Neues aus der vierten Etage (30)

Nach der Hitze der vergangenen Tage verhieß die vierte Etage eine Art Alternative zum Besuch in der Meri-Sauna. Aber nix da: Nur knapp 25 Grad Raumtemperatur und 35 Prozent Luftfeuchtigkeit da oben. Sogar der Fahrstuhl hat funktioniert. Und auch sonst war das 30. Event über den Dächern der Stadt eher von satirischer Schonkost geprägt.

Daran änderte auch die optimistische Begrüßung des Bürgermeisters nichts, der mit Blick nach rechts (LVZ) und geradeaus (MN) explizit die „Vertreter der Weltpresse“ willkommen hieß.

Gleich nach dem üblichen Präludium mit dem Absingen diverser Beschlussnummern aus vorangegangenen Sitzungen zauberte die Bürgerfragestunde erste Fragezeichen in die Augen einiger Gäste und Abgeordneter.

Die Frage, was man tun soll, wenn man Menschen bei der illegalen Müllablagerung beobachtet, kann man durchaus als gelungene Ouvertüre betrachten. Der Bürgermeister riet jedenfalls zu Zivilcourage. Zu der kommen wir aber gleich noch (Merke: Zivilcourage!)

Alkohol am Kulki? Kein Problem!

Eine Bürgerin fragte dann, ob die geplante Polizeiverordnung (Alkoholverbot in öffentlichen Bereichen) nicht auch auf die Kulki-Promenade ausgedehnt werden könne. Fast schien man stillen Beifall hören zu können, aber die Antwort des Bürgermeisters fiel eher ernüchternd aus.

Allerdings gelten die von Spiske vorgebrachten Argumente gegen die Durchsetzung des Alkoholverbots in diesem Bereich auch für die beiden geplanten Gebiete in der Parkstraße und am Bahnhof. Schwer zu vermittelnder Stoff.

Die mutige Dame (immerhin könnte das von ihr angegriffene Klientel aus Rache vor ihre Haustür kotzen) hatte da bestimmt die gleichen Bilder vor Augen, die auch das MN-Team immer wieder beobachtet.

Da schleicht ein Security-Kleinwagen im Schritttempo über die Promenade, der an jedem mit einem Scan-Code versehenen Mülleimer anhält, während sich die promillierte Zielgruppe so langsam mal in die Büsche schlägt, um den staatlich bezahlten Ordnungshütern dann im Heckfenster die Stinkefinger zu zeigen.

Austreten müssen? Kein Problem!

Manfred Schwung machte dann in seiner Bürgerfrage wieder eine Toilette am Kulki zum Thema. Die vom Bürgermeister im Technischen Ausschuss proklamierte Förderkulisse für öffentliche Toiletten bezeichnete er als falsch und wollte wissen, wann das Klo in diesem Jahr noch realisiert wird.

Die Antwort des Bürgermeisters war für den außenstehenden Beobachter angesichts der gefühlt Jahrhunderte alten Diskussion jetzt nicht gerade sooo überzeugend, aber zumindest konnte er darlegen, dass die Lokus-Vision auch im Aktionskreis „Barrierefrei“ nachvollziehbar dargelegt wurde.

Nachdem Spiske einen besorgten Bürger beruhigen konnte, dass Markranstädt keinerlei Meldedaten seiner Einwohner an Dritte verkauft, fragte der Verwaltungschef kurz in die Runde, ob es weitere Fragen gäbe und übersah da wohl das Handzeichen einer Dame in den hinteren Reihen.

Kann auch sein, dass sie ihre Hand wirklich zwei Sekunden zu spät gehoben hatte, aber was dann folgte, hatte ein gewisses Geschmäckle.

Migration? Kein Problem!

Während in der Vergangenheit schon mal darüber hinweg gesehen wurde, dass ein Fragesteller gar kein Markranstädter war oder mehr als nur seine zwei ihm zugestandenen Fragen stellte, zeigte sich Spiske in diesem Fall gnadenlos wie ein Zielfoto beim Pferderennen.

Selbst auf den Hinweis der ihm sekundierenden Beigeordneten, dass sich da noch jemand gemeldet habe, reagierte er ungewöhnlich dünnhäutig und stellte klar, dass er die Bürgerfragestunde geschlossen habe, worauf die Dame den Saal verließ.

Sowas weckt natürlich die satirische Neugier. Was geht denn hier ab?

Nun ja…hier kommen wir wieder zum Thema Zivilcourage. Die Frau wohnt sozusagen im näheren Magnetfeld des gelben Hotels in der Krakauer Straße.

Integration? Kein Problem!

Man könnte der Einfachheit halber meinen, viele der Eingeborenen dort (und nicht nur dort) hätten Probleme, ihren Lebensrhythmus an die neue Situation anzupassen und wollen sich nicht integrieren. Aber so ist es nicht!

Nicht sie sind es, die uneinsichtig sind, sondern deren arische Arbeitgeber mit ihren populistischen, geradezu rechtsradikalen Moralvorstellungen.

Die verlangen doch tatsächlich, dass ihre Untergebenen jeden Morgen pünktlich und taufrisch auf der Matte stehen. Wie sie das machen sollen, wenn jede Nacht bis 2 Uhr und später Party ist vorm Schlafzimmerfenster, das interessiert diese präkapitalistischen Neonazis nicht.

Keine Fragen? Kein Problem!

Vielleicht wollte sich die bürgerfragende Frau einfach nur mal Luft verschaffen, vielleicht aber auch nur um Rat oder Hilfe bitten oder schlichtweg nur fragen, wie sie sich integrieren kann in dieser sich wandelnden Welt mit augenscheinlich unterschiedlichen Regeln?

Wer kann schon wissen, was sie fragen wollte, wenn man sie nicht fragen lässt?

Dem Bürgermeister jedenfalls ist die Frau nicht unbekannt und deshalb dürfte er wohl auch geahnt haben, auf welches Thema ihre Fragen abzielen.

Dass er sie so billig abserviert hat, das wirkte einfach nur plump, stillos und sendet jenes fatale Signal aus, dass Probleme in diesem gesellschaftlichen Segment nach wie vor lieber ausgesessen statt gelöst werden. Das offizielle Markranstädt bleibt in dieser Hinsicht also weiterhin ein Potemkinsches Dorf. Hoffentlich muss man solchen Chancen einer kommunikativen Lösung von Problemen nicht irgendwann mal nachtrauern.

Was sonst noch in der vierten Etage geschah, bot gleichfalls nur ansatzweise satirisches Potenzial. Die Beschlüsse wurden bisweilen so schnell durchgewunken, dass einige Abgeordnete Probleme hatten, ihre Hand rechtzeitig wieder runterzunehmen.

So geschehen bei Punkt 8 zum Gewerbegebiet Kulkwitz, als die Zustimmung von Rosel Glöckner (SPD) zunächst als Gegenstimme verstanden wurde, weil sie ihren Abstimmungsarm vor der Gegenprobe nicht schnell genug fallen ließ.

Ach ja – wir werden bald wieder ein eigenes Gymnasium haben! Das haben die Stadträte beschlossen, nachdem Fraktionschef Micha Unverricht (CDU) in einer flammenden Rede noch einmal auf die Rolle der Bedeutung der Christdemokraten bei der Vorbereitung dieses Aktes eingegangen ist.

Die anderen Fraktionen waren ob dieser Offenbarung so tief beeindruckt, dass es ihnen für den ganzen Rest der Veranstaltung die Sprache verschlagen hat und der Bürgermeister das große Palaver in der vierten Etage mit einem Freud`schen Versprecher schon nach knapp anderthalb Stunden als „nichtöffentliche Sitzung“ beenden durfte.

Exakt 24,7 Grad und 35 % Luftfeuchtigkeit. Schlechte Bedingungen für gute Satire.

Was es an handfesten Fakten gab, welche zukunftsweisenden Beschlüsse gefasst wurden und was die für das Markranstädt des 21. Jahrhunderts bedeuten, erfahren Sie wie immer von den Organen, die den Schwarzen Peter des ernsthaften Qualitätsjournalismus gezogen haben. Diesmal hatten die allerdings den Joker erwischt.

 

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