In zwei Stunden Sauna kann man manchmal mehr erleben als in 14 Tagen Urlaub. Erst letztens soll ein Gast in einem Chemnitzer Dampfbad versucht haben, einer anderen Besucherin an den Nippeln rumzuspielen. Auf die Frage, was das solle, stellte sich der Gast dumm und meinte, dass er nur einen Radiosender suchen wollte und im Dunst des Aufgusses wohl die Knöpfe verwechselt habe. Darauf blickte ihm die Frau auf’s Gemächt und meinte: „Mit der Antenne können sie aber nichts empfangen.“ Doch es gibt auch noch andere Geschichten aus der deutschen Dampfbad-Landschaft. Die Erfolgreichste trug sich jetzt in der Markranstädter Meri-Sauna zu.
Im Wellness-Tempel am Westufer des Kulki hat sich Kacper Zawadzki an der Massagebank längst in die Herzen seiner Gäste geknetet.
Seit fast zwei Jahren ist der gebürtige Pole bereits im Team der Meri-Sauna tätig. Chef Andreas Menger hatte dessen Talent sofort erkannt und alles dafür getan, dass sein neues Juwel auch in Markranstädt bleibt. Deshalb hat er für seinen Saunameister aus Kattowitz erst mal einen Sprachkurs im MGH gebucht. Hat geklappt. Zawadzki spricht die Fachsprache aller Dampfbad-Experten inzwischen fließend: Schwitzer-Deutsch.
Von den Radio-Knöpfen unters Saunatuch
Den ganzen Tag lang an der Massagebank Radiosender suchen und dafür auch noch bezahlt werden, das klingt nach einem Traumjob. Aber der hat dem 31-Jährigen bereits in seiner Jugendzeit nicht gereicht, weshalb er schon früh damit begonnen hat, ab und zu auch mal zu wedeln. Um Missverständnissen vorzubeugen: Zawadzki tut sowas tatsächlich unter Saunatüchern, allerdings lässt er diese dabei spektakulär über seinem Kopf durch die Lüfte fliegen.
Weil es in der Kattowitzer Sauna dafür oftmals sogar Beifall gab, hat der sympathische Rotschopf den Tanz mit den großen Tüchern mehr und mehr perfektioniert, sich immer neue Tricks einfallen lassen und sie zu einer Show zusammengeschmiedet, mit der er 2022 polnischer Landesmeister im Handtuchwedeln geworden ist. „Aufgussmeister“ nennt sich das auf Schwitzer-Deutsch.
Vorurteile wie weggewedelt
In Markranstädt konnten die saunabegeisterten Ureinwohner zunächst nicht viel mit dem Begriff anfangen. Wenn eine östlich von Oder und Neiße ausgebildete Fachkraft den Umgang mit Saunatüchern beherrscht, wurde das bis dato eher mit der Befürchtung verknüpft, dass sie hinterher weg sind.
Deutscher Meister!
Jetzt also eine völlig neue, geradezu begeisternde Erfahrung und die hat die Meri-Sauna nun sogar zum führenden Dampfbad-Tempel zwischen Harz und Zittauer Gebirge gemacht. Seit dem 29. Juni ist der Frontmann des Markranstädter Sauna-Teams auch hierzulande nationaler Champion: Kacper Zawadzki ist Deutscher Aufgussmeister 2024, der erste Titelträger Mitteldeutschlands!
Sein Meisterstück bei den Titelkämpfen in der brandenburgischen Satama-Saunalandschaft war das Sahnehäubchen unter allen 24 Vorstellungen der deutschen Aufguss-Elite.
Schwerstarbeit: 14 Minuten bei 85 Grad unter Schamanenkostüm
Keine Sekunde länger als genau 14 Minuten durfte es dauern und dabei eine künstlerisch zum Ausdruck gebrachte Geschichte erzählen, die zu den Aromen des Sauna-Aufgusses passt, die Zawadzki dann gleichmäßig, wohldosiert und auf eine für die Gäste möglichst unterhaltsame Weise zu verteilen hatte.
Der für die Meri-Sauna ins Rennen gegangene Zawadcki hatte sich dazu eine Szene aus dem Alltag eines antiken Schamanen erarbeitet. Seine Kollegen aus der Karlstraße 91 hatten ihm eigens dafür einen hölzernen Götzen geschnitzt, in dem sie auch noch ein paar technische Raffinessen versteckten.
Gottesdienst in der Sauna
„Am Anfang des Zeremoniells bete ich diesen Gott an und bitte ihn um Wasser und Wind“, berichtet der neue Champion. Das untermale er mit einem Tanz und dem Spiel mit seiner Maultrommel, was eine mystische Atmosphäre erzeugt, bei der sich den Saunagästen trotz 85 Grad Raumtemperatur die Gänsehaut als Erpelpullover aufstellt. Auf dem Höhepunkt der Zeremonie zeigt sich der Gott besänftigt speit Wasser auf die heißen Steine.
Jetzt beginnt für Zawadzki, der bei Temperaturen kurz unter dem Siedepunkt und jeder Menge heißem Dampf noch immer unter den Kostüm des Schamanen steckt, die Hauptarbeit. Gekonnt und mit selbst erarbeiteten Tricks, die er seit Januar in täglich mehrstündigem Training einstudiert hatte, wirft er die großen Saunatücher durch die Luft, lässt sie um seine Finger wirbeln und verteilt so die Aromen und die Hitze.
Während Otto-Normalbürger nach so einer Anstrengung auf der Intensivstation aufwachen würde, musste Zawadzki die Show sogar zweimal vorführen. In der Vorrunde setzte er sich erst gegen Deutschlands 24 Beste ihrer Zunft durch und im Finale ließ er dann die sieben restlichen Handtuchwedler hinter sich.
Jetzt kommt die Weltmeisterschaft
„Der erste deutsche Aufgussmeister aus Mitteldeutschland“, freut sich Andreas Menger über den Ritterschlag für seine Meri-Sauna. Allerdings hat das auch seinen Preis. Im September muss Menger in Markranstädt ein paar Tage ohne seinen Star auskommen. Als Deutscher Titelträger ist Kacper Zawadzki für die Weltmeisterschaften qualifiziert, die vom 9. bis 15. September im holländischen Bussloo stattfinden.
Für Menger und das Meri-Team ist das allerdings kein Problem, mal ein paar Tage ohne ihren Meister auszukommen. In der Saunalandschaft am Kulki gibt’s schließlich auch andere Neuerungen, die Gäste anlocken. Ab August wird hier ein „Banja-Ritual“ eingeführt. Man möchte kaum glauben, wie viele Besucher jetzt schon drauf scharf sind, sich mit Birkenruten mal richtig gepflegt verdreschen zu lassen.
Klatschen in der Sauna
Weniger brachial, dafür mindestens genauso laut, wird es künftig im Ruhehaus der Saunalandschaft zugehen. „Klatschweiber“ heißt das Event, das Gruppen von bis zu 10 Frauen mieten können, um dort gemeinsam ihre genetischen Veranlagungen multiverbaler Kommunikation pflegen zu können. Haben sie genug geklatscht, werden sie von dienstbeflissenen Paginnen und Pagen abgeholt und einem auf die Ansprüche der Damenwelt abgestimmten Verwöhnprogramm zugeführt.
Noch ’ne heiße Bühne
Und pünktlich zum 15. Geburtstag der Meri-Landschaft hat der Chef schließlich noch eine Überraschung aus dem Sack gelassen. „Wir planen aktuell die Errichtung einer weiteren Sauna“, gibt Andreas Menger bekannt. Sein Meisterwedler gerät bei dieser Aussicht ausnahmsweise schon ins Schwitzen, wenn er nur daran denkt.
3 Kommentare
Okay, jetzt wird mir einiges klar. Ich habe mich immer gewundert, warum meine Frau unbedingt mit will, wenn ich in die Sauna gehe. Sie hat wohl Angst, dass ich mir auch einen wedeln lasse. Ich muss ihr heute Abend unbedingt den Artikel zu lesen geben, damit sie das richtig versteht.
Super, auf den Punkt gebracht. Viele liebe schwitzige Grüße Andreas
Darum wird ja eine Sauna auch aus Holz gebaut. Opel zum Beispiel hat erst viel zu spät herausgefunden, warum beim Manta zuerst die Türen rosten. Der Achselschweiß …
Und viele Menschen scheitern bei Kreuzworträtsel an der Frage: Seltene Flüssigkeit mit 14 Buchstaben. Beamtenschweiß …