchstgeschwindigkeit nennen. Zumindest nicht freiwillig. Am 16. April allerdings, dem Tag des Blitzermarathons, gab es beim Mittagessen im Seniorenheim Sauerkraut.

Mit frisiertem Antriebsaggregat

Das hat Gertrude schon damals nicht vertragen, als sie sich noch im Alter von 18 Jahren nach dem Tanz aus dem Volkshaus abschleppen ließ. Neben völlig ungefährlichen, gleichwohl kaum überhörbaren Flatulenzen in Luftform kam da öfter auch mal etwas Land mit. Das geschah mit zunehmendem Alter immer öfter und ist nicht nur für eine Dame sehr unangenehm.

Gerdas Verdauungsspaziergang führte sie wie jeden Tag auf den Radweg zwischen Markranstädt und Großlehna, als die noch im Transit begriffene Mahlzeit, befeuert durch die Wirkung des Sauerkrauts, kraftvoll den Weg des geringsten Widerstands suchte. Die Dame wendete ihren Rollator auf der Stelle und beschleunigte ihn unter Aufbietung all ihrer Kräfte auf 32 km/h.

Dass es in der Schkeuditzer Straße kurz blitzte, nahm sie dabei gar nicht wahr. Erst heute, zu ihrem 95. Geburtstag, erfuhr sie von ihrem Vergehen, als sie ein liebevoll gefalteter Brief aus dem Landratsamt erreichte. Glücklich stand sie vom Mittagstisch auf, ging damit zur Toilette und seufzte zufrieden: „Dreilagig! Wenn ich da noch an DDR-Zeiten denke…“

 

Erdbeben in Markranstädt: Der Tag danach

Gestern früh, 8:38 Uhr. Der Markranstädter Landwirt Peter W. (46) lag in seinem Bett. Wie immer so kurz vor dem Aufstehen, wollte er sich an der Körperstelle kratzen, an der sich alle Männer kurz vor dem Aufstehen kratzen. Peter W. hatte das Organ gerade in der Hand, als das Unfassbare geschah: „Plötzlich begann alles zu wackeln. Haus, Schrankwand, Bett – einfach alles. Meine Hand wahrscheinlich auch, denn …“ Bauer Peter zeigt schockiert auf die Bettdecke. Selbst in diesem tragischen Moment weiß er noch nicht, dass Markranstädt vom stärksten Erdbeben seit 100 Jahren heimgesucht wurde.

Schon wenige Sekunden nach diesem Ereignis überschlugen sich die Meldungen in den sozialen Netzwerken. Leider reichte die Magnitude von 3,3 bis bestenfalls 3,6 nicht aus, um mit den ganz großen Beben auf unserer Erde mithalten zu können und so gab es die dramatischsten Beschreibungen von zitternder Marmelade auf dem Löffel bis zu einem seltsamen Brummen im Schubfach des Nachtschränkchens. Eine wirkliche Katastrophe liest sich anders. Aber was nicht ist, kann man ja herbeischreiben.

Da wir nur ein Kohlekraftwerk vor der Haustür haben, der Cospudener See sogar bei Stärke 12 auf der Richterskala keinen Tsunami erzeugen kann und keine Wahl ansteht, gibt es auch nichts, was man zur Unterstützung eines Horrorszenarios pressewirksam abgeschaltet könnte.

Markranstädt x Fukushima = Horror

Da blieb selbst der regionalen Tageszeitung nichts weiter übrig, als das Titelbild vom Epizentrum des mitteldeutschen Bebens bei Halle mit einem Link zur Fukushima-Katastrophe von 2011 zu versehen.

Nun ja, Halle und der explodierte Reaktor 3 von Fukushima – so groß ist der visuelle Unterschied nun auch nicht. Wenigstens ein bisschen Gänsehaut-Feeling muss ja kommen, wenn wir schon mal ein Erdbeben haben.

Live aus der Katastrophenstadt

Gut, also machen wir mit! Hier der Bericht unseres Reporter-Teams, dass sich unter Einsatz seines Lebens in die Hölle von Markranstädt wagte.

Die Aufräumarbeiten in der Leipziger Straße haben bereits begonnen.

Die Aufräumarbeiten in der Leipziger Straße haben bereits begonnen.

wasserturmUnmittelbar nach dem Beben zeigte sich in Markranstädt ein Bild der Verwüstung. Die Leipziger Straße sieht wieder aus wie vor einem Jahr, vom alten Kaufhaus stehen nicht einmal mehr die Grundmauern, der Wasserturm hat eine Neigung von 37 Grad Celsius, steht aber damit wenigstens kurz vor der Aufnahme ins UNESCO-Weltkulturerbe.

Wirtschaft liegt am Boden

Noch schlimmer hat es die Industrieanlagen in den Gewerbegebieten der Stadt erwischt. Die gesamte Infrastruktur bietet ein Bild katastrophaler Verwüstung. In der Nordstraße, wo sich einst das ORSTA-Imperium ausdehnte, stehen praktisch nur noch Ruinen. Der Weg zurück in die Innenstadt führt durch die Apokalypse.

Von dieser Litfaßsäule an der Promenade / Ecke Parkstraße sind sogar die Plakate abgefallen.

Von dieser Litfaßsäule an der Promenade / Ecke Parkstraße sind sogar die Plakate abgefallen.

Das Gymnasium musste evakuiert werden, nachdem der Versuch, einen Kernreaktor im Physik-Kabinett in den kalten Zustand herunterzufahren, fehlschlug und zwei Barrel Hefeweizen in den Kühlkreislauf gelangt waren. Die Sprecherin der Stadt versicherte derweil in einem Interview mit dem Bürgermeister, dass alles getan werde, um den Überlebenden der Katastrophe zu helfen.

Der Plan, das Sportcenter als Notunterkunft herzurichten, musste aufgegeben werden, nachdem dort durch aufschlagendes Magma bedingte Schäden an den Lichtbändern auf dem Dach festgestellt wurden. Dieses drohe nun, dem nächsten Regen nicht standhalten zu können.

Daraufhin erklärten sich der Holzwurm, der Filmriss und der Ast bereit, die Opfer aufzunehmen und zu versorgen. Kaum ausgesprochen, trafen aus Krostitz, Reudnitz und Kulmbach erste Hilfslieferungen ein. Ein Konvoi mit Hilfsgütern aus Oettingen und Sternburg konnte bereits bei Quesitz abgefangen werden und wurde von der Markranstädter Feuerwehr mit der Bemerkung zurückgeschickt, dass es so schlimm nun auch wieder nicht sei.

Der Schlussstein dieses Fensterbogens in der Nordstraße hält das gesamte Bauwerk. or kurzem noch produzierte hier ein leistungsfähiger Industriebetrieb.

Der Schlussstein dieses Fensterbogens in der Nordstraße hält das gesamte Bauwerk. Vor kurzem noch produzierte hier ein leistungsfähiger Industriebetrieb.

Die Ärzte sind rund um die Uhr beschäftigt. Ihnen fehlt es an Medikamenten. Vor allem der Nachschub an Chrystal, Koks und Speed ist unterbrochen. Korn-Plasma und Hopfenlösungen werden ebenfalls knapp. Aus der Grundschule werden im Minutentakt neue Teenager eingeliefert, deren Handy-Akkus völlig runter sind. Manche liegen schon im Koma, andere zucken wild.

Verzweifelte Eltern suchen eine Möglichkeit, die lebenswichtigen Smartphones ihrer Kinder aufladen zu können und richten dramatische Appelle an die internationale Staatengemeinschaft. Tag 1 nach dem großen Erdbeben von Markranstädt.

Jetzt fragen Sie sich doch mal selbst…

Wenn ein Bundespolitiker unangenehme Fragen gestellt bekommt, beginnt er seine Antwort mit der Floskel „Lassen sie mich zunächst einmal sagen…“ und referiert dann so lange über Goldfische oder die Rolle der Bedeutung, bis das Band des Journalisten voll oder der Akku des Diktiergerätes leer ist. In Markranstädt hat man jetzt eine völlig neue, geradezu innovative Idee entwickelt. Man lässt sich Fragen gar nicht erst stellen, sondern diktiert sie zur passenden Antwort gleich mit.

Das Geheimnis ist so offen wie einst das rechte Bein von Günter Mittag: Nach dem Kabel des Bürgermeisterbüros hat seit einiger Zeit auch das vom Presse-Aquarium in der Chefetage des Rathauses zur Redaktion der lokalen Gazette einen Defekt. Die Reparaturarbeiten könnten sich noch eine Weile hinziehen, weil noch nicht geklärt ist, welcher Netzbetreiber zuständig sein soll. Da ist es ein unglücklicher Zustand, wenn man einen Sprecher hat, der somit niemanden zum Sprechen hat. Die ebenso einfache wie geniale Lösung: Man interviewt sich erstmal selbst.

Wer mit offenen Augen durch Markranstädt geht, der sieht öfter mal Menschen, die nicht nur einfach den Mund bewegen, sondern bisweilen sogar recht heftig mit sich selbst diskutieren, ja sich sogar beschimpfen. Da müssen teilweise üble Kindheitserfahrungen oder andere Traumata im Spiel sein. Andererseits: Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht schon mal davon geträumt hat, ein Interview mit sich selbst zu führen und so die böse Welt da draußen mit seinen Gedanken zu konfrontieren.

Bedenklich wird’s nur, wenn das auch noch klappt. Alt-Kanzler beispielsweise, abgetakelte Exfrauen von Bundespräsidenten, ehemalige Politbüromitglieder und manchmal sogar in Falten gealterte Bundesliga-Fußballer erbrechen solche Selbstinterviews als Memoiren getarnt gleich bücherweise übers Volk, um noch für einen kurzen Moment dem öffentlichen Vergessen zu entrinnen.

Interviews sind sowieso eine Sache für sich. Da gibt es die unglaublichsten Techniken. In Sachsen-Anhalt drüben hat es die Redakteurin einer Tageszeitung sogar schon fertiggebracht, einen Politiker um  ein paar Aussagen zu bitten und sicherte ihm im Gegenzug zu, für seine Antworten dann die passenden Fragen zu finden. Ist wirklich passiert! Aber da war wenigstens der Schein gewahrt, weil das von den einfältigen Lesern, die sonst nur völlig gedankenlos über die Lügenpresse meckern, sowieso keiner gemerkt hat.

Nun ja, nicht zuletzt haben sich auch die Markranstädter Nachtschichten dieser unlauteren Form persönlicher Meinungsmache schon nachhaltig bedient. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls wurde da im Oktober 2014 ein MN-Urgestein interviewt. In Ermangelung einer Sprecherin (es ist ja bekannt, dass wir nicht einmal das Porto für die Rücksendung einer Initiativbewerbung haben) hat die Fragen eine beruflich gescheiterte Physiotherapeutin aus den eigenen Reihen gestellt und damit bewiesen: Satire darf alles!

Auch das Stadtjournal „Markranstädt informativ“ darf so manches. In der jüngsten Ausgabe beispielsweise interviewte sich dort die MBWV selbst und gab Informationen preis, die man der Presse dem Vernehmen nach wenige Tage vorher nicht geben wollte.

Nun aber zum aktuellen Geschehen im Rathaus. Am 1. April reichte es zu einem medial zwar kaum wahrnehmbaren, aber immerhin recht originellen „Drive-in-Wedding“. Hochzeit am Schalter, ohne das Auto verlassen zu müssen. Manchem hätte eine Blitz-Scheidung an der Bar im Filmriss mit Getränkekarte statt Düsseldorfer Tabelle zwar ein breiteres Spektrum individueller Phantasie eröffnet, aber der Gag war okay. Es war ja nur der 1. April. Vorgestern nun, genau 14 Tage später, quälte sich wieder eine Pressemitteilung durch sächsische Ticker, die auf den ersten Blick den Eindruck hinterließ, als hätte man verpasst, sie am 1. April zu versenden: Die Rathaussprecherin hat ihren eigenen Chef interviewt und diesen Meilenstein investigativen Journalismus‘ an die Presse verschickt.

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Einfach draufklicken – der Link führt Sie direkt zum Selbstinterview.

Jo, das nennt man Service! Da muss dann aus der Redaktion niemand mehr stundenlang im Rathaus anrufen bis sowieso keiner ran geht und man kann sich auch die Zeit für die Formulierung eines schriftlichen Auskunftswunsches sparen. Noch bevor der Gedanke an ein Interview aus der Feder des Journalisten geflossen ist, flattert das fertige Frage-Antwort-Spiel schon wie von Zauberhand getragen ins Haus. Nicht mal die Fragen muss man sich mehr ausdenken. Da bleibt in der Redaktion mehr Zeit für den Wetterbericht oder einen analytischen Rückblick auf die nächsten Lottozahlen. So funktioniert moderne Öffentlichkeitsarbeit! Oder könnte zumindest. Möglicherweise. Na ja, zum Glück nicht.

Das Interview an sich liest sich wie eine deutlich verspätete inhaltliche Reminiszenz an den zurückliegenden Beitrag im Leipzig-Fernsehen. Besser gesagt an all das, was da nicht gesendet wurde. Also im Grunde genommen an alles, was in den je nach Gusto des Zuschauers letzten oder ersten 500 Tagen Amtszeit des Bürgermeisters so gelaufen ist.

Harmonie zwischen Frage und Antwort

Wie nicht anders zu erwarten, wenn man sich die Fragen selbst stellen darf, waren die Darlegungen recht ausführlich und auf einen möglichst sympathiefördernden Tenor gerichtet. Spätestens dann, wenn sich doch eine Zeitung finden sollte, die das auch abdruckt oder sich eine andere Form des Transports an die Öffentlichkeit bietet, wird das Poem sicher auch einer fachlichen Bewertung in Kreisen der vorzugsweise in sozialen Netzwerken agierenden Kritiker unterzogen. Das müssen sich Satiriker nicht auch noch antun. Doch wenigstens einen Satz mit satirischer Duftnote und damit eine Ersatzrechtfertigung für diese Ausführungen soll an dieser Stelle herausgezogen werden.

Vierteiler im Kopfkino

Auf seine kritische Frage, was er denn in Zukunft so vor habe, antwortete sich der Bürgermeister: „Als nächstes möchte ich endlich die Sanierung des vom Hochwasser geschädigten Fußballplatzes des SSV Kulkwitz beginnen …“ Also, die Ich-Form dieses Satzes provoziert im individuellen Kopfkino des Lesers nicht nur eine Szene, sondern gleich einen ganzen Blockbuster. Inklusive vier Fortsetzungen.

Da könnte es dann in Teil 3 heißen: „Was bisher geschah: Sonntag morgen in Kulkwitz. Sanierer Jens hat einen einsamen Job. Er ist angetreten, den Sportplatz des SSV Kulkwitz zu retten. Während das verschlafene Dorf beim ersten Hähnekrähen langsam erwacht und irgendwo in der Ferne ein hungriges Schaf blökt, holt der einsame Arbeiter im Schein der aufgehenden Sonne Schaufel und Spitzhacke aus dem Kofferraum seines JR-1, krempelt sich die Ärmel hoch und blickt entschlossen hinunter in die SSV-Arena. Nur Sekunden später teilt der blitzende Stahl seiner Spitzhacke kraftvoll das Erdreich, während die Schaufel in der linken Hand des heldenhaften Sanierers gleichzeitig einen rotierenden Kreis beschreibt…“

Hach, Satire kann so unterhaltsam sein. Heute bleibt der Fernseher mal aus.

 

Jetzt sind sie endgültig ausgemeindet!

Am Sonntag wird die Bockwindmühle in Lindennaundorf wieder unzählige Besucher anlocken. Zwischen 13 und 18 Uhr werden sowohl das Bauwerk als auch die darin befindliche Technik vorgeführt, Korn geschrotet und so das Wetter mitspielt, werden sich auch die Flügel im Winde drehen. Allerdings kann es diesmal passieren, dass nicht alle angelockten Zuschauer zur Mühle finden werden. Das liegt jedoch nicht an der Schranke, die nur noch rudimentär vorhanden ist, als vielmehr am neuen Namen des Ortes, den es auf noch keinem Navi gibt und der auch bei Google unbekannt ist.

Zugegeben: Lindennaundorf kann man in der Eile oder aus purer Fahrlässigkeit schon mal falsch schreiben. Uns selbst ist dieses Missgeschick erst jüngst beim Bericht über die Osterfeuer widerfahren. Kann man noch nachlesen: Mit nur einem „n“ steht’s da. Peinlich? Ja! Aber da wir von niemandem Geld dafür haben wollen, ist es wohl entschuldbar.

Beinahe aber hätten wir mit unserem Fehler sogar richtig gelegen. Denn im offiziell-öffentlichen Amtsvokabular wird der kleine Vorort von Frankenheim laut Ortsausgangsschild (Foto) seit 2015 offensichtlich wirklich nur noch mit einem „n“ geschrieben. Allerdings statt dessen auch mit e nach dem au, was den typografischen Einsparungseffekt quasi neutralisiert.

Einem aufmerksamen Leser aus Frankenheim ist dieses Novum nicht nur aufgefallen, sondern er hat es auch auf Zelluloid gebannt, uns zugeschickt und sogar noch ein paar Hintergründe erläutert. „Ganz aktuell, der Aufkleber zeigt die 2015 und die Konformität mit den EU- Richtlinien gemäß dem Vertrag von Lissabon – was soll man da noch machen?“, fragt der Mann ratlos.

Ja, was wohl? Ab in den schwarzen Kasten auf dem Lallendorfer Marktplatz und erst mal den Personalausweis umschreiben lassen. Aber Beeilung, denn der befürchtete Andrang ist groß! Jetzt macht auch die Information Sinn, dass das Rathaus am 15. Mai geschlossen und der Bürgerservice auch noch am 16. Mai dicht ist. Überstunden abfeiern nach dem großen Run.

Als problematisch könnte sich jedoch die juristische Seite dieser Umbenennung erweisen. In die Stadt Markranstädt eingemeindet wurde seinerzeit die Gemeinde Lindennaundorf. Eine Ortschaft mit dem Namen Lindennauendorf zählt jedoch nicht zu den annektierten Latifundien der Kernstadt und so könnte es sein, dass deren Einwohner über Nacht sozusagen ausgebürgert sind.

Schon wird gemunkelt, dass eine Frankenheimer Druckerei damit begonnen hat, Noten für eine Übergangswährung zu drucken. Die Ranstädter Mark soll bis zur Klärung des Sachverhalts den Euro ersetzen und das neue Staatswappen zeigt eine Ziege mit einem Vogel zwischen ihren Hörnern. Soll heißen: Wer meckert, fliegt raus!

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Der gute Müller ist zwar aus dem richtigen Schrot und Korn, aber auch er weiß wohl noch nicht so recht, für welches Dorf sich seine Mühle am Sonntag drehen wird: Lindennaundorf oder Lindenauendorf?

Aber zunächst einmal will sich die Dorfgemeinschaft und ihr voran der Heimatverein am Sonntag einer breiten internationalen Öffentlichkeit auf dem Mühlen-Areal präsentieren.

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Nicht nur für Kinder ein einmaliges und aufregendes Erlebnis: Eine funktionierende Bockwindmühle von innen erleben und sein eigenes Schrot mahlen können. Am Sonntag wieder live in Linden… na ja, irgendwo bei Frankenheim eben.

Dessen Chef gab gestern schon mal Entwarnung hinsichtlich der erforderlichen Einreise-Formalitäten: „Lindenauendorf ist im Laufe der Woche vorsorglich dem Schengen-Abkommen beigetreten. Eine Einreisegenehmigung kann ohne Vorliegen von Voraussetzungen erteilt werden.“ Lediglich auf die Frage, ab wann das gilt, hieß es etwas unsicher: „Nach meiner Kenntnis ist das … sofort … unverzüglich…“