Radlosigkeit auf den Drahtesel-Loipen (1)

Das schöne Wetter hat am vergangenen Wochenende die ersten Pedalritter auf die Markranstädter Pisten gelockt. Und wieder einmal wurde deutlich: Wer sich auf dem Schnittmusterbogen auskennt, hat’s gut. Dieser Heimvorteil hilft Umwege zu sparen, sicher zu fahren und vor allem, wieder nach Hause zu finden. Denn noch allzu oft herrscht auf den Loipen sprichwörtlich Radlosigkeit. Von wegen Rundweg, Ring oder Netz! Unser Volkskorrespondent Jabadu hat sich das mal von seinem neuen Gel-Sattel aus angeschaut. Lesen Sie heute Teil 1 seiner dreiteiligen Dokumentation.

Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Radwegnetz und einem Schnittmusterbogen? Richtig! Fährt man der Linie auf dem Schnittmusterbogen nach, kommt man ohne Unterbrechung an den Startpunkt zurück.

Man kann also ganz einfach eine Runde drehen, ohne Störungen und Unterbrechungen. Ganz anders ist das beim Radwegnetz in Markranstädt … angenommen, es gäbe ein solches.

Wo man auch immer losfährt, landet man meist auf der Fahrbahn oder auf dem Fußweg. Schlüssige Linienführung sieht anders aus. Ergänzt wird das Ganze noch durch einen Wald von Verkehrsschildern, der den aufmerksamen Radfahrer über deren Sinnhaftigkeit grübeln lässt. Dazu aber später.

Erst mal zu den (fast) gelungenen Radwegen. Da wäre der Veloziped-Highway nach Lützen, sozusagen auf der alten Bahnlinie Lützen, Lausen, London – Pegau, Borna, Budapest – Etsch, Gautsch, Rom. Problem: Du muss ihn erst mal finden. Stehst du auf dem Markt, hast du vier Möglichkeiten, in alle Himmelsrichtungen zu starten. Einen Radweg-Anfang suchst du hier aber vergebens, zwei Bundesstraßen ohne Radweg kreuzen hier.

Berührungsfreie Tangenten

Auch ein Blick auf den neuen Stadtplan hilft dir da nicht weiter. Der Elster-Saale-Radweg passiert Markranstädt in einer Entfernung von fast drei Kilometern. Das fühlt sich so an, wie wenn der Asteroid „2018 CB“ in 64.000 km an der Erde vorbei schrammt. Ein Wegweiser im Stadtzentrum würde da schon gut tun um, um das Velodukt zu finden.

Wobei Wegweiser auch ein Für und Wider haben. Dort, wo der Elster-Saale-Radweg in Göhrenz die Albersdorfer Straße kreuzt, steht beispielsweise so einer. Er zeigt in Richtung Kulkwitz. Und wie es so mit Wegweisern ist, steht oben das Fernziel und unten der vorher erreichbare Ort. Will die Behörde uns damit sagen, dass wir über Kulkwitz radeln müssen, um den Bahnhof Markranstädt zu erreichen?

Na klar ist das Quatsch. Startet man aber dort und folgt dem Wegweiser, kommt man über Seebenisch und Gärnitz dann wirklich nach Kulkwitz. Es geht aber auch kürzer. Nur muss man wissen, dass man dafür den Elster-Saale-Radweg schon nach 600 Metern am Gewerbeviertel verlassen muss. Ein Wegweiser steht dort nicht – schade.

Na gut, Ortsfremde werden eben durch die Ortsteile in die Kernstadt gelenkt und können gleich die Vielzahl touristischer Höhepunkte erleben. Das ist wie mit den Süßigkeiten an der Supermarkt-Kasse.

Noch kürzer zu erreichen wäre Markranstädt vom Elster-Saale-Radweg aus durch Göhrenz. Aber zwischen ihm und der Schachtecke gibt es keinen Radweg. Die Straße ist zwar ganz neu und die Fußwege sind fast so breit wie der lange Markt in der Kernstadt, aber Radfahren ist dort nicht vorgesehen.

Der Weg ist das Ziel

Darum werden die Pedalritter wohl auch über Kulkwitz geschickt. Manche Göhrenzer sagen, es würde noch ein Radweg eingerichtet. Aber nicht einmal die Bodenhülsen für die Verkehrszeichen sind vorgesehen.

Das Geld dafür hat beim Ausbau nicht mehr gereicht. Und teurer als geplant sollte die Straße auch nicht werden.

Deswegen wurde wohl auch das Gehweg-Pflaster so spurgetreu verlegt, dass Kinderwagen und Rollatoren fast im Blindflug in den Pflasterfugen wie auf Gleisen geführt werden.

Die Loipen sind gespurt

Ob sie das wollen oder nicht, es geht immer gerade aus. Und sollten später doch mal Radfahrer auf dem Weg fahren dürfen, werden auch sie sich ob der Spurführung in der vorhandenen Loipe freuen.

Radeln auf eingefahrenen Gleisen. Die nagelneue Loipe durch Göhrenz ist frisch gespurt. Wer die Balance behält, kann sich nicht verfahren.

Es gibt Wege, da ist das Pflaster quer zur Hauptverkehrsrichtung verlegt. Hier gibt es keine Zwangsführung und es lässt sich dort viel bequemer und sicherer rollen. Das ist aber die hohe Kunst des Pflasterns und die kann nicht im billigen Schnellverfahren … ähm … ja … also … hingepflastert werden.

Lützen – Lausen – London?

Nun will man aber nicht immer auf dem Elster-Saale-Radweg hin und her fahren. Also zurück von Lützen nach Markranstädt. Aber ausnahmsweise mal nicht über den Elster-Saale-Radweg sondern über die Dörfer.

Und los geht’s auf der Straße durch Meuchen und Mayen gen Schkeitbar. Nach der Rast bei Camillo geht’s dann weiter auf der berüchtigten K7960 in Richtung Seebenisch.

Das allerdings kommt einem Kamikaze-Einsatz mit anschließendem Harakiri-Versuch gleich. Schmale Straße, Huckel und Buckel auf jedem Meter. Jedes entgegenkommende Auto ist wie ein Dolchstoß Richtung Bauchdecke.

In Seebenisch angekommen (vorausgesetzt, man hat die Passage überlebt), gehts weiter auf der Straße nach Kulkwitz Richtung Schachtecke. Da die Radfahrer hier doch recht zügig vorankommen, wurde am Ende des Radwegs vorsorglich mal ein Schild aufgestellt, damit sie mit ihren Drahteseln nicht versehentlich über den rot-weißen Oxer springen und auf der Bundesstraße landen.

Weiter geht die Fahrt auf dem Geh- und Radweg nach Markranstädt. Dieser führt entlang der B186 und ist mit einer Höllenfahrt zu vergleichen. Wer nur ein Basecap auf dem Kopf trägt, sollte diese Kopfbedeckung besser mit einem Sturmriemen festschnallen. Ruck Zuck ist es sonst von den vorbei brausenden LKW vom Kopf gewedelt.

Anzuraten wäre auch eine Atemschutzmaske und eine Schutzbrille. Der Dreck, den die LKW aufwirbeln, ist nicht unerheblich. Die Staubwolken kann man den LKW schon anlasten. Dafür, dass der Dreck von der Straße beseitigt wird, scheint aber niemand verantwortlich zu sein. Hat aber auch sein Gutes: Die Bordkanten sind fast voll davon und entfalten somit die Wirkung einer natürlichen Auffahrtrampe für Radfahrer. Synergieeffekte nennt man sowas.

Entschleunigtes Navigieren

In der Kernstadt angekommen, hat man dann an der Feldstraße zugleich das Ende des Radweges erreicht. Zum Glück wurde hier kein Prellbock aufgestellt. An dieser Stelle können sich Radfahrer nun in völlig entschleunigter Atmosphäre Gedanken machen, wie es weitergeht in der Stadt.

Unter fünf Minuten Wartezeit gelingt es kaum, eine Lücke im Strom der Maut-Flüchtlinge zu finden und die Straße zu queren. Und auf die Idee, dort mal ein Hinweisschild aufzustellen, dass hier Radfahrer die Bundesstraße queren müssen (!) kommt sowieso niemand. Im Gegenteil: Bald ist dort Ende mit 30 und die LKW dürfen wieder 50 fahren. Radfahrerfreundlich sieht anders aus.

Aber Achtung! Auf dem Radweg geht es vor der Feldstraße scharf nach rechts. Ein Vorwegweiser zeigt das an. Und so wie es Programm ist, steht der Vorwegweiser nach dem Abzweig. Kein Mensch käme auf die Idee, für Autos ein Schild „rechts abbiegen“ nach dem Abzweig aufzustellen, für Radfahrer geht das aber schon. Oder gilt das Schild für die folgende Straße?

Lesen Sie in der nächsten Folge: Rein ins Vergnügen: Radfahren in der Kernstadt!.

 

1 Kommentar

  1. Guten Tag!
    Wie so oft und einmal mehr ein einseitiger Bericht Eurer Lügenpresse welchen ich so nicht mehr unkommentiert stehen lassen kann.
    Wahr ist, das es zu viele Fahrräder gibt weil die Leute zu wenig arbeiten und zu viel Zeit haben. Für die wenigen tatsächlich grünen Kameraden hat man hinreichend Tunnel zur Fahrbahnunterquerung gebaut, keine Kosten und Mühen gescheut.
    Das Verkehrskonzept der Zukunft sieht wie folgt aus. Agenda 2025:
    1. Diesel ist kostenfrei
    2. alle Parkplätze sind gebührenpflichtig
    3. Parkgebühren werden verhundertfacht
    4. Soziuszwang wird eingeführt, jeder Autofahrer muss einen Beifahrer mitnehmen
    In Folge werden die rund 42Mio zugelassenen PKW effizient und endlich auf die Strasse getrieben, da jeder einem Mitbürger mitnimmt muss niemand mehr laufen!
    Zum Fahrrad fahren hat dann endlich auch keiner Zeit mehr. Wenn man selbst nicht gerade Auro fährt um Parklatzgebühren zu sparen, verdient man sein Geld durch mitfahren.
    So sehen intelligente Verkehrskonzepte 5.0 aus! Das spiessbürgerliche lamentieren um Radwegsbeschilderungen muss endlich ein Ende haben! Euer Adi

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.