Vorwärts, seitwärts und zurück: Neues vom Wirtschaftsstandort Markranstädt

Der durch Markranstädt spukende Geist des Claus Narr ist verwirrt. War zu seinen Lebzeiten von schlechten Zeiten die Rede, waren die Zeiten wirklich schlecht. Pest, Syphilis und Sackratten haben weder vor alten Katen noch prunkvollen Schlössern Halt gemacht. Sogar Kleopatra soll sich mit Cellulite infiziert haben. Heute dagegen liest Claus Narr auf der einen Seite von Pleiten, Insolvenzen und Schulden, zugleich aber bejubelt die Presse Steuerschätzungen, wonach der Freistaat Sachsen mit 400 Millionen Euro mehr rechnet. Kann hier niemand mehr mit dem Abakus umgehen oder wie? Höchste Zeit also, um wieder mal selbst einen Blick auf den Wirtschaftsstandort Markranstädt zu riskieren.

Wenn nichts mehr vorwärts geht und man trotzdem in Bewegung bleiben will, muss man eben auch mal einen Schritt rückwärts gehen.

So wie der Stadtrat, der für seine Sondersitzung am heutigen Dienstagabend mal wieder in die echte „vierte Etage“ zurückkehrt. Der Anlass ist ungewöhnlich, denn vor den Toren der Stadt tun sich geheimnisvolle Dinge.

Weg von veganem Gas

Offenbar will der Betreiber der Quesitzer Biogas-Anlage seiner veganen Fan-Gemeinde den Rücken kehren. Statt mit rein pflanzlichen Zutaten für das bisherige Veggo-Gas sollen die Reaktoren der grünen Meiler künftig auch mit „tierischen Nebenprodukten“ gefüttert werden.

Brodel aus Gerüchteküche

Logisch, dass da so manch kritischer Zeitgenosse vor seinem geistigen Auge schon Tonnen von Innereien und abgetrennten Hufen auf den LKW-Mulden bei 35 Grad aromatisch in der Sonne blubbern sieht.

Von wegen Endlager für Tönnies-Abfälle: Hier soll künftig Gas gebraut werden, das zu rund 30 Prozent aus Tierkacke besteht.

Von wegen Endlager für Tönnies-Abfälle: Hier soll künftig Gas gebraut werden, das zu rund 30 Prozent aus Tierkacke besteht. Die Atembeschwerden im Stadtrat dürften indes vom Firmenkonstrukt und der Frage herrühren, wo die Gewinne hinfließen und was an Steuern übrig bleibt.

Die Information, dass es sich dabei nicht um geschredderte Stierhoden oder Euterrückstände aus dem Cutter handelt, konnte nicht bis zum einfachen Volke durchdringen, weil die Beamten tierische Ausscheidungen unbedingt als „Wirtschaftsdünger“ bezeichnen müssen. Als ob das einfache Volk aufs Klo geht, um dort wertvolle Nährstoffe für die heimische Flora auszufurzen.

Es geht um viel Mist

Tja, weil es bei der Kommunikation zwischen Behörden und Volk wieder mal unüberwindbare Sprachbarrieren gab, wird heute der Ratssaal geheizt, damit am Abend darin eine unnötige Scheißhausdiskussion stattfinden kann, in der es im Grunde genommen nur um viel Mist geht. Es ist eben der Herbst der Reformen.

Wesentlich optimistischere Nachrichten kommen derweil aus der LKW-Schmiede von Frank Fahrzeugbau. Weil mit Windkraft angetriebene Trucks noch Zukunftsmusik sind, fördert Senior-Chef Klaus Frank jetzt erstmal den Radverkehr. Und zwar weltweit.

Frank und frei: Der Lohn des Hungers

Als Botschafter hat er sich dazu mit dem Drahtesel-Enthusiasten Mathias Heerwagen eingelassen. Der hat die legendäre „Great Divide Mountain Bike Route“ unter die Räder genommen. Sie gilt als die längste, zusammenhängende Offroad-Radroute der Welt, die zu rund 90 Prozent auf nicht asphaltierten Strecken verläuft. Von der mexikanischen Grenze ging es 4200 Kilometer quer durch Amerika bis nach Banff in Kanada.

Der Hunger treibt's rein: Mathias Heerwagen (Mitte), Klaus Frank (2.v.r.) und Andreas Frank (r.) haben nicht nur Chistina Schulze von der Leipziger Tafel glücklich gemacht, sondern auch Bärenherz-Chefin Ulrike Herkner (2.v.r.) und ihre Schützlinge.

Der Hunger treibt’s rein: Mathias Heerwagen (Mitte), Klaus Frank (2.v.l.) und Andreas Frank (r.) haben nicht nur Chistina Schulze (l.) von der Leipziger Tafel glücklich gemacht, sondern auch Bärenherz-Chefin Ulrike Herkner (2.v.r.) und ihre Schützlinge.

Als Motivation, dass er die Tour überlebt, hatte Frank Fahrzeugbau eine Zielprämie von 3.000 Euro ausgelobt. Immerhin führte die Route durch karge Wüste, über hohe Berge mit Schneeresten und dichte Wälder. „Das Ganze so abgelegen, dass ich an vielen Tagen stundenlang keine anderen Menschen gesehen habe. Permanent hungrig und durstig, aber in der Pampa keine Gelegenheit, gutes Essen zu bekommen“, berichtet Heerwagen.

Großes Bärenherz für totkranke Kinder

Weil der Hunger sein ständiger Begleiter war, kam er beim Geräusch seines knurrenden Magens auf eine tolle Idee, von der auch Klaus Frank sofort begeistert war. Die Hälfte der Zielprämie geht an die Leipziger Tafel. Und weil er auf der Tour seinen Magen immer enger schnüren musste, wurde gleichzeitig sein Herz immer größer.

Deshalb profitieren auch die Kinder im Markkleeberger Hospiz Bärenherz von der Tour, denn die andere Hälfte der Zielprämie durfte Bärenherz-Chefin Ulrike Herkner für ihre Schützlinge in Empfang nehmen. Tja, Herr Beckenbauer: Für manche ist heute doch schon Weihnachten.

Als Unternehmerin braucht man in Markranstädt neben Mut vor allem Kraft. Gut, wenn man diese Eigenschaft schon im Namen trägt. Denn was sich die Markranstädter Reisebüro-Chefin jetzt aufgeladen hat, dazu braucht es schon viel Karin Kraft. Glaubt man der Außendarstellung, betreibt sie in der Leipziger Straße jetzt gleich zwei Reisebüros. Okay, der Markt dafür ist da, wo doch fast jeder homo marcransis glücklich ist, wenn er das Kaff wenigstens mal für ein paar Tage verlassen kann.

Kraftvoller Umzug

Aber die Wahrheit ist deutlich sympathischer und hat was mit echtem Wirtschaftswachstum zu tun. Weil es in der Leipziger Straße 18 zu eng wurde, ist Karin Kraft mit ihrem Team und dem gesamten „Reiseprofi Markranstädt“ umgezogen. Das neue Domizil befindet sich in den ehemaligen Räumen der Deutschen Bank, direkt gegenüber der Tankstelle (Titelfoto).

Dort können Kunden an gleich drei Terminals beraten werden, ohne dass Wartezeiten entstehen oder andere Leute von den Reiseplänen ihrer Nachbarn Wind bekommen. Allerdings hat der fliegende Wechsel in die neuen Räume mitunter für fragende Gesichter gesorgt. Bei den Leuten, die vergeblich an den Türen des alten Reisebüros gerüttelt hatten, weil dort noch immer kräftig für den kraftvollen „Reiseprofi“ geworben wird.

Schlecht fürs Foto, gut fürs Geschäft: Beim Reiseprofi gibts jetzt mehr Platz für die Kunden.

Schlecht fürs Foto, gut fürs Geschäft: Beim Reiseprofi gibts jetzt mehr Platz für die Kunden.

Der Grund: Selbst wenn man Kraft heißt und selbige auch reichlich hat, kann man immer nur eine Arbeit gleichzeitig machen. Also zunächst den Umzug, dann die Neueröffnung und erst dann können die Flaggen am alten Standort eingeholt werden. Das ist wie mit einer ihrer beliebten Reisen: alles bestens organisiert und gut durchgeplant.

Derweil kursieren in der Stadt schon erste Wetten, wer in das leerstehende Geschäft gegenüber der Eisdiele einziehen wird. Ganz oben auf der Liste der Buchmacher steht aktuell ein Friseurgeschäft, dicht gefolgt von einem Dönerladen. Gleich auf Platz 3 rangiert ein Handy-Shop. Es bleibt spannend am Wirtschaftsstandort Markranstädt.

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