Will man den vielfältigen Verlautbarungen Glauben schenken, hat Markranstädt am vergangenen Sonntag einen neuen Stadtrat gewählt. Aber mit dem Glauben ist das so eine Sache. Wie heißt es doch gleich? Wer viel weiß, muss nicht alles glauben. Blicken wir also mal mutig hinter die Zahlen und stellen gemeinsam fest: Die Mehrheit des homo marcransis hat nicht einen Stadtrat, sondern ganz bewusst keinen Stadtrat gewählt. Wozu auch?
Bei den folgenden mathematischen Operationen dürfen Sie Ihre Finger ruhig auf der Tischplatte liegenlassen. Sie können getrost glauben, was wir Ihnen da zusammengerechnet haben.
Insgesamt waren in Lallendorf 13.253 Mitmenschinnen und Mitmenschen an die Urne gerufen worden. Allein 4.173 davon sind trotz aller Versprechungen wie Bierpreisbremse, Döner den Deutschen oder Abtreibungsverbot auf dem Kulki gar nicht erst hingegangen.
Mithin blieben lediglich 9.116 Leute übrig, die ihre Neigungen zu Origami durch das Zusammenfalten von Denkzetteln ausleben wollten. Nach dem neuen deutschen Dreisatz (Habeck plus Lindner durch Scholz) macht das gerade mal noch 68,78 Prozent.
Denkzettel falten
Doch selbst von denen haben die Wenigsten einen neuen Stadtrat gewählt. Um genau zu sein: Satte 5.544 Stimmen haben sich grundsätzlich gegen die Wahl dieses Gremiums gerichtet. Mindestens!
Wie diese Zahl zustande kommt und was dahintersteckt, haben die Markranstädter Nachtschichten zunächst nüchtern analysiert, dann allerdings nicht mehr ganz so nüchtern in Worte fassen können. Es fehlt also noch der letzte wissenschaftliche Beweis für die folgende These.
Nüchterne Mathematik
Die 5.544 Stimmen gegen die Wahl eines neuen Stadtrats ergeben sich aus der Formel x + y = z. Wenn wir nun für x die Stimmenanzahl des am meisten gewählten Kandidaten einsetzen und für y die Votes für die am zweithäufigsten gelikte Bewerberin, kommt man nach Addition von 3008 und 2.536 auf genau jene 5.544 Stimmen. Aber warum sind das eigentlich Gegenstimmen?
Je t’aime: Wer wählt wen und vor allem: Warum?
Beginnen wir mit den Kreuzen für Mister X. Der hat zwar offiziell schon eine halbe Legislatur im Markranstädter Stadtrat hinter sich, aber auf seinem erkalteten Stuhl im Ratssaal zeichnet sich ein Stillleben mit Staubschicht und Spinnweben ab. Bei aller Kritik aus den Lagern seiner Gegner: Dass er sein Mandat einfach ausgesessen hat, kann man da wahrlich nicht behaupten.
Böse Zungen wollen allerdings wissen, dass das an seinem kaputten Navi liegt, ohne das der Politiker mit westelbischem Migrationshintergrund, der quasi im Vorgarten von Helmut Kohl aufgewachsen ist, selbst nach Jahren erfolgloser Integration weder den Ratssaal noch eine der Markranstädter Ortschaften findet.
Mister X: Der wo nie da ist
Aber was soll er auch machen angesichts der auf seinen Schultern drückenden Doppelbelastung durch Bundestag und Stadtrat? Da muss man Prioritäten setzen und kann der Lallendorfer Duma eben nur noch ab und zu mal einen Besuch abstatten.
Und diese Stippvisiten drohen jetzt, da er auch noch in den Kreistag gewählt wurde, noch seltener zu werden. Die Markranstädter Wähler haben das gewusst. Dass sie ihn trotzdem gewählt haben, ist ein klares Votum für den Wählerwillen: Wir brauchen keinen Stadtrat vor Ort!
Frau Y: Ehrlich währt am Längsten
Wieviel erfrischender erscheint dagegen die Kandidatur von Frau Y. Hier war von vornherein klar, dass sie ihr Stadtratsmandat nicht annehmen wird. „Ähnlich wie bei der Kandidatur von Oberbürgermeister Matthias Berger für die Freien Wähler in Grimma sehen die Freien Wähler Markranstädt die Chance für ein verändertes Mehrheitsverhältnis…“, ließ der Sprecher ihrer Liste schon im März wissen.
Heißt also: Ebenso wie ihr großes Vorbild trat Y lediglich als Stimmenfängerin an. Nicht einmal sie selbst hat ein Hehl daraus gemacht und ließ alle, die es hören wollten, schon im Vorfeld via LVZ wissen, dass sie das Vorgehen „als legitimes Mittel, sich notwendige Mehrheiten zu beschaffen“ betrachtet. Das ist ehrliche Kommunalpolitik, auch wenn das Ziel der Errichtung einer legislativen Monarchie um acht Sitze hauchdünn verfehlt wurde. Ihr Mandat wird sie aber wohl trotzdem nicht annehmen.
Aber das hat der Markranstädter Wähler vorher gewusst – und mit ihr trotzdem eine Kandidatin für den Einzug in die vierte Etage gewählt, die dort gar nicht einziehen wird. Und da will die Lügenpresse in der Tat noch ernsthaft behaupten, die Markranstädter hätten einen neuen Stadtrat gewählt, wo sie doch Leute wählten, die nicht drin sitzen werden?
Dass es am Ende trotzdem wieder 22 Leute getroffen hat, die Monat für Monat wertvolle Lebenszeit im Ratssaal verbringen müssen, ist wohl ebenfalls eher dem Glauben als dem Wissen zuzurechnen.
Sitzungsgeld als Mietzuschuss
Wenn die Neuen erst mal dahinterkommen, dass das Sitzungsgeld in Höhe von 31 Euro nicht einmal die Miete ausgleicht, die zu Hause derweil unbarmherzig weiterläuft, werden sie sich noch wünschen, den Fahrstuhl hinauf in die vierte Etage nie betreten zu haben.
MAF’s für die Ukraine
Und was können sie dort überhaupt ausrichten? Für bezahlbaren Wohnraum sorgen vielleicht, wo es die dafür erforderlichen Fördermittel nur für die drei Städte Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig gibt? Oder ein Hotel schließen, für dessen Betrieb sich der Landkreis eines ehemaligen Geheimdienstes bedient? Oder sich gar für die Lieferung von drei Einsatzfahrzeugen des Typs MAF an die Ukraine einsetzen, um auch von Markranstädt aus endlich ein Zeichen für Frieden in Europa zu senden?
Mexit oder Blumenbeet?
Natürlich könnte auch endlich mal die Frage des Austritts der Stadt Markranstädt aus der EU gestellt werden, der Mexit sozusagen. Die Ranstädter Mark ist als neue Währung schließlich schon seit Jahren in aller Munde.
Doch offenbar hat der homo marcransis eher befürchtet, dass es statt dessen auch in der kommenden Legislatur wieder nur um Kompetenzgerangel bei der Farbauswahl der Stiefmütterchen gehen könnte, die zur nächtlichen Erbauung pubertärer Bettflüchter auf dem Alten Friedhof gepflanzt werden.
Generalstab ohne Armee
Das ginge allerdings nur, wenn dann im Rathaus auch noch jemand da ist, der die entsprechende Beschlussvorlage ausarbeiten kann und es noch Mitarbeiter gibt, die dieses bunte Zeichen einer aufstrebende Stadt in die Rabatten stecken können. Den Wählern indes war es wichtiger, dass eben auch mal jemand von draußen draufguckt. Auch wenn es durchaus was zu tun gäbe für einen neuen Stadtrat – und sei es nur in Sachen Stiefmütterchen.
16 Kommentare
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In Markranstädt ist eben wirklich ALLES möglich.
Da wird man mit Ansage verarscht und greift noch freudestrahlend mit beiden Händen kräftig zu.
Aber so ist das wohl mit dem gemeinen Protestwähler. Hauptsache dagegen.
Jetzt kann man sich ja wieder hinlegen und von Zeit zu Zeit meckern, wie bescheiden das alles in Markranstädt läuft und was die da oben wieder alles nicht auf Reihe kriegen.
Danke für den pointenreichen Beitrag und toi toi toi den mündigen Bürgerinnen und -außen.
Dafür seid ihr selbst verantwortlich.
Genau ins Ziel getroffen. Danke. Wie erwartet erlischt auch das letzte Fünkchen Hoffnung noch, dass sich mal etwas mehr als Vereinsleben in M. entwickeln könnte. In M. kommt politisch keiner zum Zug – nicht mal den auf Schienen. Den Stadtrat kann man schließen. Jetzt kommt der noch weniger zu Lösungen – auch in Form von Kompromissen – als je zuvor.
Muss denn hier überhaupt jemand politisch zum Zuge kommen? Markranstädt ist ein Dorf, da sollte allein die Vernunft reichen.
Zumindestens formal gesehen sind wir eine Kleinstadt. Darauf wird hier mancherorts viel Wert gelegt. Die Bezeichnung Stadt und das kleine steinerne Monument auf dem Kreisel soll den großen Nachbarn auf ausreichend Abstand halten. Wenn die Stadt Leipzig den Homo macransis erst unter ihre Fittiche nimmt, wird der Außenbezirk Lallendorf wohl noch schlechtere Verwaltung erfahren als jetzt.
Was Ihr hier aufgeschrieben habt, waren so ziemlich genau meine Gedanken nach dieser Wahl. Jetzt haben vor allem die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Wahlkampfstrategen eine neue Aufgabe. Deren Annahme, dass es sich bei Kommunalwahlen um eine Personenwahl handelt, wurde in Markranstädt klar widerlegt. Das hat sogar die Qualitätspresse erkannt, die am Dienstag schrieb: „In Markranstädt haben Wahlstrategien ihre eigenen Gesetze.“ Wie wahr.
Wir haben uns schon immer gefragt, wer in Markranstädt die Holzmedien noch liest. Sie sind das also.
Vielen herzlichen Dank für die nähere Betrachtung der anderen Medaillenseite.
Es lohnt sich auch, noch einen Blick auf Frau Z zu werfen. Sie passt genial in die satirisch wertvolle Reihe, weil sie es in der ganzen letzten Legislaturperiode geschafft hat, nur einen einzigen Satz zu sagen. Und zwar: „Er (Mister X) telefoniert gerade“ Auch sie sitzt wieder im Stadtrat, fragt nichts, stellt keine Anträge und nervt nicht.
Super, dass Ihr in gewohnt edler Absicht dem gemeinen Leser diese Ergänzung ermöglicht habt. Weiter so!
Fragt nichts, stellt keine Anträge und nervt nicht – genau das sind doch aber die Merkmale eines echten Sympathieträgers (im Gegensatz zu den stets Sendungsbewussten, die eine halbe Stunde lang reden ohne was dabei zu sagen). Solange solche Volksvertreter keinen Ermüdungsbruch im Abstimm-Arm erleiden, ist doch alles gut. Dass man aus der reichhaltigen Auswahl der drei Abstimmkarten auch mal die falsche Farbe ziehen kann, sollte man allen Volksvertretern nachsehen. Ihre Wähler stellen schließlich hinterher auch regelmäßig fest, dass sie sich an der Urne in der Farbe vergriffen haben.
Eine rechtlich legitimierte Wahlfälschung im Jahr 2024. Nach der Kommunalwahl 1989 hätte das keiner mehr für möglich gehalten.
Geht doch, aber nicht nur in Markranstädt – heute noch schlimmer. Denn die Wähler fälschen jetzt selbst die Wahl.
Die Wähler wählen die Kandidatin Y, obwohl sie wissen, die zieht nach ihrer Wahl zurück.
Die Stimmen jedoch verbleiben in der Wählervereinigung.
Welche Personen dann die Stimmen bekommen ist den Wählern egal.
Fest steht, die Stimmen bekommen die Kandidaten, die die Wähler gar nicht gewählt haben. Das klingt kompliziert geht aber ganz einfach.
Gehört habe ich mal, die Kommunalwahl ist eine Personenwahl. Wird die Wahl in diesem Fall zu einer Wählervereinigung – Wahl?
Zum Glück wussten die Kommunisten in der DDR nicht, dass es in einer Demokratie viel leichter ist, Wählerstimmen von einem Kandidaten zu einem anderen Kandidaten nachträglich zu verschieben. Die DDR wäre deswegen zur Demokratie gewechselt, nein das könnte ich mir nicht vorstellen. Oder doch?
Nun gut, wen interessiert ’s. Seit gestern tobt der kugelrunde Fußball – Bär.
Da ist Alles Andere doch bloß Schnee von gestern.
Seid nicht traurig MN, wenn wenig Kommentare kommen. Der Fußball-Bär tobt.
Sie haben es ja selbst erkannt: Es war nicht alles schlecht! Sogar die machtvollen Kundgebungen für ein Bekenntnis zur Nationalen Front sind im Vorfeld dieser Wahlen wiederauferstanden aus Ruinen. Es wird alles wieder gut – braucht eben nur seine Zeit.
MN satirische Sicht auf die Stadtratswahl ist nicht zu toppen. Es bleibt nur eine kleine angreifbare Stelle, das politisch unmusikale. Klingt es nicht schief, wenn die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl in Frage gestellt wird? Darüber hinaus sind im neugewählten Stadtrat spannende Abstimmungen durch die Pattsituation von CDU/BfM versus FWM/AfD zu erwarten. Der Platzhirsch, wie die CDU in den Qualitätsmedien bezeichnet wurde, muss sich mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ SPD abstimmen. Die Demokratie lebt vom Kompromiss!
Also eine Jamaika-Groko in Markranstädt? Das ist in der Tat eine ernst zu nehmende Bedrohung. Aber es hat sich ja bereits angekündigt, nur eben mit einer Wasserstoffleitung aus Leuna statt Nordstream 2 aus Sibirien. Und Sie meinen wirklich, der Markranstädter SPD-Chef hat das eingerührt, um nach seiner Abwahl dort Geschäftsführer zu werden? Sozusagen als Brauchtumspflege der Arbeiterklasse zum Erhalt SPD-Folklore? Für die Urheberrechte wären dann mindestens sechsstellige Tandiemen an Gerhard Schröder fällig.
Der letzte Absatz ist leider entscheidend. Beweist er doch das die markranstädter genau wissen was los ist. Wählen den der sowieso nie da ist und Markrans Markus Söder in weiblich. Da freut sich die übrig gebliebene Rumpftruppe im Rathaus, denn wenn der Stadtrat nix beschließt hat man für die Suche von Sachbearbeitern, Bereichsleitern, polizeibehördisten usw. noch ein Haufen Zeit. Schade nur für Social Media Abteilung, bei denen brennt das Licht länger, weil die Stellengesuch Posts bei Facebook immer länger werden.
Die einen sagen so, die anderen so. Manche meinen, dort wäre nur niemand mehr da, der das Licht ausschalten könnte.
Ja, wer braucht den Stadtrat wirklich? Werden die Probleme der Stadt damit gelöst? Ich glaube nicht mehr daran. Da fehlt es an der Pflege und Gestaltung der Grünflächen und Beete um das willkommen der Stadt zu zeigen. Auch sind die Gestaltung der Lärmschutzwände der Bahn mit ihren graffiti nicht sehr einladend. Es gibt den fehlenden Zugang für behinderte, Kinderwagen… zum Bahnsteig. Es gibt genügend Aufgaben, aber kein Konsens der Beteiligten unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten, die sicher nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Ich finde den Artikel sehr gut . Danke für die Beurteilung der Wahl oder besser nicht Wahl des Stadtrates.
Angeblich soll mindestens einer der neuen Stadträte wirklich froh über seine Wahl sein und will tatsächlich zu den Sitzungen gehen. Stand jetzt. Ob das allerdings auch so bleibt, wenn sein Scheidungsprozess durch ist und er wieder eine Wohnung hat? Und was den fehlenden Barrierefreien Zugang zum Bahnhof angeht: Sehen Sie das Glas mal halbvoll statt halbleer. Ein fehlender Zugang ist immer noch besser als gar keiner.