Ausnahmsweise verschreibungspflichtig: Bilder lügen nicht

Die Olympioniken haben’s gut: 16 Tage Stress und danach wieder vier Jahre Ruhe. Bei Bürgermeistern ist das anders, sie sind quasi sieben Jahre lang ständig auf der Jagd nach Rekorden. Weil das für die Medien auf Dauer langweilig wird, halten sich die kommunalen Spitzen eigene Fotografen, die ihre Zielfotos festhalten. Der Nachwelt bleiben dadurch mitunter dramödische Blüten erhalten, wie ein Blick in die jüngste Ausgabe der Markranstädter Stadtgazette zeigt.

Die Zahlenbeauftragte der Markranstädter Nachtschichten führt eine beeindruckende Strichliste. Sie zählt die Fotos im grünen Amtsblättchen, auf denen unsere Stadtoberhäuptin zu sehen ist. Der Rekord steht bei 11 (in Worten: elf).

Damit ist sie allerdings noch meilenweit entfernt von der Bestmarke ihrer Amtskollegin aus Borna. Dort haben Leser ihre Bürgermeisterin Simone Luedtke schon 16 mal in einer einzigen Ausgabe gefunden.

Aber unsere First Lady lässt in letzter Zeit ziemlich nach. Für die aktuelle Ausgabe des Markranstädter Stadtblättchens wurden gerade mal noch läppische acht Fotos von ihr durch die Druckerpresse gedrückt. Die mangelnde Präsenz wird auch dadurch nicht besser, dass sie auf einer Doppelseite gleich vier mal und zudem mit neun verschiedenen Männern abgelichtet wurde.

Bilderrätsel

Ein Foto allerdings ist bei den Lesern der Markranstädter Nachtschichten offenbar auf ganz besonders starkes Interesse gestoßen. Gleich sieben mal wurde es uns auf allen erdenklichen Kanälen und mit noch allen erdenklicheren Vermutungen zugesandt. Es handelt sich um das neunte der acht Fotos, dessen Motiv sich eigentlich nur durch die Bildunterschrift erschließt.

Nun, das MN-Team sieht hier bestenfalls einen kleinen Lapsus, der jedem mal passieren kann. Drüber lächeln, abhaken und weiter im Alltag. Selbiges verbietet sich allerdings mit dem Umgang der uns zugesandten Leserkommentare, deren Unterhaltungswert sogar eine Pressekonferenz mit Karl Lauterbach in den Schatten stellt. Hier einige der Vermutungen unserer Leser über das Zustandekommen dieser visuellen Stilblüte. Lesense mal und lächelnse einfach mit.

Vermutung 1: Die Last der Betroffenheit

Oder Vermutung 3: Während sich große Staatsoberhäupter für öffentliche Auftritte authentische Doppelgänger leisten können, muss der verarmte Landadel nehmen, was übrig bleibt.

Oder Vermutung 3: Während sich große Staatsoberhäupter für öffentliche Auftritte authentische Doppelgänger leisten können, muss der verarmte Landadel nehmen, was übrig bleibt.

Es gibt gute, wirklich gute Politiker, aus denen trotzdem nie was werden kann, da sie einfach nicht über eine der wichtigsten Eigenschaften verfügen. Weil man als Politiker ab und zu mal eine Gedenkstätte besuchen oder einen Kranz niederlegen muss, sollte man wenigstens mal fünf Minuten betroffen gucken können. Also nicht gleich wie der Steinmeier, der das gar nicht anders kann und sogar einen Kita-Besuch zur Beisetzungsfeier werden lässt. Drum ist er ja als Bundespräsident auch wiedergewählt worden.

Die Erklärung unseres Lesers A. bezieht sich auf genau dieses Phänomen. Er vermutet, dass unsere Bürgermeisterin das „betroffen Gucken“ so perfekt verinnerlicht hat, dass damit sogar eine visuelle Wesensänderung einher geht. „Unter der schweren Last des auf ihren Schultern ruhenden Gewissens hat ihr Erscheinungsbild eine solch bemitleidenswerte Metamorphose vollzogen, dass man sie fast für eine Schulleiterin halten könnte“, urteilt unser Leser, der sich zugleich auch Sorgen um die körperliche Verfassung unseres Pfarrers macht. „Nicht mehr wiederzuerkennen“, zeigt er die gleiche Betroffenheit wie die Kranzniederlegenden.

Vermutung 2: Anwendungsfehler

Der Erklärung klingt logisch: Weil bei der Dame auf diesem Foto die Maske fehlt, hat die Software der Bilderkennung gar nicht erst versucht, einen Namen zu erfinden.

Die Erklärung klingt logisch: Weil bei der Dame auf diesem Foto die Maske fehlt, hat die Software der Bilderkennung gar nicht erst versucht, einen Namen zu erfinden.

Da auf der Titelseite des Blattes das gleiche Motiv mit den gleichen Personen, allerdings anderen Handelnden dargestellt ist, sieht Leserin G. die Ursache in einem Anwendungsfehler digitaler Software bei der Herstellung des Blättchens. Damit die Bornaer Layouter unter den zahllosen Fotos mit unserer Bürgermeisterin nicht jedesmal deren Namen neu in die Tasten hämmern müssen, werde demnach ein Bilderkennungsprogramm verwendet. „Sobald eine halbwegs blonde Dame mit Maske vorm Gesicht von dieser Software erfasst wird, aktiviert sich ein Text-Editor, der unter das entsprechende Foto automatisch den Namen ‚Nadine Stitterich‘ einfügt“, ist unsere Leserin überzeugt.

In der Tat haben derlei Programme schon früher bei der Identifikation an Geldautomaten eklatante Schwächen offenbart. So soll beispielsweise Heidi Klum, als sie vor dem Frühstück im Hotel ungeschminkt noch ein paar Euro abheben wollte, versehentlich das Konto von Inge Meysel leergeräumt haben. Ein Gerücht zwar, aber dass auf dem Foto auf Seite 7 im Amtsblatt Nadine Stitterich und Michael Zemmrich zu sehen sein sollen, ist ja auch nur nicht erwiesen.

4 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

    • Samoht auf 21. Februar 2022 bei 13:39
    • Antworten

    Nach den ersten Zeilen hatte ich schon die Befürchtung, dass jetzt voller Schadenfreude auf den Verantwortlichen dieses Fehlers herumgehackt wird. Aber das hat sich (einmal mehr) nicht bestätigt und statt dessen durften alle mitschmunzeln. Danke dafür und auch für die Story mit Heidi Klum und Inge Meysel. Eine wahrhaft köstliche Pointe mit Kopfkino-Potential.

    1. Wir haben uns bei diesem Kopfkino von folgendem Dialog leiten lassen: „Ach, dann sind sie der Mann mit der netten, sympathischen Frau?“ – „Nein, das ist mein Nachbar!“

    • Gestaltenwandler auf 20. Februar 2022 bei 13:24
    • Antworten

    Oho, die Stadtchefin trägt als einzigste nicht die vorgeschriebene Maske. Liegen alle anderen falsch? Wer weiß, vielleicht ist ja dasVermummumgsverbot in der Öffentlichkeit das höherrangige Recht ?
    Toll, der Test der Stadt, konnte bestätigen, dass es aufmerksame Leser gibt. Mir wäre die wundersame Metamorphose glatt entgangen.

    1. Vielleicht sah die Maske nicht mehr so schön aus? Es soll ja Leute geben, die noch eine aus der ersten Welle tragen.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.