Vater unser im Präsens: Drei Pfarrer rocken die Kirche

Die Kirche war früher bekannt dafür, ihren Schäfchen mit so manchen Qualen zu drohen. Höllenfeuer, freiwillige Bekenntnisse auf der Streckbank, Zündeln mit Frauen und so weiter. Aber das Quälen ist – trotz Reformation – noch nicht vorbei. Als ob es am Samstag im Veranstaltungskalender zwischen Kulkwitz (OpenAir) und Räpitz (70 Jahre Fußball) nicht ohnehin schon dicke genug zugeht, setzt die Kirche mit der Qual der Wahl noch einen drauf. „The Black Holes“ kommen in den Pfarrgarten nach Schkeitbar. Ein wahrer Ohrenschmaus.

(Pressefoto: schwarzeloecher.de)

Nein, es sind nicht die drei Tenöre und auch nicht die drei Fragezeichen. Drei sächsische Pfarrer sind es, die sich als schwarze Löcher getarnt zu einer Band formiert haben und seither musizierend durch das Land ziehen.

Im Mittelalter hätte man das dreiköpfige kulturelle Problem aus Sachsen wahrscheinlich längst auf dem Scheiterhaufen gelöst. Rockmusik und Blues in der Kirche, zudem noch zu Texten von Martin Luther – ein Sakrileg.

Aber wir leben nicht mehr im Mittelalter. Die Erde ist rund, sie dreht sich und Martin Luther ist spätestens seit 1648 überall salonfähig. Jetzt also auch in der Rockmusik.

Luther als Rock-Poet

Multiinstrumentalist und Sänger Henning Olschowski ist im wahren Leben Gemeindepfarrer in Mutzschen, Schlagzeuger Michael Leonhardi verdient als Seelsorger im Uniklinikum Dresden seine Brötchen und Bassgitarrist Hans Rummel hält als Gemeindepfarrer seine Schäfchen in Plauen zusammen. Vereint als „The Black Holes“ zelebrieren sie eine unterhaltsame Art Gemeindegottesdienst, der generationsübergreifend ankommt.

Während die Risiken (gerissene Saite, vergessener Text) überschaubar sind, haben es die Nebenwirkungen jedoch in sich. The Black Holes erreichen mit ihrer Art, liturgische Teile des traditionellen evangelischen Gottesdienstes aufzunehmen und zu ersetzen, nicht nur das ebenso traditionelle, vom Aussterben bedrohte Publikum, sondern auch junge Menschen.

Wider dem demografischen Wandel

Wer mal zu spät zu einem Gottesdienst kam, der weiß, was gemeint ist. Man öffnet leise die Tür und statt Weihrauch fährt einem ein aromatischer Mix aus Mutterboden und 4711 in die Nasenlöcher. Und beim Blick zum Altar über die Häupter der Gemeinde hinweg hat man den Eindruck, als wiege sich da im Takt der Psalme ein Baumwollfeld sanft im lauen Herbstwind.

Wohl deshalb spricht man bei einer vom Druck des demografischen Wandels geprägten Gemeinde von Schäfchen. Bei den Black Holes ist das anders. Da erinnert sich plötzlich auch die Jugend ihrer christlich-abendländischen Wurzeln. Dem Zuspruch der jungen Generation entsprechend, hat sich das einst als „Die Schwarzen Löcher“ gestartete Trio dann auch in „The Black Holes“ umgetauft. Als Pfarrer darf man das.

Die Texte aber bleiben (vorwiegend) deutsch und deshalb ist das Repertoire der Band nicht nur in musikalischer Hinsicht ein Ohrenschmaus. Lassen beispielsweise Titel wie „Vater unser im Präsens“ zunächst einen religiös geprägten Seitenhieb auf was auch immer vermuten, weicht die satirische Erwartung dann schnell einem Wechselbad aus Staunen und Nachdenklichkeit.

Aber gerade deshalb bleibt es trotzdem eine Qual. Also nicht die Musik, sondern die Entscheidung, ob man am Samstag dem Mainstream folgt und sich in Seebenisch „City“ anhört oder die Neugier siegen lässt und zwei Kilometer weiter einen außergewöhnlichen musikalischen Höhepunkt mit „The Black Holes“ erleben will.

Die Qual der Wahl

Was die Terminierung des Ereignisses angeht, hätte Luther wohl gesagt: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“. Also dann hängen Sie am Samstag mal Ihr Herz an die richtige Stelle. Entweder ab 17 Uhr im Pfarrgarten Schkeitbar oder ab 19 Uhr beim OpenAir in der Alten Gärtnerei. Vielleicht passt ja beides und die Allee von Schkeitbar nach Seebenisch wird in den frühen Abendstunden zur Pilgerroute? So nach dem Motto: Hier geh‘ ich nun, ich kann nicht anders…

 

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