Gutenberg – unser IT-Nerd sagt „Katastrophe“ dazu

Freude im Advent! Am Freitag wurden wir mit einer digitalen Nachricht überrascht. „Herzlichen Glückwunsch!“, heißt es darin. Und weiter: „Ihr WordPress wurde erfolgreich auf Version 5.0 umgestellt. Ab sofort können Sie den neuen Gutenberg-Editor nutzen!“ Was wie der Schritt in ein neues Zeitalter klingt, entpuppte sich aber als mediale Katastrophe. Für die Markranstädter Nachtschichten wäre damit beinahe das Ende einer Ära eingeläutet worden. Fürs Erste sind wir aber dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen.

Bevor Sie weiterlesen: Der Gutenberg-Editor ist ein Programm für Blogger und kein Gesetz für die Umwidmung gleichnamiger Hotels. Aber auch für Blogger erschöpfen sich an diesem Punkt sämtliche Hoffnungen.

Das damit verbundene Ende lieb gewordener Gewohnheiten (unser IT-Nerd sagt Handling dazu) beginnt mit einer Lüge. Von wegen „Ab sofort können Sie den neuen Gutenberg-Editor nutzen!“ Von können kann hier keine Rede sein. Man muss ihn nutzen, es bleibt keine andere Wahl. In übertragenem Sinne wird man hier zum Fortschritt gezwungen!

Im Grunde genommen ist es genauso wie damals, als die GRÜNEN an der Regierung waren und uns aus lauter Dankbarkeit für das geschenkte Vertrauen mitteilten: „Herzlichen Glückwunsch! Sie dürfen ab heute Öko-Steuer bezahlen!“

Oder wie damals, als die internationale Finanzmafia den Zahlungsverkehr vereinfachte, indem sie uns eine 22-stellige IBAN aufzwang. Das alles natürlich nur zu unserem Besten. Lässt sich ja auch viel besser merken, so eine Zahl mit 22 Stellen. Die Banker kommen bei ihren Gehältern schließlich auch nicht umhin.

Fortschritt und Wachstum

Auch das Problem mit dem neuen Gutenberg-System liegt in seiner überzeugenden Einfachheit, die das Leben leichter und vieles besser macht.

Viele der bislang eingesetzten Werkzeuge (unser IT-Nerd nennt sie Tools) funktionieren jetzt nicht mehr (unser IT-Nerd sagt dazu, sie würden nicht mehr funzen).

Das wars dann mit drei Spalten, Farben und Co. Wir sind mithin zur Rückkehr (unser IT-Nerd nennt das Downgrade) zur alten Schiefertafel mit Schreibgriffel verdammt (unser IT-Nerd nennt es, einen Old-School-Content auf den Desk loaden).

Es wird sich also (irgendwann demnächst) optisch einiges ändern für die Leserschaft der Markranstädter Nachtschichten. Das ist umso bedauerlicher, als Veränderungen im Zweistromland zwischen Floßgraben und Zschampert schon aus grundsätzlichen, ja genetisch vererbten Erwägungen von Zweifeln und Ablehnung begleitet werden.

Die Angst vorm Atomkrieg

Ein neues Erscheinungsbild, das ist in Markranstädt nicht Fortschritt, sondern das Ende! Nicht ohne Grund wagen es die PR-Profis der Stadtverwaltung schon seit Jahren nicht, die neue Webpräsenz ins Netz zu stellen. Längst ist sie fertig und lauert darauf, aufs World Wide Web losgelassen zu werden. Doch bei jedem Startversuch kommen den Machern nur Millimeter vorm Button immer wieder Zweifel, als würden sie mit dem Drücken des roten Knopfes einen nuklearen Erstschlag auslösen.

Getrieben von dieser Angst haben auch wir intensiv nach friedlichen Lösungen zu einer Beilegung des drohenden Leser-Konflikts mit konservativen Mitteln gegoogelt. Und siehe, unser IT-Nerd ist fündig geworden. Man kann ein Spezialprogramm (unser IT-Nerd sagt Plugin dazu) installieren, damit den untauglichen Gutenberg-Editor (unser IT-Nerd sagt GroKo dazu) deaktivieren und mit der alten Schiefertafel (er nennt sie TinyMCE) weiterarbeiten.

Die Zugriffsdaten auf dieses Programm sind beeindruckend: 800.000 Downloads allein in den letzten 22 Stunden! Und das nur auf die deutschsprachige Version! Es scheint, als bestünde die fortschrittliche Internetgemeinde vorwiegend eben doch aus konservativen Hinterwäldlern, die sich auch mit Markennamen wie Gutenberg nicht hinter ihrer gewohnt warmen QWERTZ-Tastatur hervorlocken lassen, auf der schon Traudel Junge Hitlers Testament abgetippt hat.

Wie lange diese Alternative jedoch funktioniert, steht in den Sternen. Der Fortschritt ist bekanntlich nicht aufzuhalten. Das war schon bei Einführung der IBAN so, hat sich durch die neuen E-Autos (die ihren Strom aus Kohlekraftwerken beziehen) nicht geändert und wird auch nach Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs so bleiben.

Es wird nicht so bleiben

Man wird uns eines Tages zwingen, auf Gutenberg umzusteigen, weil solch altmodische Editoren wie unser lieb gewordener „TinyMCE“ mit dem steten Wachstum nicht mehr mithalten können. Vom Rückschritt überholt, sozusagen.

Dann erscheinen die Markranstädter Nachtschichten wieder schwarz-weiß und die Leser müssen sich die Sütterlin-Schrift von ihren Omas und Opas übersetzen lassen. Bereiten Sie sich bitte schon mal darauf vor. Die Großeltern-App, das letzte analoge Tool in unserer digitalen Wachstumsgesellschaft, sollte man gut pflegen. Unser IT-Nerd sagt supporten dazu.

Übrigens: Wissen Sie, wie die Überschrift im Titelbild lautet? Wir sind auf Ihre Antworten gespannt!

 

7 Kommentare

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    • Lutz Stephan auf 11. Dezember 2018 bei 11:13
    • Antworten

    Versucht es doch auch einmal mit dem Classic Editor:

    https://wordpress.org/plugins/classic-editor/

    Vielleicht ist er besser als die alte Schiefertafel (TinyMCE).

    1. Ähm … den benutzen wir auch (nach wie vor). Zumindest hat das unser IT-Nerd grade bestätigt. Er hat nur den Begiff TinyMCE verwendet, weil der so unheimlich viel technischer klingt als Classic Editor und der gemeine Leser sowieso nicht weiß, worum es geht und was das ist. Die Darstellung der Rolle der Bedeutung mit möglichst undefinierbaren Begriffen scheint den digital denkenden IT’lern in die Wiege gelegt. Seine Mutter ist Femalemanager of Roomcleaning, sein Vater war Vice-President of Content for Facility-Org. Was willste da sagen? Trotzdem vielen Dank für den Tipp. Wir ziehen ihm das vom Gehalt ab 😉

    • Biker auf 10. Dezember 2018 bei 9:29
    • Antworten

    Die Überschrift konnte ich noch problemlos lesen, aber selbst so schreiben wage ich mir nicht. Euer IT-Nerd gefällt mir sehr gut, und ich teile seine Ansichten, soweit ich diese als Laie begreife!

    1. Uns gefällt er auch. Wenngleich er im Alltag sogar ohne Stromausfall völlig hilflos ist. Das ist ein Nerd noch von echtem Schrot und Korn. So richtig mit schwarzer Hornbrille und Seitenscheitel und wohnt mit Mitte 30 noch bei Mutti. Wenn er zur Grillparty lädt, bekommt der Begriff Hunger für seine Gäste eine völlig neue Dimension. Der Rost als Desk, der Beistelltisch als Content, Grillzange und Messer sind Tools und Ketchup bzw. Senf fungieren als Plugins. Am Ende gibts dann ein Update auf Thüringer 2.0. Die kommen als Zip direkt aus der Dose 😉

    • Ute Weigand-MÜnzel auf 10. Dezember 2018 bei 8:06
    • Antworten

    Natürlich: Dem Tod von der Schippe gesprungen
    Toller Artikel, Glückwunsch!

    1. Danke und willkommen im Club! Das wäre doch mal eine Geschäftsidee für die Zeit nach dem Renteneintritt – also je nach Regierung so zwischen dem 67. und 83. Lebensjahr. Ein Übersetzungsbüro Sütterlin-Latein / Latein-Sütterlin. Die Kids stehen Schlange, wenn es um die Deutung von Omas Betriebsanleitung für das Anzünden von Briketts geht.:-)

    • Wolfram Friedel auf 9. Dezember 2018 bei 22:08
    • Antworten

    Bei so vielen Begriffen kommt mein Hirn nicht mehr nach. Aber die Überschrift konnte ich noch lesen Diesem Gevatter bin ich schon einmal von der Schippe gesprungen. Muss ich mir langsam Sorgen um meine Ansichten machen?

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