Vor allem bei(m) Vögeln gilt: Das Leben wird immer billiger. Weil die Inflation – angeblich – gerade am Sinken ist, sind einige Händler offenbar gezwungen, neue Strategien zu testen, um über die Runden zu kommen. Nachdem sich Banken mit Negativzinsen oder die Bundesregierung mit Sondervermögen wenigstens noch die Mühe machten, ihre Raubzüge beim gemeinen Plebs mit alternativen Begriffen zu verschleiern, versucht es der ostfriesische Nippes-Konzern Wreesmann jetzt ausnahmsweise mal mit der Wahrheit. Ein sehr sympathischer Zug.
Weil Brot von gestern oft nur noch zum halben Preis an den Mann gebracht werden kann, hat ein findiger Bäcker aus Bayern eine ganz neue Idee geboren: Er verkauft Brot von morgen – zum dreifachen Preis.
In der Regel funktioniert es aber andersrum. Konditioniert durch immer neue Sonderangebote mit immer niedrigeren Preisen, muss der Konsument gar nicht mehr auf die Differenz zwischen den durchgestrichenen Wucherforderungen der angeblichen Konkurrenz und den Sonderofferten vor Ort schauen. Was rot ist, das ist der Sparpreis und der ist unschlagbar! Wozu sollte man da noch den Taschenrechner auspacken?
Für alles was mit Vögeln zu tun hat, zeigt der Mensch traditionell nicht nur enormes Interesse, sondern ist auch experimentierfreudig und deshalb finanziell großzügig. Weil es dahingehend rund um Lützen keinerlei Dienstleistungskultur gibt, herrschen dort ideale marktwirtschaftliche Voraussetzungen für die Etablierung eines solchen Angebotes. Die Nische ist so groß wie das Berliner Regierungsviertel.
Und so gab es in dieser Woche bei Wreesmann in Lützen eine Tüte gefüllt mit 2,5 Kilo Sonnenblumenkernen zum absoluten Kracher von nur 4,99 Euro.
Nur auf den ersten Blick mag es so erscheinen, als hätten die Kalkulatoren der ostfriesischen Handelskette dabei ganz heiße Murmeln auf ihrem Abakus hin und her geschoben.
Gut für die Prostata: Sparzulage von 25 Prozent
Immerhin kosten zweieinhalb Kilo dieses Sattmachers für Gefieder, das übrigens auch für die Prostata von Leistungssportlerinnen gut sein soll, eigentlich sage und schreibe 3,99 Euro.
Die Erklärung hat ein Markranstädter Kunde zur Hand. „Alles was mit Vögeln zu tun hat, wird immer teurer“, sagt er und führt die Preisentwicklung bei Kondomen als Beispiel an. „Da kostet so ein Mondo inzwischen schließlich auch schon einen Euro und wird trotzdem noch als Gummifuffzscher bezeichnet.“
Klingt logisch. Wenn Mondos inzwischen doppelt so teuer sind, kann ein Plus von lächerlichen 25 Prozent bei Sonnenblumenkernen erst recht als Sparpreis geadelt werden. Wahrscheinlich verhält es sich hier wie mit dem Gas und dem Öl: Der Preis der Pariser ist an den Preis des Futters von Vögeln gekoppelt. Und endlich wird das von Angela Merkel einst gepriesene Minuswachstum auch für den Normalbürger greifbar.
Gut zu Vögeln
Dass ausgerechnet Kunden aus Markranstädt an diesem Wirtschaftsaufschwung nicht beteiligt sind, liegt allerdings nicht daran, dass sie dieses Finanzkonstrukt vielleicht durchschaut hätten. Vielmehr ist der Weg zum Ziel der Grund. Wenn der homo marcransis nämlich nach Lützen mäandert, kommt er an Feldern vorbei, auf denen gerade Millionen von Sonnenblumen mit ihren Früchten locken. Angesichts dieses Paradieses schafft’s nicht jeder über den Floßgraben, der gut zu Vögeln sein will.
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