Herzlich willkommen, Bürger!

Das müsste es dann mit der Kälte gewesen sein. Die Temperaturen werden angenehmer, Bäume blühen und Grün schiebt sich aus den Zweigen. Jetzt nahen die Feiertage vom 1. Mai über Christi Himmelfahrt bis Pfingsten. Das ist die Zeit der Einladungen zu Partys im Garten, Männertags-Feten auf dem Kremser oder Pfingstbier in der Kellerbar. Blöd nur, wenn dann niemand kommt. Liegt es vielleicht an der Form der Einladung?

Kann immerhin sein, denn Einladung ist nicht gleich Einladung. Ganz gleich ob man sie persönlich mit einem Händedruck ausspricht, telefonisch oder schriftlich: Es kommt darauf an, was man dem Gast bietet.

Der Super-Gau ist natürlich meist eine Einladung von der Schwiegermutter. Die kann eigentlich schreiben was sie will, es wird nie reichen, das Maß persönlicher Überwindung wenigstens zum Aufbruch ins Ungewisse auch nur annähernd zu rechtfertigen.

Einladung von der „anderen“ Mutti

Außer Kaffee, Kuchen und ein paar klugen Ratschlägen ist da eh nicht viel zu erwarten. Man sollte nur den Streuselkuchen aufessen und den Kaffee austrinken. Es gab da Zeiten … wir wissen ja nicht, was Not ist.

Da ist eine Einladung zur Gartenparty des befreundeten Paares schon wesentlich interessanter. Allein schon das Fahrgestell der Frau. Da könnte man glatt vergessen, dass die Thüringer vom Grill eher wie eine Brandenburgerin am Kiosk riecht.

Thüringer oder Brandenburger?

Fazit: Es kommt nicht nur darauf an, was man seinen Gästen bietet, sondern dass die auch wissen, was ihnen geboten wird. Genau dazu ist eine Einladung da. Neugierig machen, Spannung erzeugen, ein guter Gastgeber sein.

Ebeneezer Scrooge

Lediglich wenn man Chef ist, braucht man sich darum keine Gedanken zu machen. Da reicht gegenüber der Sekretärin eine kurze Bemerkung über Ort und Zeit und noch am gleichen Abend tritt die gesamte Belegschaft an. Oft sogar mitsamt eigenen und geborgten Kindern, um schon mal den Boden für die kommenden Gespräche über eine bitter notwendige Gehaltserhöhung zu bereiten.

 

Andererseits gibt es tatsächlich Einladungen, die sozusagen pro forma ausgesprochen werden, jedoch nie und nimmer mit dem ernsthaften Wunsch verbunden sein können, dass da auch jemand erscheint. Es sind jene Dokumente, die lediglich einer vorgeschriebenen Form und Frist entsprechen müssen, um juristischen Vorschriften Genüge zu tun.

Zwei Musterexemplare hängen derzeit im Schaukasten vorm Bürgerrathaus aus. Nicht als schlechtes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte, sondern in der Tat als Ausdruck unserer demokratischen „people welcome“-Kultur.

Was Sie jetzt lesen, ist die Tagesordnung der 18. Sitzung des Technischen Ausschusses, die am vergangenen Montag stattfand.

ausschuss

Die Tagesordnung zur Sitzung des Verwaltungsausschusses, die am Tag darauf über die Bühne ging, kann man sich schenken. Sie ist auf Punkt und Komma mit der des Technischen Ausschusses identisch. Wer es unserem hochseriösen Organ journalistischer Qualitätspresse trotz allem nicht zu glauben bereit ist, kann einfach hier klicken und vergleichen.

Wer fühlt sich da nicht eingeladen und neugierig gemacht? Wer würde da nicht schon beim Abendessen unterm Tisch mit den Füßen trommeln, weil er es vor Spannung nicht mehr aushält? Nein, diese Fragen sind ausnahmsweise wirklich nicht satirischer Natur.

Oder ist es etwa nicht spannend zu erleben, ob es im Zeitalter des Telefons und elektronischer Kommunikationswege wirklich auch nur einen Ortsvorsteher gibt, der bis zur Ausschusssitzung wartet, um endlich nach Markranstädt fahren zu können und  dort seine Anfragen los wird?

Ja gut, ob man als Bürger unbedingt dabei sein muss, wenn der Häuptling eines abgelegenen Kaffs über Kaulquappen im Löschteich klagt, sei dahingestellt. Aber es könnte ja auch sein, dass sich da jemand durch die Feuerwehrsirene sexuell belästigt fühlt und da kann so eine Sitzung richtig unterhaltsam werden. Also – Spannung ist schon da, man muss sie nur lesen wollen. Allein mit dem phantasielosen Studium einer solchen Tagesordnung wird das nichts mit Transparenz oder Demokratie. Es liegt einzig und allein an uns, den Eingeladenen.

Und sollte der Einladung letzte Woche wider Erwarten doch jemand gefolgt und hinterher enttäuscht gewesen sein, dem sei hiermit Trost gegeben. Es werden noch viele Sitzungen folgen und mit ihnen auch viele Einladungen. Hier schon mal vorab die Tagesordnungen bis Juni 2023, damit Ihnen die Wahl etwas leichter fällt:

1.1. Eröffnung
1.2. Feststellen der Beschlussfähigkeit
1.3. Benennung der Protokollanten
1.4. Zustimmung zur Tagesordnung
2. Protokollkontrolle öffentlicher Teil
3. Anfragen der Ortsvorsteher
4. Wichtige Mitteilungen und Aktuelles

Ihre Schwiegermutter

 

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