Der Staat gibt auf: Privates Sicherheitsupdate für Markranstädt

Nicht zu fassen! Da kreisen in den Nachtstunden ein paar Männer mit Security-Shirts und Taschenlampen um die Gegend am Ratsgut sowie dem Alten Friedhof und schon ist (fast) Ruhe im Karton. In den sozialen Netzwerken werden die neuen Helden der privaten Sicherheit bereits als „tolle Männer mit Traumfiguren in Uniform“ gefeiert. Dafür rumorts jetzt umso mehr in den anderen Brennpunkten der Stadt, in denen man sich private Sicherheit finanziell nicht leisten kann. Aber auch da sind jetzt Lösungen in Sicht.

Es ist schon erstaunlich, wie aufreizend still und fast schon heimlich zustimmend Vater Staat die Teilung seines Gewaltenmonopols hinnimmt.

Das ist schon fast sowas wie eine rechtsstaatliche Kapitulationserklärung, die da unausgesprochen ausgesprochen wird. Bedingungslos sogar. Aber es gibt Konzepte, wie die private Sicherheit in einer zweiten Ausbaustufe für alle realisiert werden kann.

Der Einzug des Matriarchats

Die Bemerkung über die tollen Männer mit Traumfiguren in Uniform war sozusagen die Steilvorlage. Ja, warum eigentlich nicht auch Frauen? Ein wenig Mut zur Phantasie führt uns ganz schnell an den Ausgangspunkt.

Wenn knallharte Damen in knielangen Stiefeln, eine Peitsche am Gürtel, mit tiefem Dekolletee und Schirmmütze über dem streng zurückgekämmten Haar durch die Stadt patrouillieren und für Zucht und Ordnung sorgen, könnte man gleich viele Fliegen mit einer Klappe – oder besser gesagt: viele Störenfriede mit einer Peitsche – schlagen.

Die moderne Hausfrau

Zunächst wäre damit diesem unerträglichen Sexismus der Boden entzogen, wonach nur Männer hart durchgreifen dürfen. Auch in Fragen der Sicherheit gilt schließlich die Gleichberechtigung. Zudem wäre das ein geradezu vorbildhaftes Beispiel dafür, dass moderne Frauen durchaus in der Lage sind, auf sich selbst aufzupassen.

„Stell dein Bier weg und komm her Freundchen! Ich zeig dir, was für ein Mann du bist. Hosen runter und mitzählen!“

Auch für die Markranstädter Männerwelt hätte das große Vorteile. Bislang schicken die hinter den Gardinen vor Angst bibbernden Haushaltsvorstände immer ihre Frauen raus auf den Balkon, damit sie von dort aus lautstark um Ruhe bitten.

Zuckerbrot und Peitsche

Jetzt hätten sie eine Motivation, selber mal (vorsichtig zwischen den Blumentöpfen hindurch) zu schauen, was sich auf den nächtlichen Straßen so tut. Sadomasochismus im öffentlichen Raum, wo gibt’s das sonst außer im Internet oder Frauenknast?

Spätestens wenn dann auf youtube die ersten Videos gepostet werden, in denen die nächtlichen Störenfriede von erbarmungslosen Kommandeusen am Gemächt durch die Straßen der Stadt hin zum Strafvollzug auf den Marktplatz gezerrt werden, ist auch die Finanzierung dieses Security-Dienstes gesichert.

Ganze Reisebusse voller Touristen aus aller Welt werden anrollen, um den allabendlichen Züchtigungen am städtischen Pranger beizuwohnen.

Allein die Parkgebühren könnten den Haushalt der Stadt nachhaltig sanieren. Und mit den Einnahmen aus Eintrittsgeldern, Fotoerlaubnissen, Souvenirverkauf oder sonstigen Geschäftsideen wäre so viel Security bezahlbar, dass wir uns vor lauter Sicherheit gar nicht mehr retten könnten.

Aufatmen dann auch in den Supermärkten der Stadt. Die bräuchten ihr abgelaufenes Obst und Gemüse nicht mehr kostenlos für die Fütterung Bedürftiger abgeben, sondern könnten faule Eier, Tomaten & Co. meistbietend an die Laufkundschaft veräußern, die damit am Abend Zielschießen auf die nackten Ärsche der Delinquenten am Pranger zelebriert. Was’n Gaudi!

Aber keine Angst: Die Bedürftigen werden weiter versorgt. Jetzt allerdings nur mit frischen Waren, denn seit der Pfarrer die Kirche wochentags als Peinkammer an internationale Eventagenturen vermietet, quillt aus den caritativen Sparstrümpfen pures Gold!

Werbeplakat eines international agierenden Reisebüros für einen unvergesslichen Erlebnisurlaub in Markranstädt. Absolute Sicherheit inklusive!

Und dann soll es ja auch noch Leute geben, die darauf stehen, selber mal den Arsch versohlt zu kriegen. Dafür werden in einschlägigen Etablissements Höchstpreise aufgerufen!

Warum also nicht auch solche Leistungen anbieten, wo doch unsere Sicherheitsdominas schon mal dabei sind, ihre Peitschen zu schwingen? „Komm her Freundchen, jetzt du! Der Pranger ist noch warm. Hosen runter und mitzählen!“

Strieming für Touristen

Einziger Nachteil: Zumindest in den Zeiten des Strafvollzuges kann sich kein Einwohner mehr auf sein Recht auf Ruhe berufen.

Erstens dürfte es den Delinquenten sehr schwer fallen, ihre Schmerzen nur in Zimmerlautstärke gen Himmel zu schreien und zweitens ist es eben weithin hörbar, wenn hunderte Zuschauer bei jedem Hieb mitbrüllen („…Eeelf- joooh! Zwööölf – joooh!…“). Damit muss man künftig leben. Aber das müssen die Einwohner von Wacken auch.

Natürlich muss aber weiterhin auch den männlichen Sicherheitsbediensteten eine Perspektive geboten werden. Hier bietet sich das breite Feld der nachzüchtigenden Maßnahmen an. Logisch, dass es bei Striemen auf den Ärschen allein nicht bleiben kann. Es gibt Wände von Graffiti zu reinigen, Glasscherben aufzulesen oder Straßenränder zu säubern. Das alles muss überwacht werden.

Und ganz sicher würden sich die Schwestern in den ansässigen Seniorenheimen auch über manch helfende Hand freuen und einen sozialen Dienst als Form der Entschuldigung für die zurückliegenden Störungen, Beleidigungen oder gar Bedrohungen akzeptieren. „Nein Marco, du hast noch nicht Feierabend. Der Urin aus Zimmer 32 muss noch raus und unten steht ein Sack Windeln, der zum Müll gebracht werden muss!“

Eine Art Erziehungsurlaub

Da könnte einem glatt die Phantasie durchgehen bei der Vorstellung, wenn so einem Typen mal die Motivation abhanden kommt und Oberschwester Adolfia nur kurz drohen muss: „Marcohoo … soll ich Fräulein Tatjana rufen? Ich glaube, du möchtest noch mal an den Pranger?“ In der nächsten Sekunde flitzt der Delinquent mit Nachttopf und Windelsack über den Wirtschaftshof, dass die Pflastersteine nur so spritzen.

Der geneigte wie auch der betroffene Leser wird sich nach solchen Szenarien regelrecht sehnen. Doch leider ist es noch nicht so weit. Weder unsere Gesellschaft noch die individuelle Psyche des Einzelnen sind dazu schon bereit.

Und so haben die potenziellen Delinquenten einfach nur ihren Wirkungskreis vom Alten Friedhof in andere Bereiche der Stadt verlagert (der Einfachheit halber gleich auf die Leipziger Straße vorm Telefon-Shop) und sorgen dort für GEMA-freie Unterhaltung in nächtlichen Stunden. Die Karawane zieht weiter, der Sultan hat Durst…

 

1 Kommentar

  1. Könnt Ihr die Bilder nicht mal so veröffentlichen, dass man sie etwas größer sehen kann? Die Titelzeichnung ist ja so köstlich und hat so viele amüsante Details, die man in der Größe gar nich richtig sehen kann. Ein Lob dem Zeichner!

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