Neues aus der 4. Etage: Jens bleibt Jens und nicht Horst!

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die Ratsdamen und -herren kritische Leser der Markranstädter Nachtschichten sind, dann kam der gestern in der vierten Etage mit lautem Krachen auf den Tisch!

Jawollja, diesmal haben sie das führende Satiremagazin der Stadt nach allen Regeln der Kunst vorgeführt. Dreißig Punkte in nur 2 Stunden und 18 Minuten! Von wegen Mitternacht und so.

Zumindest eine der MN-Visionen traf aber zu. Der Bürgermeister sah blendend aus. Zwar scheint die Vermutung mit doppelter Ration an Frühstücksbemmen nicht zu stimmen (ein paar Kilo Fleischeinwaage fehlen bei ihm wohl tatsächlich), aber der Schlips war definitiv neu.

Und auch Spiskes Stimmung schien bestens. Fast könnte man annehmen, dass frische Landluft oder wenigstens die Verheißung darauf am Werk waren.

Und so sorgte er mit einigen Steilpässen dafür, dass Satiriker nicht nachzudenken, sondern einfach nur mitzuschreiben brauchten.

Nachdem beispielsweise Dr. Ursula Schuster (LINKE) als Nachrückerin für Hans-Jürgen Berg vereidigt wurde, richtete Spiske an den SPD-Fraktionschef einen mahnenden Appell zur Weiterbildung der Genossen: „Jetzt hat jede Fraktion ihren Doktor. Fehlt nur noch die SPD, Herr Meißner.“

Auch Doktoren kochen mit Wasser

Als Notarin Angelika Doberenz kurz darauf einige Ausführungen zur Beleihung von Grundstücken zu Gehör gab, fiel dem Bürgermeister sogar auf, dass es ihr an Wasser fehlen könnte, holte ihr höchstpersönlich ein Glas und schenkte auch noch ein. Solche Art Aufmerksamkeit auf dem Podium kannte man bislang nur von der Beigeordneten.

Digitale Erkentnisse

Aber damit nicht genug. Wenig später stand der Entwurf des Haushaltsplans auf der Tagesordnung und als Dr. Eddy Donat (FWM) fragte, ob man diesen angesichts dessen physischen Umfangs (der Packen Papier war mindestens 7 cm stark) auch digital bekommen könnte, meinte Spiske, dass Donat sich das Konvolut mit nach Hause nehmen und dort einscannen könne. Sogar die anschließende Heiterkeit war ebenso analog wie echt.

Sportcenter als Montagsauto

Also, was immer dem Bürgermeister vor dem Hintergrund seiner zurückliegenden Krankheit verabreicht wurde, der Medikamenten-Cocktail kann nicht nur Antibiotika enthalten haben. Der Mann war wie ausgewechselt.

Nicht einmal von der gefühlt hundertsten Bürgerfrage zum Sportcenter ließ er sich die Laune verderben. Kurzerhand verglich er das Gebäude mit einem Montagsauto und eröffnete die Vision, dass es nie Ruhe geben wird um das Bauwerk.

Okay, damit kann er durchaus Recht haben. So hätten wir in Markranstädt das, was die in Köln „ihren Dom“ nennen. Ein Wahrzeichen immerhin.

Der Kampf gegen die Ebbe

Aber das war noch immer nicht alles, was der Verwaltungsleiter aus der neu entdeckten Humorkiste geholt hat. Unter Hinweis auf die ablehnende Entscheidung des Landkreises zum Antrag der Stadt auf Absenkung des Wasserstandes in Gärnitz schloss Spiske den Umkehrschluss nicht aus.

Nämlich dass diese Provinzposse bedeuten würde, Wasser hineinzupumpen, wenn der zulässige Wasserspiegel unterschritten ist. „Ich mache mich doch nicht zum Horst!“, meinte Jens. Es war einfach nur köstlich und unterhaltsam.

Auch einige der anderen Abgeordneten ließen sich von der Grundstimmung des Bürgermeisters anstecken. So fragte Monika Rau (FWM) mit Blick auf die Sanierung des Stadtbades, ob man in den Haushaltsplan nicht noch „ein Projekt dazuschummeln“ könnte. Jens-Horst erklärte geduldig, dass man sich entscheiden müsse zwischen einem Plasma-Fernseher und einer Stereoanlage, wenn das Geld nur für eins von beidem reicht.

Plasma-Fernseher dazuschummeln?

Damit war das Repertoire von Frau Rau allerdings noch nicht erschöpft. Kurz vor Ende der Sitzung kritisierte sie, dass an Bushaltestellen Papierkörbe fehlen würden. Auf die Frage, welche Bushaltestellen sie meine, antwortete sie mit dem satirischen Stilmittel der Unterspitzung: „Die bei der Firma Schott und weiter vorne.“

Auch Ronald Gängel (LINKE) stimmte erneut in das satirische Orchester ein, beließ es diesmal jedoch vorwiegend auf der langen Betonung des R („verrrmehrrrt“, „verrrlesen“ oder „gerrrührrt“). Lediglich am Schluss der Veranstaltung sorgte er für verrrwirrrende Heiterrrrkeit, als er zurrr Gärrrnitzer Verrrnässungsfläche eine Frrrage stellte, die Spiske Minuten vorrrherrr berrreits beantworrrtet hatte. Ob da nicht Morrrpheus seine Hände im Spiel hatte?

Morrrpheus lässt grrrüßen

Was es sonst an ernsten Fakten gab und welche Beschlüsse gefasst wurden, erfährt der interessierte Bürger aus der lokalen Tagespresse. So können wir also den Rest kurz zusammenfassen. Als da wären:

> Das Markranstädter Bürgertum ist zu reich, um sozialen Wohnungsbau gefördert zu bekommen. Die Mietbelastung sei laut Staatsministerium gegenüber dem Einkommen angemessen und der Leerstand unter den 8001 Wohnungen mit acht Prozent zu hoch, um regulierend eingreifen zu müssen. Dass Spiske unter dem Eindruck dieser Informationen intuitiv bis frustriert vom „Speckgürtel Markranstädt“ (meinte wohl Leipzig) sprach, rundete den satirischen Kontext der Veranstaltung eindrucksvoll ab.

> Das Wasser im Sportcenter kam nicht von oben, sondern von innen. Schwitzwasser, das sich an den Fenstern gesammelt und dann beim Herabfließen die Spielfläche unter Wasser gesetzt habe, soll für die Überschwemmungen verantwortlich sein. Wahrscheinlich war der Komplex wirklich als Sauna geplant und dann in einer abendlichen Sitzung auf dem roten Sofa als Arena für Körperertüchtigung umfunktioniert worden.

> In der Tagesklinik Hordisstraße entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Man muss allerdings weder Visionär noch Satiriker sein, um ahnen zu können, dass im Alltag zumindest ausreichend neue Patienten geschaffen werden.

> Wenigstens stehen dort ausreichend Parkplätze zur Verfügung. An eben diesen Voraussetzungen scheint es im Falle der Rossmann-Drogerie zwar zu fehlen, dafür soll sie bereits am 4. März ihre Pforten öffnen. An jenem 4. März findet auch der „Tag der offenen Tür“ am Gymnasium sowie der Oberschule statt. Sinnstiftend nennt man das wohl im Verwaltungsdeutsch. Schüler, Gymnasiasten und eine Drogerie – da droht ein zweites Straßenfest.

Freud’sche Versprecher

Noch einen vielsagenden Versprecher gab es, als die Erste Beigeordnete Beate Lehmann quasi zur Superministerin im Rathaus bestellt und ihr neben der bisherigen Leitung des Fachbereichs IV die Hoheit über das Finanzministerium übertragen wurde. Auf die Frage, ob sie das denn bewältigen könne, meinte Spiske, dass er seine Beigeordnete durch Umstrukturierungen zu „entleiden“ gedenke.

Zumindest hat Beate Lehmann (zunächst) nicht nur Rückendeckung aus allen Richtungen, sondern darf auch uneingeschränktes Vertrauen genießen. Spiske meinte jedenfalls nach der einstimmigen Beschlussfassung, dass ihm „ein Stein vom Herzen gefallen“ sei.

Der Grand-Prix rätselt: Sogar Großlehna gibt 10 Punkte

Mike Schärschmidt (CDU) kritisierte zwar, dass man nicht schon vor einigen Jahren auf diese (unter anderem von der CDU vorgeschlagene) Lösung zurückgegriffen habe, aber auch dafür hatte Spiske eine Erklärung, die nicht nur satirisch plausibel erschien.

Was der normale Bürger zu diesem Zeitpunkt nicht oder nur aus der Gerüchteküche wissen konnte, wurde im Laufe der Sitzung bereits angedeutet. Da hieß es, dass der Bearbeitungsstand des städtischen Etats im Dezember „nicht dazu angetan war, um heute darüber diskutieren zu können“. Das war allerdings schon dem Umstand zu entnehmen, dass Silke Kohles-Kleinschmidt die Erläuterung des Haushaltsentwurfs für ihre eigentliche (und inzwischen freigestellte) Chefin vornehmen musste.

Schuhe eine Nummer zu groß?

Kämmerin Grit Schaper steht wohl nicht nur in den Fußstapfen ihrer Vorgängerin Heike Herzig, sondern trägt auch deren Mokassins. Im anschließenden nichtöffentlichen Teil der Sitzung ging es jedenfalls auch darum, ob sie die Probezeit bestanden hat. Die Ampel leuchtet dunkelrot, denn  ohne Harpune schwimmt sich’s schlecht im Markranstädter Haifischbecken und wenn der Personalrat nicht noch einen Grund für ein Veto findet, könnte bereits am kommenden Mittwoch der Zapfenstreich für die jetzige Schatzmeisterin intoniert werden.

Das war dann aber auch der einzig nachdenklich stimmende Moment für Satiriker in der vierten Etage. Es war mit dieser Veranstaltung wie mit einer Geburtstagsfete. Die Feiern, auf die man im Vorfeld die geringste Lust verspürt, entwickeln sich dann meist zu den Schönsten. Die 26. Sitzung des Markranstädter Stadtrats gehört dazu.

 

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