Er ist wieder da!

Wer inzwischen vergessen hat, wie der Bürgermeister aussieht, sollte morgen die vierte Etage besuchen. Aber Vorsicht! Wenn Sie dieses Vorhaben in die Tat umsetzen wollen, sollten Sie sich vorher bei Ihrer Familie verabschieden, ausreichend Proviant mitnehmen und auch Fotos von den Kindern nicht vergessen. Die werden oft gar zu schnell groß und bei dem, was die sich da im Ratssaal vorgenommen haben, kann aus Ihrer kleinen Prinzessin inzwischen eine karrieregeile Nymphomanin geworden sein, wenn Sie wieder nach Hause kommen.

Wenn der Chef nach längerer Krankheit, mit neuen Kräften ausgestattet, an seinen Schreibtisch zurückkehrt, muss man schon mal mit Tatendrang rechnen. Dieser kann in vielfältiger Form zum Ausbruch kommen.

Neuer Schlips oder doppelte Ration in der Bemmenbüchse sind da die geringsten Signale. Was aber am Donnerstag in der vierten Etage droht, ist ein Hardcore-Programm, das mit einem behutsamen Wiedereinstieg in den beruflichen Alltag wenig zu tun hat.

Hartes Reha-Programm

Sage und schreibe 30 (in Worten: dreißig) Punkte stehen auf der Tagesordnung der 26. Sitzung des Markranstädter Stadtrates. Die Formel lautet: Punkte mal Minuten durch 60.

Wenn jeder Punkt durchschnittlich nur zehn Minuten Sitzungszeit beansprucht, droht der Zauber über den Dächern der Stadt zu einem fünfstündigen Marathon zu werden.

Die Montage eines Mähdreschers

Okay, es kann gut sein, dass da einige „Durchwinker“ auf dem Programm stehen, nach deren Abhandlung man zügig zum nächsten Punkt schreiten kann. Aber wer whatsapp hat, wird sicher schon ahnen, dass allein die Bürgerfragestunde ihren zeitlichen Tribut fordert.

Auch die Einbringung der Haushaltssatzung mit Haushaltsplanentwurf ist erfahrungsgemäß mit der Verlesung eines kompletten Montageberichts für amerikanische Mähdrescher vergleichbar.

Bloß gut, dass die Sache mit dem Etat schon unter Punkt 10 und damit noch in der ersten Halbzeit angesetzt ist. Da läuft Silke Kohles-Kleinschmidt, an der dieser Kelch im Vorgriff auf den nichtöffentlichen Teil wieder einmal nicht vorüberzugehen droht, wenigstens nicht Gefahr, dass ihr Vortrag von Schnarchgeräuschen gestört wird.

Wie heißt es gleich in einem Renft-Song? „Es ist nunmal so, wenn Zeit beginnt, kommt gleich danach, dass sie verrinnt.“

Wenn die Zeit ihre Segel setzt…

Kaum vorstellbar, dass das Programm in weniger als dreieinhalb Stunden abgehandelt werden kann. Und mit Tagesordnungspunkt 30 (Wichtige Mitteilungen und Aktuelles) ist die Show für die Mandatsträger noch nicht einmal zu Ende. Da kommt noch der nichtöffentliche Teil mit möglicherweise wieder mal einer pikanten Personalie.

Rechnen wir mal: Beginn ist 18:30 Uhr – plus … na gut … vier Stunden, macht 22:30 Uhr und dann noch die Backstage-Party für nichtöffentliche Ohren.

Das wird den Abgeordneten noch eine Weile im Knochengebälk stecken bleiben. Es sei denn, sie bringen neben Bettzeug gleich noch eine Masseurin mit.

Und auch noch eine Staffel erfahrener Paartherapeuten für den Fall, dass es Ärger gibt, wenn die Räte in den frühen Morgenstunden mal wieder bei ihren Familien reinschauen.

Schade, dass allein die quantitativen Merkmale für das Bürgertum hinsichtlich der persönlichen Teilhabe eher abschreckend sind. Von der Qualität der Einladung ist man das ja inzwischen schon gewöhnt.

SOP und SEP – für den Depp

Da stehen wieder Dinge drin wie SEP und SOP, „Ergänzung zur Beschlussvorlage 2016/BV/371“ und eine Vielzahl ähnlicher Kreationen verwaltungsdeutschen Wortschatzes.

Aber wenigstens gibt es für den interessierten Geist jetzt einen kleinen Lichtblick. Das Ratsinformationssystem (RIS) ist endlich online. Da kann man zumindest vorab schon mal die Beschlussvorlagen einsehen.

RIS seit Januar online

Das ist zwar für den verwaltungstechnisch jungfräulichen Besucher der Show noch immer nicht der Weisheit letzter Schluss (ein Programmheft in der Oper ist aufschlussreicher), aber zumindest kann man sich dadurch mitunter selbst zusammenreimen, über was die Damen und Herren am Ratstisch so reden.

Und Sie, liebe Leserinnen und Leser, verfügen damit über eine wesentlich effektivere Entscheidungsgrundlage, ob Sie sich Urwaldspasten im Assi-TV reinziehen oder bei einer Live-Show im Kreise Gleichgesinnter einschlafen. Letzteres ist immer noch besser als den Müll runterzuschaffen oder sich darüber aufregen zu müssen, dass die Zahnpastatube schon wieder in der Mitte zusammengedrückt wurde.

 

2 Kommentare

  1. Danke für den Hinweis zum „Ratsinformationssystem“, wobei sich die Frage stellt, wie kann man sich dort anmelden?

    1. Um sich da anmelden zu können, müssten Sie sich wahrscheinlich erst mal wählen lassen. Die wirklich aussagefähigen Informationen sind nur für die Personen zugänglich, die am Ratstisch sitzen. Für uns ist der Rest. Klicken Sie doch einfach mal auf „Kalender“ und dort dann auf den morgigen Tag…

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