Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls (2)

Was bisher geschah: Dem MN-Vorsitzenden wird das Fahrrad gemaust. Ein paar Wochen später findet er es unweit des Tatortes wieder. Sein rechtsstaatlich verformter Geist frohlockt schon bei der Vorstellung, dem in Handschellen abgeführten Dieb bald Aug‘ in Aug‘ gegenüberzustehen. Ganz nebenbei könnte damit auch die Sicherheitslage in Markranstädt erhöht werden. Dazu muss er jetzt aber erstmal beim Polizeirevier anrufen.

Da unserem Mann während des Telefonats vor Lachen mehrmals der Hörer runtergefallen ist, kann das folgende Gespräch nur als eine Art Erinnerungsprotokoll wiedergegeben werden. Zum Glück war eine weitere Person zugegen, die etwaige Gedächtnislücken schließen konnte. Die Konversation hörte sich ungefähr wie folgt an:

Polizeirevier Südwest, guten Tag.

(Ich will erstmal testen, wie der Typ drauf ist und ob er Spaß versteht.) Ja, tach. Ich habe soeben einen besonders schweren Fall des Diebstahls aufgeklärt. Bin ich da bei ihnen richtig?

Jahaha, sinse! (lacht laut) Na dann erzählnse mal. (Es knarzt im Hörer. Klingt, als würde er es sich in seinem Sessel bequem machen)

(voller Stolz) Hab sogar ne Tagebuchnummer! Wollnse die erstmal?

(stutzt kurz) Jo, dann …ä…dann schießense mal los.

Ich diktiere ihm die Nummer.

So – und um was geht’s da nun?

Ja, das ist mein Fahrrad. Und ich habs grad wiedergefunden.

Ganz kurz gehe ich mit der Hoffnung schwanger, dass ihn diese kriminalistische Höchstleistung dazu motivieren könnte, mir spontan das Kommando über ein SEK anzubieten. Aber die Blase platzt nur Millisekunden später.

Na das ist doch schön.

Ja, nicht?

Pause

Sinse noch dran? Was machmern jetzt?

Wo stehts denn?

Markranstädt, Hotel Gutenb… (als hätte ich bei Google die Option „autovervollständigen“ aktiviert, spricht der Beamte weiter)

… ah ja, GU Krakauer Straße.

Wow!

Wieder Pause.

Un nu?

Jaaaä … es regnet grade und unsere Teams sind alle im Einsatz. Sobald eins frei wird, schicke ich es zu ihnen raus. Die gucken sich das vor Ort an und wenns ihr Fahrrad ist, löschen wir es aus der Fahndungsliste und sie können es wieder mitnehmen.

Wie jetzt? Das Teil ist Schrott! Ich will diesen Metallhaufen nicht wieder mitnehmen!

Müssense aber. Is ja ihrer. (hat sich von meiner Heiterkeit offenbar endgültig anstecken lassen)

Jetzt entwickelt sich das Gespräch zum telefonischen Kabarett.

Äh … pfff … urg … das ist ja nicht mal mehr fahrbereit. Ich meine: Wie soll ich’n das nach Hause kriegen?

(packt in Sachen Humor noch einen drauf) Ja also – ich kanns ja mal versuchen, aber ich glaube nicht, dass ihnen die Polizei extra für ihre Fahrradreste einen Transporter nach Markranstädt schickt.

Jetzt bekommen wir beide einen Lachanfall. Ich bedaure, dass es das Schicksal offenbar vorgesehen hat, so einen lustigen Typen bei den Kalkmützen vertrocknen zu lassen. Als Erfolgsautor bei einem deutschlandweit beachteten Satire-Organ hätte er deutlich bessere Perspektiven. Als ich mich frage, ob ich ihn darauf nicht mal ansprechen soll, setzt er die Konversation in ungebrochener Heiterkeit fort.

Wollnses nun wiederhaben oder nicht? Ich meine, wenns eh nur noch Schrott ist …

Nur mal für mich, so zum Verständnis: Jemand klaut mein Fahrrad, kloppts kaputt und ich muss es dann so wieder zurücknehmen?

Jepp!

Hm … und dass ich es nicht wieder zurücknehmen und selbst entsorgen muss, das geht nur dann, wenn ich … sagen wir mal …

… wenn sie sich geirrt haben und es nicht ihrs ist. Sagen wirs mal so: Wenn der Schrotthaufen ihr Fahrrad war und sie von der Versicherung dafür Geld bekommen haben, müssten sie es dann sogar zurückzahlen. Vielleicht gehen sie ja nochmal in sich? Schauen sie ruhig noch mal nach, ob es wirklich ihr Fahrrad ist. Man kann sich da ganz schnell mal irren.

Das hab ich verstanden. Aber ich finde den Typen so sympathisch, dass es mir ein aufrichtiges Bedürfnis ist, ihn vor weiterem unnützen Aufwand zu bewahren. Also gebe ich zu bedenken:

Wenns jetzt – sagen wir mal – nicht mein Fahrrad wäre, dann können sie es aber auch nicht aus ihrer Fahndungsliste streichen und müssten weiter danach suchen, obwohl sie jetzt wissen, wo’s steht …

Schweigen!

Oder war da doch ein Geräusch? So eine Art unterdrücktes Prusten?

In diesem Moment wird mir die Ungeheuerlichkeit meiner Aussage bewusst. Ich hatte mit meinem völlig weltfremden Argument unterstellt, dass nach meinem Fahrrad tatsächlich gefahndet wird. Oh Gott, wie peinlich!

Beschämt versuche ich, aus der Nummer irgendwie rauszukommen und sage dem Beamten, dass ich die Fragmente meines Fahrrads noch einmal genau inspizieren und mich danach melden werde.

Bis dahin solle er Einsatzkommando, KTU, Kriminalpathologie sowie Fährtenhunde zurückhalten und auch das BKA noch nicht informieren.

In den folgenden Minuten gehe ich wirklich in mich. Ich sehe im Geiste den geilen Rahmen (eine Sonderanfertigung!), den Sattel und den Lenkervorbau, die alle noch dran sind. Allein der Sattel ist mehr wert als das ganze Fahrrad.

Die Schutzbleche haben die Idioten abmontiert, damit sie die abgefuckten 28-Zoll-Räder aus einem anderen geklauten Fahrrad einbauen konnten.

Dass die Felgenbremse jetzt nicht mehr auf die Felge, sondern in die Speichen greift, konnten die Trottel leider nicht mehr erleben, weil sie ein kaputtes Hinterrad eingebaut hatten und deshalb wahrscheinlich nie auch nur einen Meter mit ihrer neuen Beute gefahren sind. Bremsweg drei Millimeter … ich hätt’s so gern gesehen. Kackbratzen, die.

Bevor die alte Wut wieder Besitz von mir ergreift, rufe ich meinen neuen Freund im Kabarett am Ratzelbogen zurück.

Hallo, hier ist wieder der Fahrrad-Mann.

(lacht und in seiner Stimme schwingt aufrichtige Freude)  Ich hörs! Und … überlegt?

Ja! (jetzt senke ich die Stimme und sage in John-Wayne-Slang) ICH ZIEHE DAS DURCH!!!

Am anderen Ende höre ich ein Geräusch, das mich an die Landung einer herabfallenden Kinnlade auf dem Schreibtisch erinnert.

Wie jetzt? Echt?

Ja! Wissen sie, ich bin Journalist und ich kenne Kollegen, die würden für so eine Story ’ne Menge geben. Mir fällt sie sozusagen gratis in den Schoß und da will ich jetzt natürlich auch wissen, wie sie ausgeht.

Das Kapitel mit dem Humor ist damit augenblicklich beendet. Die Stimme am anderen Ende wird wieder ernst, wobei ich auch einen Hauch Mitleid herauszuhören glaube.

Ja okay, dann … Ihre Nummer hab ich ja. Ich schicke ihnen dann zwei Kollegen vorbei, die melden sich bei ihnen.

Schön. Danke.

… derhörn. (Klack)

Als eine halbe Stunde später zwei Uniformierte scheinbar teilnahmslos durch den Hof spazieren und sich die Hausfassaden betrachten, beginnt der dritte Teil der Dramödie.

Nie hätte ich gedacht, dass die bisherigen zwei Akte noch zu toppen wären und ich mich irgendwann allein aus Gründen guter Unterhaltung sogar danach sehnen könnte, dass mir wieder mal ein Fahrrad geklaut wird.

(Fortsetzung folgt)

 

2 Kommentare

  1. …bin vor Lachen vom Stuhl gefallen! Das Leben ist immer noch die beste Satire ….

    1. Solange es nicht persönlich wird.
      Dann vergeht einem schnell der Humor.

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