Freizeit in Trikots statt Dessous

Auch wir Frauen werden älter, wenngleich man uns das nicht immer gleich ansieht. Bei der SG Räpitz führte der biologische Alterungsprozess vor zwei Jahren dazu, dass nicht mehr genügend Spielermaterial für die Damenmannschaft zur Verfügung stand. Jetzt wollen die verbliebenen Amazonen neu durchstarten und suchen Mitstreiterinnen. Denn auch bei den Frauen gilt: Elf Freundinnen müsst ihr sein…

Im Land des mehrfachen Frauenfußball-Welt- und Europameisters ist diesem Sport längst kein Nischendasein mehr beschieden. Schienbeinschoner statt Strapse heißt es hier. Und ganz sicher werden die Räpitzer Damen im Einzugsgebiet Markranstädt auf der Suche nach Spielerinnen fündig werden.

Es gab aber Zeiten, da war das schwieriger. Noch um 1910 bestand die Disziplin Frauenfußball darin, dass die Damen züchtig gekleidet im Kreis standen und sich den Ball gegenseitig zuspielten. Das galt aber als unsittlich und war verpönt. Zumindest auf dem Festland.

Als aller Anfang noch schwer war

Auf der britischen Insel gab es bereits am 23. März 1895 das erste offizielle Spiel, das die Damen aus England-Nord gegen die Frauen aus England-Süd vor 10.000 Zuschauern mit 7:1 gewannen.

In Deutschland war das selbst 60 Jahre später noch völlig undenkbar. Erst regten sich die Sportgewaltigen darüber auf, dass die Mädchen dabei in kurzen Hosen aufliefen. Ein Unding. Als nach dem 2. Weltkrieg Hosen tragende Frauen zum allgemein akzeptierten Landschaftsbild zählten, mussten sich die Patriarchen was Neues einfallen lassen, um die Unsitte zu unterbinden.

Auf seinem Verbandstag 1955 beschloss der DFB, seinen Vereinen die Gründung von Frauenabteilungen zu verbieten. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“, hieß es zur Begründung.

Fußball: Gynäkologisch bedenklich

Um dem noch mehr Gewicht zu verleihen, ließ man sogar medizinische Expertisen sprechen, in denen Gynäkologen vor den unabsehbaren Folgen fußballerischer Betätigung für den weiblichen Organismus warnten.

Dieses Verbot seitens des DFB wurde erst 1970 teilweise aufgehoben. Da war man in der DDR längst weiter. Schon 1960 fand eine offizielle Begegnung zwischen Städteteams aus Leipzig und Dresden statt. Im Jahre 1968 wurde dann in der BSG Empor Dresden-Mitte das erste offizielle Frauen-Team Deutschlands aus der Taufe gehoben.

Mann, Frau oder Tisch decken?

Natürlich wurde da mitunter auch gewitzelt und gefrötzelt. Wenn der Trainer seinen Spielerinnen zurief „Decken!“, soll es schon mal vorgekommen sein, dass die Mannschaft auf der Suche nach Geschirr und einem Tisch geschlossen das Spielfeld verlassen hat.

Auch mit dem obligatorischen Tausch der Trikots nach Spielende waren vielerlei Fantasien verbunden, die sich allerdings nie erfüllten.

Wenngleich so manche Aktion damals rein motorisch etwas unbeholfen wirkte, hat keiner der Männer auf den Zuschauerrängen gelacht. Zumindest nicht laut.

Auch dann nicht, wenn eine Frau den Ball versehentlich mal in die Hand nahm und ins Tor warf. Immerhin war es die gleiche Hand, die nur Stunden später sein Essen umrühren würde und allein dieser Respekt gebot den nötigen Ernst.

In den 1980er Jahren kam der Frauenfußball auch in der Region zwischen Floßgraben und Zschampert an. Das erste Spiel fand, was Wunder, ganz in der Nähe von Räpitz statt. In Meuchen bildete ein Spiel zweier Damen-Teams den Höhepunkt eines Ortsfestes. Das lief damals eher noch unter dem Menüpunkt „Gaudi“.

Einerseits mussten die grazilen Amazonen mangels femininer Alternativen noch in Herren-Trikots auflaufen. Da lag sogar den überzeugtesten Legasthenikern mitunter deutlich vor Augen, dass Anette, Lisette oder Jeanette eigentlich mit Doppel-D geschrieben werden. Andererseits spielte man entgegen der damals üblichen Gepflogenheiten auf Großfeld.

Als Bremsen noch mechanisch war

Wenn da die linke Läuferin an der Mittellinie startete und kurz vor der gegnerischen Grundlinie Vmax erreicht hatte, bot allein der mechanische Vorgang des Bremsens alle Merkmale praktischen Anschauungsunterrichts in den Disziplinen der Biologie und Physik.

Wer allerdings glaubte, dass sich das Publikum vor Heiterkeit über die Traversen bog, sah sich getäuscht. Der Respekt für den Mut der Damen stellte das kabarettistische Potenzial klar in den Schatten.

Hier in der Neuzeit sieht der Damenfußball längst nicht mehr so altbacken aus wie zu Zeiten Beckenbauers. Aber es kommt ohnehin weniger auf Athletik an als auf den Spaß und etwas Sinn für Fitness.

Wenig später fand in Kulkwitz ein weiterer Höhepunkt statt. Vor rund 1.000 Zuschauern stieg hier in den 80ern das Leipziger Pokalfinale im Frauenfußball. Entsprechend der damals geltenden Regeln wurde es auf dem Kleinfeld zelebriert, was die Zahl der um die Parzelle versammelten Zuschauer fast doppelt so groß erscheinen ließ.

Damit war der Weg für die Entwicklung des Frauenfußballs in den Markranstädter Latifundien endgültig geebnet. Nach der Wiedervereinigung nahm sie richtig Fahrt auf. Was in der Herren-Bundesliga der FC Bayern ist, stellte in unserer Region die SG Räpitz dar: Seriensieger in der Leipziger Stadtmeisterschaft!

Dreimal in Folge Stadtmeister

Zwischen 2007 und 2010 ging in der Messestadt und ihrem Umland kein Weg an den Räpitzern vorbei. Dreimal in Folge wurden die Landfrauen Meister in Leipzig: Ein Triple! Der Olymp war erklommen. Wenns am schönsten ist und/oder die ersten Zipperlein kommen, sollte man allerdings aufhören und so gab es ab 2011 die ersten Lücken im Kader.

…und dann sagt der Kapitän der Herrenmannschaft nach dem Spiel: „Wow, das habt ihr gut gemacht, Mädels!“

Die konnten zunächst durch ein engeres Zusammenrücken mit dem Knautkleeberger Sportclub aufgefüllt werden. Prompt holten sich die Damen auch gleich den Leipziger Stadtpokal.

Aber trotz Bündelung der Kräfte zu einer Fußball-LPG wurden im Jahre 2015 auch bei der Räpitz-Knautkleeberger Genossenschaft die Fachkräftinnen knapp. Und so sucht man nun nach zweijähriger Pause händeringend nach frischen, ambitionierten Humanressourcen, um dem Frauenfußball in der Sportstadt am See neues Leben einzuhauchen.

Dabei geht es längst nicht um Leistungssport, Ehrgeiz oder Höhenflüge zu weiteren Meisterschaften, sondern eher um sportliche Freizeitgestaltung in einem Super-Team.

Was stellen Frauen nicht alles an, um ein paar überschüssige Gramm loszuwerden? Da wird Essen beim Umrechnen in Punkte zum mathematischen Prozess, Hunger avanciert zum Lebensinhalt und manche Frau macht gleich vier Diäten gleichzeitig, weil sie von einer nicht satt wird.

Neben dem Sport kommt auch der Spaß nicht zu kurz. In Räpitz versteht man, auch verwonnene Spiele zünftig zu feiern.

Ganz anders ist das, wenn man sich sportlich betätigt und das auch noch in einem Team, in dem alle das gleiche Ziel verfolgen und einfach nur Spaß haben wollen. Der beschränkt sich in Räpitz übrigens nicht nur auf Training und Spiel. Ganz nach Lust und Laune wird da auch schon mal eine Feier zelebriert, ein gemeinsamer Wochenend-Ausflug oder ein Kegelabend veranstaltet oder das Faschingsprogramm des Ortes bereichert.

Fußballerinnen beim Räpitzer Fasching: Seit Jahren eine feste Instanz.

Der Clou dabei: Man muss nicht mal wissen, was Abseits ist. Es reicht, wenn das erst mal nur die Schiedsrichterin weiß. Da wir Frauen mitunter die Eigenschaft haben, alles wörtlich zu nehmen, soll an dieser Stelle auch gleich mal mit weiteren Vorurteilen aufgeräumt werden.

Wenn also im Herren-Fußball der Verteidiger mal „ein Bein stehen lässt“, muss er deshalb nicht gleich in den Rollstuhl umsteigen. Ebenso gibt es einen „kurzen Pfosten“ nicht wirklich, wenngleich mancher Sportreporter ebenso oft davon spricht, wie von der „langen Ecke“, die in Wahrheit genauso kurz ist wie die kurze Ecke oder der lange Pfosten. Die Männer haben’s bekanntlich nicht so mit der realistischen Einschätzung von Längenmaßen und wir sollten nicht immer auf diesem wunden Rücken rumreiten.

Wenn’s in einer Frauen-Clique so richtig gut passt wie bei der SG Räpitz, kann man auch mal miteinander Schlitten fahren.

Das gilt übrigens auch für Begriffe wie „Blutgrätsche“ oder die eklige Vorstellung, dass eine Spielerin der anderen mal reinrutscht. Glauben Sie bitte nicht alles, was die Männer so über den Fußball erzählen, um diese Frauensportart für sich einzunehmen!

Also dann, liebe Markranstädterinnen: Sie können sich in einem nach Deo und Achselschweiß riechenden Fitnesstempel alleine auf dem Laufband quälen oder den gleichen Effekt mit Spaß und guter Laune in einem tollen Team finden. Melden Sie sich einfach ganz unverbindlich für die am Dienstag, dem 7. November ab 19 Uhr auf dem Räpitzer Sportplatz stattfindende Kennenlern-Trainingsrunde bei Laura Bryks unter (0177) 670 09 20 oder per Mail unter laura.bryks@yahoo.de an.

Ihr Regencape oder den Skianzug können Sie übrigens getrost zu Hause lassen, denn bei schlechtem Wetter und in den kalten Wintermonaten steht direkt am Sportplatz eine Halle zur Verfügung.

 

3 Kommentare

    • Edelfan auf 10. Oktober 2017 bei 14:11
    • Antworten

    Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich halte es für möglich, dass Euch bei den Recherchen ein kleiner Lapsus unterlaufen ist. Bei dem Spiel damals in Kulkwitz handelte es sich meines Erachtens nicht um das Leipziger Pokalfinale, sondern um das Finale der DDR-Bestenermittlung im Frauenfußball (so nannte man die Meisterschaft damals). Und wenn mich meine Erinnerung nicht allzusehr täuscht, standen damals sogar die Frauen von Turbine Potsdam auf dem Platz.

    • Annett Zausch auf 10. Oktober 2017 bei 11:34
    • Antworten

    Danke – super Artikel

    1. Keine Ursache. Bei DEM Honorar ist das doch selbstverständlich: Interviews in der Umkleide … wir können es kaum erwarten. Dagegen sind die Bilder, als Mutti nach dem WM-Gewinn mit Mario Götze unter die Dusche ging, nicht mal Kopfkino 😉

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