Die neue S-Bahn-Linie 6 hat ihre finale Testfahrt bestanden (Foto) und der neue Fahrplan auf Deutschlands Gleisen wirft seine Schatten voraus. Markranstädt kommt im Dezember ans S-Bahn-Netz! Das „S“ soll eigentlich für „schnell“ stehen, doch daran werden schon vor der Jungfernfahrt der neuen Linie erste Zweifel geäußert. Offenbar steht das S nicht einmal für „Steam“ (engl. Dampf), sondern für „selten“. Demnach trauen selbst die Bahnbetreiber ihren eigenen Planungen nicht viel zu und schicken ihren Zügen vorsichtshalber gleich noch ein paar Waggons hinterher. Das macht Sinn, denn mit der Zeit ist das so eine Sache. Das zeigen auch zwei weitere Beispiele, die von den Markranstädter Nachtschichten aufgedeckt wurden.
Sensationell, was sich die Planer des ÖPNV da für Markranstädt ausgedacht haben! Zwar kommt man ab Dezember statt alle halbe Stunde nur noch im 60-Minuten-Takt aus dem Kaff raus, dafür aber alle zwei Stunden umso stündlicher.
Zugegeben, diese Lösung ist so schwer zu erklären, dass selbst die Betreiber der Regional- und der S-Bahn alle Mühe hatten, ihren Fahrgästen diesen Geniestreich als das zu vermitteln, was er ist: Fortschritt im Zeichen der Verkehrswende. Aber auch satirisch ist das schwer in Worte zu fassen. Blicken wir also einfach mal auf das, was uns der neue Fahrplan preis gibt.
Bahnwalzer: Zwei Linien im Neunvierteltakt
Da verkehrt also die S 6 ab Dezember von Leipzig nach Naumburg mit Halt in Markranstädt. Das „S“ vor der 6 weist dabei auf die Taktfrequenz hin, denn die Linie verkehrt S wie stündlich. Weil selbst die Betreiber wissen, dass die Begriffe „Bahn“ und „Zeit“ einen Widerspruch in sich selbst bergen, wird die Verbindung in die Außenwelt alle zwei Stunden zusätzlich von der Regionalbahn RE 15 unterstützt.

Ressourcenschonend und umweltfreundlich: Ab Dezember fährt die S-Bahn alle zwei Stunden energiesparend im Windschatten des Regionalexpress.
Ein Schelm, wer denkt, dass die RE 15 so eingetaktet wird, dass dann wenigstens alle zwei Stunden alle halbe Stunde ein Zug fährt. Das wäre zu einfach. Die Planer des Schienenverkehrs denken in ganz anderen Maßstäben, blicken visionär nach vorn und offenbaren dabei bemerkenswerten Willen zu mutigen Entscheidungen.
Verfolgungsjagd auf dem Gleis
Offenbar unterstützt von künstlicher Intelligenz, die dabei auch auf Erfahrungen des Kollektivs der Kamelkarawane „Kowalski“ in den Masuren zurückgreift, wurden die Fahrpläne beider Linien so koordiniert, dass der Regionalexpress 15 alle zwei Stunden zur 15. Minute in Lallendorf einkehrt und die S-Bahn 6 ihm im Abstand von 8 Minuten folgt.
Der Vorteil: Wer beispielsweise den RE 15 um 9:15 Uhr um acht Minuten verpasst, sieht auch von der S 6 (Ankunftszeit 9:23 Uhr) nur noch die Rücklichter.
Wenn er nach einer Stunde Wartezeit auf dem inzwischen überfüllten Bahnsteig nicht mehr in die nächste S-Bahn passt, hat er nach nur zwei Stunden dann sogar die freie Wahl, ob er mit dem RE 15 oder der gleich in ihrem Windschatten folgenden S 6 fährt.
Noch interessanter wird die Fahrplangestaltung sogar auf dem Leipziger Hauptbahnhof, wo der Abstand zwischen beiden Zügen lediglich vier Minuten beträgt. „Mach hin, Oma, und lass die Koffer stehen!“
Verspätung eingetaktet?
Die KI, die hinter dieser Matrix steckt, hat sich dabei wohl die gleichen Gedanken gemacht wie die Bahnkunden. Denn wenn statistisch über 50 Prozent aller Züge Verspätung haben, ist es folglich sehr wahrscheinlich, dass nur einer der beiden fast zeitgleich startenden Züge pünktlich ist.
Hat der andere rund 30 Minuten Verspätung, stimmt am Ende die Taktfrequenz von einer halben Stunde wenigstens alle zwei Stunden wieder. Verstanden? Tja, ist nicht so einfach, aber genau deshalb haben sich ja kluge Menschen ihre Köpfe darüber zerbrochen und nicht irgendwelche Querdenker, die sich stundenlang auf verwaisten Bahnsteigen rumtreiben und dort vielleicht sogar einen Fahrstuhl suchen.
Zeitspiel mit Gesichtern enttäuschter Kinder
Wie alles im modernen Leben, ist nicht nur der Bahnverkehr eine Frage der Zeit. Auch am kommenden Wochenende wird schon wieder an den Zeigern der Uhr gedreht. Manche Zeitgeister konnten es aber wieder mal nicht abwarten und haben schon vor der Zeit mit der Zeit gespielt.

Am 17. September teilte die LVZ den Kids mit, dass am 13. September im Zoo ein „Riesenkinderfest“ stattfindet. Dass es laut Kalender eine Riensenenttäuschung gratis gibt, wurde den Bälgern allerdings verschwiegen.
So hat es die hiesige Lokalgazette in ihrer Ausgabe vom 17. September doch tatsächlich übers Herz gebracht, vom Stress der Zeit völlig unbefleckte Jungbürger zu einem riesigen Kinder-Event einzuladen, das schon am 13. September stattgefunden hat. So konnten sie wenigstens anhand der Abfälle sehen, was es zu essen gab.
Der perfide Hintergrund ist klar: Da sie die Wende nicht erlebt haben, sollten die Kids angesichts verschlossener Türen wenigstens im Antlitz als Ossis identifiziert werden können, damit sie der Verfassungsschutz künftig leichter beobachten kann. Merke: An ihren langen Gesichtern sollt ihr sie erkennen.
Bürgermeisterin mit Dienstreise in die Zukunft
Ganz anders, ja geradezu erfrischend sympathisch, geht indes die Markranstädter Bürgermeisterin mit der Dimension „Zeit“ um. Man könnte annehmen, weil der nächste Wahltermin mit großen Schritten unbarmherzig näher rückt, würde sie die Zeit anhalten wollen. Natürlich im Interesse des Volkes, das dann mehr Zeit hätte, in ihren Fotoalben zu schwelgen. Aber nein! Nadine Stitterich beschleunigt die Zeiger der Uhren sogar!
So ist es ihr als ersten Menschen tatsächlich gelungen, eine Zeitreise nach vorn anzutreten, danach unversehrt in die Gegenwart zurückzugelangen und dabei sogar noch Beweise für ihren Aufenthalt in der Zukunft mitzubringen. Alles sauber dokumentiert im grünen Blättchen „Markranstädt informativ“, das am 13. September erschienen ist und sie bereits auf einer Geburtstagsparty zeigt, die erst drei Tage später stattfindet!

Bereits im Blättchen vom 13. September sauber dokumentiert: Nadine Stitterich war am 16. September auf einer Geburtstagsfete. Wird sie sich bei ihrem nächsten Ausflug in die Zukunft selbst zu ihrer Wiederwahl in Jahr 2027 gratulieren?
Das ist natürlich auch ein fundamentales Argument für das unerschütterliche Vertrauen des Markranstädter Volkes in seine Bürgermeisterin. Denn wenn Nadine Stitterich davon überzeugt ist, dass sie 2027 wiedergewählt wird, dann wird das auch so geschehen. Muss ja, denn schließlich war sie schon dort und hat sich selbst davon überzeugt.
So, liebe MN-Leser, Sie dürfen anhand der drei hier entblößten Beispiele über den Umgang mit dem Faktor Zeit selbst entscheiden, ob Sie Einsteins Relativitätstheorie neu schreiben wollen oder es lieber Friedrich Merz überlassen. Immerhin hat der einen Herbst der Reformen ausgerufen, der erst im Frühjahr 2035 seine Blätter abwerfen soll. Bis dahin ist immerhin noch genügend Zeit, um über die Zeit nachzudenken. Selbst wenn es dann zu spät ist.





















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