Was ‘ne Woche! Mit einer Notbekanntmachung hat die Stadt auf fehlende Bewerber um die Sitze in den Ortschaftsräten Göhrenz, Kulkwitz und Quesitz reagiert. Wer Lust hat, sich durch die Formulare zu kämpfen und aufstellen zu lassen, hat jetzt noch bis zum 6. Mai Zeit. Aber es gibt einen viel einfacheren Weg: Man kann nämlich auch gewählt werden, ohne zu kandidieren. Das ist viel unbürokratischer und entspannter. Wie das geht, erklärt Ihnen Claus Narr im folgenden Beitrag. Doch zuerst kümmert er sich um das ominöse Superkondensatorenwerk in Kulkwitz. Statt dass hier, wie großspurig angekündigt, ab 2024 weltweit einzigartige Energiespeicher produziert werden, ist das Objekt jetzt zur Vermietung ausgeschrieben. Zieht da vielleicht endlich das Protonentherapiezentrum ein?
Es ist ein riesiger Klotz, der sich mit seiner in lebensbejahendem Schwarz gehaltenen Hülle harmonisch in die Zukunftserwartungen des Gewerbegebietes Kulkwitz einfügt. Aber was soll damit geschehen?
Was bisher bekannt ist: Eine Firma namens Skeleton wollte hier gemeinsam mit Siemens leistungsfähige Kondensatoren herstellen. Weniger bekannt ist der Umstand, dass keiner der beiden Akteure Bauherr des Objektes ist. Und am wenigsten wissen die Leute draußen von dem Gerücht, dass es einen Deal geben soll, wonach die Betreiber der Kondensatorenfabrik in Markranstädt keine Steuern zahlen müssen.
Superkondensatoren aus dem Homeoffice?
Das könnte jetzt ein Aufreger sein, wäre aber sinnlos investierte Lebenszeit. Denn wer dieser Tage mal einen Blick ins Internet wirft, könnte zu dem Schluss gelangen, dass es sowieso keine Kondensatoren „made in markranstädt“ geben wird. Nicht nur, weil es in letzter Zeit ziemlich ruhig um die einst gefeierte Ansiedlung geworden ist, sondern auch, weil im Portal immobilienscout24 gleich mal 8.000 Quadratmeter Hallenfläche zur Vermietung angeboten werden.
Gut, optimistisch wie wir Markranstädter sind, könnte man jetzt mit der Hoffnung schwanger gehen, dass moderne Kondensatoren halt weniger Platz benötigen und deshalb im großzügigen Neubau an der B 186 noch ausreichend Kapazitäten für andere Interessen frei sind. Wenn da nicht noch ein zweites Angebot im Portfolio wäre.
Weiter unten in der Vermietungsanzeige werden nämlich weitere rund 11.600 Quadratmeter angepriesen.
Bei zusammen fast 20.000 Quadratmetern Hallenfläche, für die da neue Mieter gesucht werden, bleibt für Skeleton & Co., vom Pförtnerhäuschen mal abgesehen, nicht mehr viel übrig, um den Weltmarkt bedienen zu können. Es sei denn, die sind technologisch schon so weit, dass man Superkondensatoren heutzutage bereits im Homeoffice basteln kann. Das würde zumindest erklären, warum einige Markranstädter Bewerber um die ausgeschriebenen Stellen selbst nach Wochen noch keine Antwort erhalten haben. Sie verfügen zu Hause einfach nicht über ausreichend Produktionsflächen.
Wie man Ortschaftsrat werden kann, ohne davon zu wissen
Zu Hause viel Arbeit hat man auch, wenn man Ortschaftsrat ist. Noch größer ist der Aufwand allerdings, wenn man sich um einen Sitz in diesem Gremium bewerben will. Bis auf die Farbe der Unterhose und die Angabe sexueller Vorlieben ist in den erforderlichen Formularen für fast alles eine Rubrik vorgesehen. Da scheitern selbst studierte Geister mitunter schon am Unterschied zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität.
Das wollen sich in Kulkwitz und Quesitz nur noch je sechs Personen antun, in Göhrenz sogar nur vier. Gebraucht werden in allen drei Ortschaften aber mindestens je acht Bewerber. Deshalb hat das Rathaus jetzt eine Notbekanntmachung erlassen und die Bewerberfrist bis zum 6. Mai verlängert. Zumindest in Göhrenz haben sich Ortsvorsteher Jens Schwarzer (BfM) und schließlich auch Tommy Penk (Grüne) ein Herz gefasst und weitere ihrer Schäfchen zu einer Kandidatur motiviert.
Womit? Nun, sie haben ihnen versprechen müssen, sie beim Ausfüllen der Unterlagen zu unterstützen, weil sie sonst frühstens vor den Kommunalwahlen 2076 so weit wären.
Dabei gibt es einen viel einfacheren Weg, sich in den Ortschaftsrat wählen zu lassen. Das folgende Szenario ist keine im Suff entstandene Vision satirischer Querdenker, sondern vom Gesetz gedeckte Realität. Wenn sich nämlich nicht genügend Kandidaten finden, werden dem Wähler auf dem Zettel drei leere Felder präsentiert, in die er die Namen von wählbaren Personen eintragen kann. Ab damit in die Urne und fertig ist der Lack.
Alles andere geht dann seinen Weg. Bei Landwirtin Claire Grube, die weder Ahnung von Kommunalpolitik, noch Lust auf dieses Ehrenamt hat und nicht einmal selbst zur Wahl gegangen ist, könnte am nächsten Tag das Telefon klingeln. „Guten Morgen Frau Grube und herzlichen Glückwunsch zu ihrer Wahl in den Ortschaftsrat“, erfährt die Mistschaffende. Unter gewissen Umständen (wichtige Hinderungsgründe) kann sie den Kelch zwar ablehnen, aber wenn nicht, ist sie ganz ohne Unterstützerunterschriften, Formulare, Wählbarkeitsbescheinigungen und Rennereien Ortschaftsrätin geworden.
So einfach kann der erste Schritt in die Kommunalpolitik sein. Statt immer nur rumzumeckern und Probleme zu suchen, muss man nur die Sächsische Gemeindeordnung richtig lesen und zur Anwendung gelangen lassen. Vielleicht ist es dann im kommenden Jahr ausgerechnet die Stimme von Claire Grube, die für die Weichenstellung im Gewerbegebiet Kulkwitz sorgt. Statt Kondensatoren herzustellen, werden dann auf zwei Hektar Fläche die längst fälligen Protonen therapiert. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.
7 Kommentare
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Bei dem Datum hätte ich ja eigentlich irgendwas mit Hitler erwartet, aber vielleicht kommt ja noch ein schöner Bericht über heimlich abgehaltene Zeremonien des ehemaligen Oberzeremonienmeisters und Hobbyschreihals‘.
Da fällt mir ein, diese Hallenflächen könnte man doch wunderbar für Veranstaltungen vermieten…
Oder einfach Wasser reinlassen und als Hallenbad nutzen.
Der Artikel ist sehr gut, amüsant aber auch sehr tiefgründig. Zum einen wer ist der Bauherr und gab es vorher keine geregelten Verträge mit dem Hersteller der Kondensatoren. Es ist nicht der erste extreme Fehltritt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Fläche die nun sinnlos versiegelt ungenutzt versammelt. Das Geld wäre an anderen Stellen besser aufgehoben.
Vielleicht verhält es sich ja so: Die Stadt hat (außer Grundstück) gar nichts damit zu tun. Das haben alles der Landkreis, der Freistaat, der Bauherr und die Kondensatoristen eingerührt. Kurz vor dem Start haben die Kondensatoristen plötzlich festgestellt, dass in ihrem Mastdarm noch Platz für weitere Fördergelder ist und wollen den Freistaat nochmal zur Kasse bitten. Um dem Ansinnen mehr Nachdruck zu verleihen, wird nun die Ausschreibung zur Fremdvermietung als das berühmte Säbelrasseln eingesetzt. Nur so ’ne Idee…
Die Stadt hat da überhaupt keine Karten drin (gehabt). Die Gewerbefläche war in den Händen privater (möglicherweise) Spekulanten, Aktive Anwerbung zuverlässiger Investoren seitens der Stadt war von deren Seite nicht gewünscht.
Das Ergebnis sehen wir jetzt.
Wie CvD schreibt: Wasser und Tauchsieder rein, dann könnte man sich die exorbitant gestiegenen Sanierungskosten fürs Stadtbad sparen.
Jetzt ganz erhlich und umunwunden: Ich war ja früher schon der Meinung, dass Ihr das bei den MN hervorragend macht, aber in letzter Zeit werdet Ihr immer besser. Den Finger in die Wunde legen, ohne dass das Opfer schreien kann, das ist die hohe Kunst. Grade das Ding mit der Wahl (habe eben mal gegoogelt: es stimmt!) von der Seite aus zu sehen, dass es vieles einfacher macht, darauf muss man erst mal kommen. Chapeau!
Seit wir die gleiche KI benutzen wie Annalena Bearbock, klappts auch mit den Lachern.