Vorwiegend heiter


Die Regeln sind gelockert, die Menschen gehen wieder nach draußen und ja, Kultur gibt es auch wieder. Man lernt neue Leute kennen, bis man merkt, dass sie nur keine Maske tragen. Außerdem, wer kennt es nicht: ein Jahr wohnen auf der Couch, getrieben vom Coronablues – im Wesentlichen nur auf die Toilette, in die Küche und alle zwei Wochen in die Kaufhalle. Man frag sich, was schlimmer ist: die offenen Stellen vom vielen Liegen oder der Geruch des Wohnzimmermobilars, der mit „nach Mensch“ noch recht lieblich beschrieben ist. Derlei Dinge gab es am Freitag im „Ab Ans Ufer“ nicht zu beklagen. (Fotos: Ab ans Ufer)

Frische Luft, angemessene Pausen für leibliches und fußballinteressiertes Wohl, ein Blick auf den See, die erstaunlich stabile, obgleich selbstgebaute Ponton-Brücke und kulinarische Köstlichkeiten bildeten den Rahmen.

Die Herren von Ab ans Ufer sind also begabte Ingenieure, hervorragende Küchenchefinnen und Küchenchefaußen, vor allem aber großartige Gastgeber. Einziger Wehrmachtstropfen: das Fleischerhandwerk ist ihnen völlig fremd.

Die üblichen satirischen Kommentare zur rein vegetarischen Kost gehören daher bei einem satirischen Kabarettabend am Seeufer genauso dazu wie spontane Bemerkungen zur Stadtpolitik und zu spontanen Geschehnissen am Platz.

Das Publikum fühlte sich wohl, genauso wie die Protagonisten. Das lag nicht nur am hervorragenden und vielseitigen Programm, sondern auch am Wissen über Entwicklungen in Markranstädt, das ein Leipziger Ureinwohner – und sei er ein noch so glanzvoller Satiriker – normalwerweise nicht hat. Da freut sich das liebe Lallendorf: Sowas nennt man Wertschätzung und so erzeugt man ein gutes Gefühl.

 

Der satirische Abend begann schon mit satirischem Wetter, das Programm mit dem Titel „Vorwiegend heiter“ gab seinen Einstand mit einigen Regentropfen. Die kurze Verzögerung nutzten einige Gäste, um die Nässe von oben mit zusätzlicher Nässe für das Leibesinnere zu kombinieren. Dann ging es endlich richtig los.

Wenn man eine Bürgermeisterin mit Diplom für angewandte Juristerei von der Fachhochschule hat, liegt das Gleichnis über die Zukunftsicherheit des Gastronomen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen auf der Hand. „Die größten Söhne der Stadt verlieren ihren Job, da bin ich froh, dass ich Gastronom bin“.

Als dann noch Zahlenspiele über das Rentensystem zum Mitrechnen dargeboten wurden, war das für die Satiriker im Publikum wie die Geburt neuer Fragen: Werden die jungen Menschen auch in Zukunft solche Dinge an der höheren Schule lernen, wenn sie von einem Blasorchesterlehrer geleitet wird? Das Abi als gymnasialer Blowjob sozusagen. Ohne Taschenrechner, dafür ganz analog mit neuen Klavieren zum Stückpreis einer Kreiselbepflanzung.

 

Die Wortspiele der Kabarettisten waren freilich besser und gehaltvoller als solch depressives Gedankengut. Vor allem weil man da nicht rechnen musste.

Der Stock stockt nicht, das Pferd fährt nicht, das Volk folgt nicht. DAS Volk ist sächlich, männlich ist es DER Volker und DIE Lore ist weiblich, nämlich die Volklore; Peter Maffay singt über Bio und gekochten Tabaluga als Grünkohl; Politiker sind wie Windeln, man muss sie immer mal wechseln und das Ergebnis ist auch das Gleiche.

Und nicht zuletzt hob dann ein politischer Vergleich zwischen Porno, CDU und Bürgermeisterin die Stimmung ins Unermessliche. Kein Inhalt, kein Dialog, kein Text – der Bildungsauftrag ist einzig der Orgasmus.

Nächster Spaß: 16. Juli

Wer nach diesem Witzewahnsinn und Komikkonzert trotz Zwerchfellkatharr noch konnte, freute sich nach der Veranstaltung schon auf die Premiere des neuen Programms am 16. Juli.

Dann heißt es im Ab ans Ufer „Harte Nüsse“, denn selbst Satiriker haben Anstand. Ursprünglich sollte das Programm „Spur der Keime“ heißen – für den einen oder die andere vielleicht doch zu viel Satire.

Wer also seinen Leib mit körpereigenen Drogen fluten möchte, ohne das teure Zeug auf dem Schwarzmarkt kaufen zu müssen, der sei dabei, der lache, der genieße die wohlige Erschöpfung danach.

 

2 Kommentare

  1. Beim lesen kam mir schon der Abgang (ans Ufer)! Schade: Kultur verpasst, nicht dabei gewesen. Das ist doch was- Herr Volk und Frau Lore. Wenn Die TUN da kommt was raus dabei, weil da GETAN wird! Gut das MN den Abwesenheitsvertretern (innen) das postum Nahe bringt.

    • EddiKonstantin auf 4. Juli 2021 bei 10:03
    • Antworten

    Das Katrin Weber doch schon das dreifache Alter anwesender älterer Menschen erreicht hat oder so aussieht, hätte mindestens auch noch angemerkt werden können. Die Bärwolfs trauen sich wirklich was!

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