Nach verheißungsvollem Beginn fiel der satirische Spannungsbogen während der 33. Sitzung der Lallendorfer Knesset drastisch ab und kam bis zum Ende auch nicht mehr so richtig hoch. Jede Menge interessante Zahlen zwar, aber alles mehr was für den Kollegen der Qualitätspresse. Trotzdem gab es ein paar kleine Höhepunkte für die Mundwinkel.
So sichtlich erholt wie Jens Spiske, möchte man gern selbst mal aus dem Urlaub kommen. Er muss wohl irgendwo ein altes FDGB-Heim aufgetan haben. So richtig mit seinem Poster an der Wand, Kulturbeutel im Mininetz und Bügeleisen für die Sorgenfalten. Jedenfalls war er richtiggehend locker aufgeräumt.
Auch eine PGH „Friseur“ muss im Souterrian gewesen sein. Böse Zungen flüsterten zwar, dass sich der Anwalt in den Reihen der Freien Wähler nun mit dem Fall befassen müsse, aber angesichts der jüngsten Wahlergebnisse kann man die schnittige Frisur nur als zeitgemäß bezeichnen und dem Stylisten keinerlei Vorwurf machen.
Ein Top-Vorprogramm
Noch bevor die Veranstaltung eröffnet wurde, lief eine Videopräsentation über die Leinwand in der vierten Etage. Zum Glück zeigte sie nur Impressionen vom Frankenheimer Heimatfest. Hätte es sich um Aufnahmen vom Sachsen-Cup im (Durst-)Löschangriff am Kulki gehandelt, wären einige Motive für so manchen Darsteller sicher kompromittierender gewesen.
Für Unterhaltung vorm Anpfiff war also gesorgt. Aber da kam noch was. Als Stadtrat Ronald Gängel den Saal betrat, erhoben sich die Kulkwitzer Ortsvorsteherin Carmen Osang sowie die Erste Beigeordnete Beate Lehmann und schritten würdevoll auf ihn zu.
Die Monstranz aus dem Baumarkt
Vor sich her trugen sie, gleich einer Monstranz in der katholischen Kirche, einen Farbeimer. Das liturgische Arrangement zog unversehens die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Feierlich übergaben die Hohepriesterinnen des Markranstädter Polit-Tempels ihre Opfergabe an den Gewürdigten.
Hintergrund: In der Sitzung des Kulkwitzer Ortschaftsrates kritisierte Gängel jüngst den Zustand der Bushaltestellen und Sitzgelegenheiten im Ort. Beate Lehmann, die der Sitzung der Kulkwitzer Loge beiwohnte, pflichtete ihm dem Vernehmen nach wohl bei und verwies auf den Umstand, dass die gleiche Situation in Frankenheim durch Pinsel schwingende Ehrenamtler gelöst wurde.
Bunt ja bunt sind alle meine Bänke
Ob er sich diese Lösung auch für Kulkwitz vorstellen könne und sich dabei mit Vorbildwirkung tatkräftig einbringen würde, wollte Lehmann wissen. Gängel habe dies daraufhin bejaht, sofern man ihm „ordentliche Farbe“ zur Verfügung stellen würde.
Jo, genau die hat er kurz vor Eröffnung des 33. Spieltages in der vierten Etage nun bekommen. Freuen wir uns also schon mal über farbenfrohe Sitzlandschaften zwischen Ellern und Kippe.
Bürgerschweigestunde ohne Elan
Was danach kam, war zwar interessant, bot aber kaum satirischen Unterhaltungswert. Zudem hatte Bürger Manfred Schwung seinen Urlaub entweder ungeschickt geplant oder mit dem Bürgermeister nicht richtig abgesprochen. Jedenfalls fehlte er in den Reihen des Publikums und somit gab es auch lediglich zwei marginale Bürgerfragen.
Bürger Steckel (Linke) wollte den Planungsstand der Umgehungsstraße wissen und Bürger Schulze (Schnuddel) interessierte die gleiche Problematik in Sachen Radwanderweg durch den Pappelwald. Letzterer dürfte wohl mehr Befriedigung erfahren haben, liegt doch der Realisierungszeitraum bereits im kommenden Jahr. Bei der Umgehungsstraße rechnet man hingegen in Jahresdekaden.
Sirenengeheul
Während draußen das Sturmtief Xavier tobte, schritt man hoch droben in der vierten Etage alsbald zu gleich drei Punkten, die sich mit dem neuen Protonentherapiezentrum beschäftigten. War es ein Omen, dass genau in diesem Augenblick in Markranstädt die Sirenen heulten? Zumindest gingen die Beschlüsse glatt durch.
Dann kam „Haushalt, die Erste“. Frankenheims Ortsvorsteher Jens Schwertfeger hatte sich – das Votum einer Bürgerbefragung im Rücken – für eine baldige Realisierung der Planungen für eine verkehrstüchtige Priesteblicher Straße eingesetzt. Der ursprünglich avisierte Zeitraum ab 2022 war ihm zu spät.
Zwischen einer und zwei Millionen
Nun wurde sie in den Haushalt 2018/2019 aufgenommen. Also nicht die Straße direkt, sondern eher sowas wie eine Machbarkeitsstudie. Die Trasse darf nicht mehr als eine (Jens Spiske) oder zwei (Beate Lehmann) Millionen Euro kosten.
Mit seiner Million sah sich der Bürgermeister allerdings schon aus eigenem Antrieb im Abseits. „Da muss auch ich mich mal kritisch hinterfragen. Aber das tu ich gern.“ Wie gesagt: Es muss ein FDGB-Heim gewesen sein.
Dr. Ingrid Barche (Bürger für Markranstädt, BfM) beschwor hinsichtlich der Priesteblicher Straße geradezu gebetsmühlenartig eine „kreative Lösung unter Einbeziehung der Unternehmen vor Ort“.
Vielleicht hätte sie etwas deutlicher werden sollen, denn unter dem Begriff „Kutter“ könnte ein Friese in der Tat eher ein Fischereifahrzeug verstehen als eine Straßenbau-Firma. Krabbenfänger auf Asphalt – dazu brauchts zu viel Phantasie.
„Haushalt, die Zweite“: Als Silke Kohles-Kleinschmidt damit begann, auf die Eckpunkte des Etats 2018/2019 einzugehen, näherte sich der Stundenzeiger bereits dem Anpfiff des WM-Quali-Spiels zwischen Nordirland und Deutschland. Und spätestens seit ihren Ausführungen steht fest, dass die Kämmerin mit Fußball nichts am Hut hat. Geradezu aufreizend ignorierte sie den von der FIFA in Beton gegossenen Spielplan und packte seitenweise Zahlen auf den Tisch.
Satirische Magerkost
Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, dass die Fakten und Daten außerordentlich interessant waren. Nur eben satirisch leider kaum verwertbar.
So gut das Zahlenwerk auch aussah, hatte es doch einen Haken. Die Erste Beigeordnete hing dann den fehlenden Wurm dran und ließ einen eindringlichen Appell folgen. „Wenn der Freistaat an seiner Haushalts-Gesetzgebung so festhält, ist die Stadt Markranstädt auf Grund der Regelungen bei der Abschreibung ab dem Jahr 2022 nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen“, meinte Lehmann und bat alle politischen Kräfte, wann und wo immer möglich dagegen zu intervenieren.
Am Schluss wurde dann noch die LED-Beleuchtung der Bebel-Halle gegen die Sanierung von ein paar Gräben in den Markranstädter Latifundien eingetauscht und ein eigentlich nicht formgerechter Antrag Göhrenzer Bürger trotzdem behandelt.
Feiner Zug! Wirklich! Es ging da um Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und man wollte das berechtigte Anliegen der Einwohner dort nicht wegen irgendwelcher formellen Unzulänglichkeiten abschmettern. Hoffentlich macht diese Einstellung nachhaltig Schule.
Stühlerücken: Feng shui im Rathaus
Man mag’s kaum glauben: Der gemeine Plebs kam schlussendlich trotz allem pünktlich zum Länderspiel. Punkt 20:40 Uhr war der Zauber in der vierten Etage vorbei. Die Abgeordneten mussten allerdings noch bleiben. Was im Nichtöffentlichen Teil behandelt wurde, kann man nur ahnen. Die Chefin des Personalrats im Rathaus saß jedenfalls im Publikum und blieb auch dort. Auch wenn es deshalb mit Büromöbeln wenig zu tun haben kann, stand wohl zumindest ein satirisch nicht uniteressantes Stühlerücken an.
5 Kommentare
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Nachtrag
Panama Papers, Paradise Papers und Doppik scheinen ja undurchschaubare Wege zu sein, um mit Geld hin und her zu balancieren. Schade, dass beim Jonglieren zwei Millionen auf dem Feldweg nach Frankenheim gelandet sind. Na gut. Um trotzdem keine finanzielle Schieflage zu verzapfen, können halt die Eltern was drauflegen. Sie werden sich doch nicht unsozial, wie es einige Fraktionen des Stadtrats sagen, gegen die Herausforderungen der wachsenden Stadt und die Gebührenerhöhung stellen. Kaum auszudenken was wäre, könnte der Feldweg nicht zur ordentlichen Straße ausgebaut werden. Die Zukunft der Stadt stände in den Sternen. Aber darüber ist ja schon genug geschrieben. Ich lass es mal so stehen.
Laut Duden ist übrigens unsoziales Verhalten gegen die Interessen sozial Schwächerer gerichtet. Wer sich also für die Kinder einsetzt, ist auf keinen Fall unsozial.
Ich kann die Markranstädter in den Ortsteilen nur beglückwünschen. „Die“ haben Ortsvorsteher, die sich für deren Belange einsetzen und schier Unmögliches erreichen. „Die“ in der Kernstadt sind da schon etwas, sagen wir mal „beschissen“ dran.
In Frankenheim wird ein Feldweg zu einer Verbindungsstraße umgebaut, um auf dem Weg in die Kernstadt mit dem Auto 2km einzusparen. Und die Maßnahme wird noch dringlich durchgeführt. Klar, nach wie ursprünglich geplant 2022 ist die Knete alle („… ist die Stadt Markranstädt … ab dem Jahr 2022 nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen“).
In Göhrenz haben sich 66 Bürgerinnen und Bürger über Raserei ihrer übrigen Anwohner in der Tempo 30 Zone beschwert. Zur Lösung versprach der Bürgermeister zunächst weitere Geschwindigkeitsmessungen durchführen zu lassen und sich noch in diesem Jahr mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Ortsvorsteherin zusammen zu setzen, um Lösungsansätze zu diskutieren.
Und in der Kernstadt?
Tag und Nacht donnern tausende Fahrzeuge durch die Zwenkauer Straße und die Leipziger Straße. Fußgänger stehen wie Wegelagerer am Straßenrand um eine Lücke im Fahrzeugstrom zu erhaschen. Und es kommt wieder schlimmer. Ab 01.01.2019 dürfen die Autos dann wieder mit 50km/h durch Markranstädt rasen. Ab diesem Zeitpunkt ist die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung von 30km/h Geschichte. Aus und vorbei!
Und – kein Ortsvorsteher, keine Lösung. Nichts passiert um dies zu verhindern. Da können ja Markranstädts Lärmbekämpfer ab 2019 wieder von vorne anfangen.
Lichtblick war mal die Wahl des Bürgermeisters. Allein das versprochene Verkehrs- und Lärmkonzept fehlt ja noch immer. Aber er hat es, wie er mal sagte, im Kopf – das Konzept. Nur schade, dass es dort langsam ungehört verhallt.
Sie wissen aber schon, dass es sich bei der besagten Straße in der Kernstadt um eine Bundesstraße handelt? Bei der von Ihnen erwähnten Anliegerstraße in Göhrenz handelt es sich um eine kommunale Straße – hier sind die Möglichkeiten der Stadt natürlich deutlich größer als bei einer Bundesstraße. Bundesstraßen unterliegen der Verwaltung durch das Landesamt für Straßenbau und Verkehr.
Das nächste mal vielleicht erst denken und dann meckern …
Autor
Einspruch Euer Ehren! Der Mann/die Frau darf meckern. Er/sie hat sich das Recht dazu erworben, indem er/sie sich auch sonst mal nicht meckernd oder gar lobend zu Wort gemeldet hat. Andere tun sowas nicht oder wirklich nur dann, wenn’s was zu meckern gibt – und sei es mit Gemeckere über das Gemeckere.
Liebe MN-Redaktion,
endlich wieder Lach- und Sachgeschichten aus der vierten Etage. Heute mit einem Urbanpolitikpornographen welcher selbst einmal mittels Farbeimer bloßgestellt wird, einer Umgehungsstrasse ( das Wort „Umgehungsstrasse“ birgt an sich bereits Satirepotential), einer neuen Frisur und ….der Maus.
Moin moin,
heudde wa widda Klönstundä, is schon vobai.
Das war friesisch.